(16.11.2011, 00:31)ChrissieWien schrieb: [ -> ]Wir können also davon ausgehen, dass die Depatholisierung, sprich die Streichung aus dem ICD so oder so kommen wird.
Das halte ich für ausgeschlossen. Ein Gremium aus Ärzten, die auch darauf achten müssen, dass sie auch in so kleinen Nieschen wie bei TS beschäftigt bleiben, wird die Krankheitswertigkeit nicht in Frage stellen. Der DSM5 wird wahrscheinlich auch eine Geschlechtsdysphorie kennen.
Auch ich bin nicht für eine völlige Streichung, da ich glaube, dass die Krankheitswertigkeit es Menschen beim Switch im Job eher erleichtert beschäftigt zu bleiben. Es gibt ja auch niemanden, der gegen seinen Willen einen F64.0 aufgebrummt bekommen hat. Ich bin jahrelang dieser Stigmatisierung aus dem Weg gegangen und lebe auch ohne einer solchen Attestierung gut.
Ich denke, die Sache ist wirklich vielschichtiger als dass man sie auf die KraKa-Frage reduzieren darf. Aber keine Frage: Die Finanzierung muss gesichert bleiben.
Sie ist durch ökonomische Bedingungen gefährdet, aber sicher nicht durch den ICD. Essentiell wichtige Operationen, wie es GaOPs sind, wird die WHO nicht ignorieren.
Die Befürworter der Depathologisierung sind die Frage nach dem tieferen Grund des Jubels über eine Streichung aus diesem Krankheitskanon schuldig geblieben. TV/TS werden ja höchstens "offiziell" nicht mehr als krank gelten, in der Öffentlichkeit hingegen sehr wohl noch - oder jedenfalls ganz sicher nicht wegen dieser Definitionsänderung weniger als jetzt. Daher steht diese rein ideelle Errungenschaft in keinem Verhältnis zur finanziellen Bedrohung jener, die diese oder jene Therapie benötigen. Daß darüber, wie abstrakt oder konkret diese Bedrohung ist, offenbar Uneinigkeit herrscht, ist Grund genug, sich kluger Weise so schnell wie möglich auf eine derartige Entwicklung einzustellen, bzw. sich rasch darum zu kümmern, daß ihre schlimmsten anzunehmenden Folgen abgewendet oder wenigstens so gut wie möglich gelindert werden. Jene, die die Wahrscheinlichkeit der schlimmst anzunehmenden Konsequenz als klein annehmen, seien daran erinnert, daß sich das Risiko trotzdem immer noch aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeit und der möglichen Schwere der Schäden berechnet. Es wäre insofern auf jeden Fall töricht, es als vernachlässigbar einzustufen, so lange wir nichts genaueres wissen.
(16.11.2011, 00:56)Angelika schrieb: [ -> ]Wenn also die Streichung aus dem ICD kommt, die ihr so veement mitfordert, dann seid ihr auch mitschuldig am Leid, dass ihr damit über zahllose TS in Österreich und anderen Ländern, die heute noch Kostenübernahmen kennen, kommen wird.
Und sehr polemisch gesagt, bei jedem Suizid der daraus entsteht, habt auch ihr dann Blut an den Händen.
Angelika, auf dem Niveau diskutier ich mit dir nicht weiter.
Nur ein Satz noch: Zu Tode gefürchtet ist auch schon gestorben.
(16.11.2011, 01:27)Carina_in_Graz schrieb: [ -> ]Die Befürworter der Depathologisierung sind die Frage nach dem tieferen Grund des Jubels über eine Streichung aus diesem Krankheitskanon schuldig geblieben.
Ich verweise hier mal auf die Antwort von Mike-Tanja.
Zitat:TV/TS werden ja höchstens "offiziell" nicht mehr als krank gelten, in der Öffentlichkeit hingegen sehr wohl noch
Das ist ganz klar. Solche Prozesse dauern, aber der Gesetzgeber muss wie immer die Vorreiterrolle übernehmen. Homosexualität wurde vor rund 20 Jahren aus dem ICD gestrichen. Bei vielen sind sie immer noch "krank". Die Gleichberechtigung ist seit x Jahren festgeschrieben - wie schaut´s darum aus? Jetzt debattieren wir über fixe Quoten bei Firmen. Auch das wird die Situation nicht von heute auf morgen ändern. Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen. Nur irgendwo muss man mal anfangen.
Im übrigen: In meinem Freundeskreis erachtet niemand TV/TS als krank.
Zitat:- oder jedenfalls ganz sicher nicht wegen dieser Definitionsänderung weniger als jetzt. Daher steht diese rein ideelle Errungenschaft in keinem Verