TransGender.at Forum

Normale Version: Meine Zeit ist abgelaufen
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Liebe Mitglieder! Liebe Gäste!

Als jahrelanger stiller Mitleser möchte ich nun doch endlich die Möglichkeit ergreifen, allen hier Anwesenden meine Situation zu schildern, die sich nur sehr schwer in Worte fassen läßt.
Angefangen hat meine Andersartigkeit bereits in meiner Kindheit, bewußt geworden ist sie mir jedoch erst sehr viel später, nämlich im Alter von 16 Jahren. Dies geschah allerdings nicht deshalb weil mir plötzlich ein Licht aufging, sondern weil ich damals zufälligerweise eine Wette mit meiner jüngeren Schwester verloren hatte und infolgedessen ein Kleid von ihr anziehen, sowie darin den Rest des Tages verbringen mußte.
Aber soweit kam es nicht, denn kurz nachdem ich das Kleid angezogen hatte, erwischten uns unsere Eltern und wir beide wurden ausgeschimpft und windelweich geschlagen, bis wir heulten - meine Schwester von meiner Mutter und ich von meinem Vater, der damals außer sich war vor Zorn über mein Vergehen und seither auch mit Gewalt von mir einforderte, stets meine Männlichkeit an den Tag zu legen und meinen Mann zu stehen, besonders in der Arbeit, wo jeden Tag sehr viel Kraft, Stärke und Ausdauer gefragt war.
Und ich beugte mich seinem Willen und auch seinen haßerfüllten Ansichten über Transgender und dergleichen. Meine Mutter war nicht anders, ihrer Meinung nach sollten alle Transgender öffentlich erhängt werden und auch von vielen weiteren Personen aus meinem Verwandtenkreis bekam ich ähnliche Kommentare zu hören, besonders zu der Zeit, als Conchita Wurst den Song Contest gewann.
Aber niemand von ihnen wußte, wie ich mich fühlte und so ist es noch heute.
Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich so oft viele junge Mädchen draußen im Park, wie hübsch und wie glücklich sie sind, wie sie lachen, wie sie sich ihrer Jugend erfreuen und wie sie das Leben genießen.
Ich würde wirklich alles dafür geben, um nur eine einzige Stunde eine von ihnen sein zu können ...
Aber dazu ist es leider zu spät.
Ich bin bereits weit über 50 und habe damit meine Jugend und meine beste Zeit längst hinter mir gelassen. Mein Körper ist nach jahrzehntelanger Schwerstarbeit am Ende und aufgrund von mehreren schlimmen Verletzungen, die ich mir dabei zugezogen habe und welche meist nicht fachgerecht behandelt wurden, kaum noch lebensfähig.
Vergangenen Freitag erhielt ich endgültig die niederschmetternde Diagnose, daß ich auch auf die letztmögliche Behandlungsmethode nicht angesprochen habe und mir die Ärzte somit nicht mehr helfen können, weder in Österreich, noch irgendwo anders.
Sie geben mir noch maximal zwei bis drei Monate zu leben oder besser gesagt, unter Schmerzen auf mein Ende zu warten, denn selbst die ganzen hoch dosierten Schmerzmittel helfen mir kaum noch.
Daß mein Leben bereits in diesem Augenblick, wo ich diese Zeilen verfasse, so gut wie vorbei ist, erfüllt mich jedoch in erster Linie nicht mit großer Trauer, sondern vor allem mit kochender Wut, loderndem Zorn und brennendem Haß auf mich und meine Feigheit.
Anstatt aufzustehen und selbst mein Leben in die Hand zu nehmen, habe ich mich stets untergeordnet und ohne zu fragen getan, was von mir verlangt wurde. Ich habe mein ganzes Leben in einem Körper vergeudet, der nicht zu meiner Seele paßt, aber anstatt daran etwas zu ändern, habe ich meine Gefühle immer unterdrückt und totgeschwiegen.
Aber nun ist sowieso alles zu spät und ich werde mein Geheimnis mit ins Grab nehmen, in der Hoffnung, diese Welt eines Tages doch noch als Mädchen wieder erblicken zu dürfen.
Abschließend möchte ich euch daher noch folgende Worte mit auf euren Weg geben: Tut, was ihr tun müsst und was auch immer notwendig ist, damit ihr zu euch selbst finden und glücklich sein könnt!
Ich habe hier schon sehr viele Beiträge gelesen und von einigen Mitgliedern sogar bildhübsche Fotos gesehen und ich bin absolut überwältigt von eurem Mut, eurem Ehrgeiz und eurem starken Willen, der euch letztendlich auch jene Freiheit und Glückseeligkeit bescheren wird, die ich nie erleben durfte, obwohl ich fast mein ganzes Leben lang gewußt habe, was ich hätte tun sollen, um sie zu erreichen.
Ihr hingegen seid auf dem richtigen Weg und deshalb bin ich unglaublich stolz auf euch!
Ich wünsche euch von ganzem Herzen alles Liebe, alles Gute, viel Kraft, ein glückliches Leben und eine goldene Zukunft!
Und bitte verzeiht mir, daß mein erster Beitrag gleichzeitig auch mein letzter ist und ich mich nun wieder in die Ecke der stillen Mitleser zurückziehe.

Lebet wohl,
die Sanduhr
Sick
Diese Zeilen machen mich sprachlos und traurig zugleich.

Irgendwie hast du ja Recht, aber es geht halt nicht immer, denn unsere Gesellschaft toleriert nur weniges.

Es tut mir wirklich leid für dich und ich wünsche dir aber trotzdem noch einige lebenswerte und schmerzfreie Tage.

GLG
Martina
Ich finde nichts, was ich Dir zum Trost schreiben könnte.
Trotzdem möchte ich Dir etwas Liebe zusenden Favorite und hoffe für Dich, dass Du im nächsten Leben Dein Leben leben kannst  Crying

Liebe Grüße, Michaela
Ich bin auch sehr erschüttert und wünsche Dir viel Kraft und dass du deine restliche Zeit so gut wie möglich erleben kannst.

Es ist schwierig zu sich zu stehen und es gibt so viele intolerante Menschen, auch im direkten Umfeld und die Angst, wie es weitergeht und ob man das alles schafft ist immer da.

Ganz liebe Grüße
Tammy

Ann Lie

Hallo Sanduhr

Ich finde mit dir geht ein sicher sehr wertvoller Mensch. Du kannst sicher in einem anderem Leben glücklich sein und vielleicht kommst du ja als Mädchen zurück. Sieh dich nicht als Feigling, unterdrückt haben wir es alle mehr oder weniger. Solche Eltern hab ich leider auch, kenne das zu genüge. Niemand von uns weiß wie er in deiner Situation reagiert hätte. Habe auch gekämpft viele Jahre, bin dankbar doch ein Leben haben zu dürfen und deine schlimme Geschichte erschüttert einen doch sehr das leider nicht alle von uns das Glück haben dürfen. Trotzdem du warst und bist immer ein Mensch egal ob mit oder ohne Angleichung. Ein Mensch mit Gedanken und Gefühlen der vor allem eine wertvolle Seele hat. Vergiß das nie. Wünsch dir noch viel Kraft für die Zeit die du noch unter uns weilst.

LG Ann Lie

Ирина

Liebe Sanduhr,

beim Lesen des Thread-Titels auf der Hauptseite habe ich mich noch für dich gefreut und wollte dich hier herzlich willkommen heißen, sowie alles Gute wünschen, wie ich das immer wieder gerne bei Neuankömmlingen mache, die sich hier vorstellen. Ohne zu überlegen nahm ich an, der Titel könne nur positiv gemeint sein, im Sinne von "meine Zeit im falschen Körper ist abgelaufen, jetzt läuft meine Entwicklung endlich in die richtige Richtung" ...

Nachdem ich aber deine Lebensgeschichte gelesen habe, bin ich gleichermaßen erschüttert wie zu Tränen gerührt. Es tut mir unendlich Leid, dass dein Dasein auf diese Art und Weise enden muss und du nun nicht mehr die Möglichkeit hast, deiner weiblichen Seele jenen Körper zu geben, den sie verdient gehabt hätte. Ich bin sicher, du wärst auch mit über 50 noch jener wunderschöne Schmetterling geworden, der du im Herzen schon immer warst, aber leider warst du dazu verdammt, nach Außen hin ein Leben lang in der Rolle der kriechenden Raupe zu bleiben, die dir gegen deinen Willen aufgezwungen wurde.

Ich nehme an, du musstest auch gegen deinen Willen im eigenen Familienbetrieb oder dergleichen hart arbeiten, da dein Vater stets Höchstleistung von dir einforderte, auch dann, wenn du einfach nicht mehr konntest. Mich wundert es daher überhaupt nicht, dass du dich dabei mehrmals schwer verletzt hast, finde es aber absolut erschreckend, dass du nicht ordnungsgemäß medizinisch versorgt wurdest, sondern lediglich so nach dem Motto "Indianer kennt kan Schmerz" ... aber ich kenne das in ähnlicher Form auch von meinem Vater, der mich als Kind misshandelt und psychisch fertig gemacht hat.

Was ich damit sagen will: Du hast dich dein ganzes Leben lang für andere geschunden, warst auch sonst jederzeit für sie da und hast dich selbst aus Liebe zu deinen Mitmenschen immer an letzte Stelle gestellt. Und nun ist der Dank dafür, dass du ein derart herzensguter Mensch warst jener, dass du nicht mal zumindest jetzt noch so sein kannst, wie du willst, nämlich nur du selbst? Es ist so unfassbar unfair und traurig, ich finde keine Worte mehr und kann auch sehr gut verstehen, dass du wütend bist.

Aber bitte hasse dich nicht dafür, dass du es nicht geschafft hast. Es ging einfach nicht und dafür kannst du absolut nicht das Geringste. Familie und Verwandte kann man sich nicht aussuchen, ebenso wenig die Zeit oder den Ort, wo man hineingeboren wird. Du warst weder schwach noch feig, ganz im Gegenteil, du hast das Beste aus deiner Situation gemacht und bist daran nicht zerbrochen, das ist wahre Stärke, genauso wie zu akzeptieren, dass mehr einfach nicht möglich war! Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was ich an deiner Stelle getan hätte ...

Dass du selbst jetzt noch am Ende deines Lebensabends so viel Liebe an uns weitergeben kannst, verschlägt mir glatt die Sprache, ich denke, ich hätte dazu in deiner Situation nicht mehr die Kraft. Du hast nicht nur mir, sondern wohl uns allen hier vor Augen geführt, wie kostbar das Leben ist und dass wir davon jede Minute nutzen sollten, die uns bleibt, um Freiheit und Frieden mit uns selbst zu finden und das Leben zu genießen. Ich selbst war bereits ganz kurz davor, meines für immer wegzuwerfen, aber nun versuche ich den folgenden schönen Spruch in die Tat umzusetzen: "Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum". Ich danke dir vielmals für deine Worte und ziehe in Demut meinen Hut vor dir!

Deine Sehnsucht, auch nur für kurze Zeit ein junges Mädchen zu sein, das mit anderen Spaß hat, kann ich sehr gut nachvollziehen und auch wenn ich dir auch sonst leider nicht helfen kann, so wünsche ich dir wirklich von ganzem Herzen, dass du jede Nacht die dir noch auf Erden bleibt, keine Schmerzen spürst, sondern in deinen Träumen stets eines jener junger Mädchen bist, die im Park mit ihren Freundinnen das Leben genießt!

Liebe Grüße,
Irina
Hallo Sanduhr,

als ich Deine Geschichte und auch all die lieben Kommentare der Schwestern las, bekam ich eine Gänsehaut und habe geheult. Scheiße, geheult habe ich. Aus Trauer, aus Wut ....

Ich kann mich dem, was die anderen schon gesagt haben, nur anschließen. Und ich habe eine Bitte: wenn es für Dich irgendwie möglich ist, dann lebe Deinen Traum noch in der Zeit, die Dir bleibt! Du musst nicht hinausgehen, besorge Dir die Sachen, die Du benötigst, im Internet und genieße es dann daheim. Du musst auch keinem Photo oder hirnlosem Schönheitsideal nacheifern, gönne Dir einfach nur glücklich zu sein.

GlG, Sparkle
Hi, Sanduhr!

Seitdem ich deine Story las, krieg ich diese Vorstellung nicht mehr aus dem Kopf! Mein Gott, ist das erniedrigend! Diese transphoben Fanatiker sollen doch in die Hölle schmorren! Weißt du, ich glaube an einem Leben nach dem Tod. Ich bin stark überzeugt davon, das ich im nächsten Leben ein glückliches, schönes Mädchen werde. Aber bevor du noch ins Gras beißt, gleiche dich an dein wahres Ich an mit Perücke, Silikonbrüste, Schminke, usw... bevor es zu spät ist. Ich wünsche dir noch viel Glück dabei!

Glg

Julia, die Seelenwanderin
Hallo, Sanduhr,

deine Zeilen zu lesen, macht auch mich traurig und sprachlos.
Leider bin ich furchtbar darin, mitfühlende Worte zu finden, doch ich hoffe, ich kann dir zumindest ein kleines bisschen Trost spenden.

Ich selbst glaube an ein Leben nach dem Tod, ans Jenseits, an das "Paradies", wenn du so willst. Es lässt sich zwar nicht beweisen, aber es gibt Indizien dafür, Nahtoderfahrungen, die sich nicht alle wissenschaftlich erklären lassen (Menschen beschreiben haargenau Verstorbene, die sie nie gesehen haben können oder beschreiben sogar detailliert Vorgänge, die auf einem anderen Teil der Welt stattfinden), eben Dinge, die nicht einfach damit erklärbar sind, dass das Hirn "Halluzinationen" hat, oder so.
Wenn Menschen Verstorbene "sehen", so beschreiben sie sie oft in der Blüte ihres Lebens, jung und krafftvoll. Ich glaube, die Seele ist ein Spiegel deines wahren Ichs.
Ich glaube nicht unbedingt, dass du als Mädchen wiedergeboren wirst, sondern dass du als wunderschöne Frau ins Paradies eintrittst, sodass du spüren kannst, was dir in diesem Leben fehlte und du dein Glück erleben darfst.
Ich wünsche dir von Herzen, dass du nach deinen 50 Jahren des Leids bald viele, viele Jahre und Jahrzente tiefsten Glückes vor dir hast.
Ich weiß, dass klingt jetzt ein wenig spirituell, manch einer mag mich als "dumm" oder "naiv" bezeichnen, doch das spielt keine Rolle!
Ich glaube daran, dass du bald so sein darfst wie du das immer wolltest!
Alles Gute in deinem neuen, hoffentlich besseren Leben,
Deine Yuri

Patricia1975

Liebe Sanduhr!

Meinen ersten Beitrag schreibe ich unter Deinen letzten. Das klingt unheimlich traurig und zugleich möchte ich Deinen Wunsch an uns erfüllen. Ich bin jetzt 42 und ich habe vor 10 Jahren als meine Frau, die alles von mir wusste, schwanger wurde. Aus Angst vor gesellschaftl. Repressionen und vor allem der Angst vor der Trennung und alles zu verlieren, habe ich wie all die Jahre zuvor wieder alles verdrängt. mich bewusst zur Männlichkeit gezwungen. Bis ich nicht mehr konnte. In den letzten Jahren lag ich jede Nacht stundenlang, während Frau und Kind schliefen, auf der Couch, saß am Balkon, hörte meine Musik - und träumte von verschiedenen Leben ... in denen ich Frau war.
Und schließlich war genau das, wovor ich so große Angst hatte, unsere Lösung. Meine Frau haßt mich nicht, es fällt ihr sogar schwer sich zu trennen - aber sie hat eben noch Angst vor unserer Gesellschaft!
Ich weiß was auf mich zukommt, ich habe so viel Angst - vor allem vor negativen Reaktionen. Und doch - alle meine KollegInnen, mein Arbeitgeber, mein Umfeld - alle danke mir für MEIN Vertrauen, dass ich ihnen ausspreche wenn ich es erzählt habe.
Unsere Ängst sind wichtig - aber wir sollten sie nicht zu unseren Ratgebern werden lassen.

Egal, wo du nun bist, ich möchte dir dies Lied widmen:

https://www.youtube.com/watch?v=UUjanrmflRU

Danke!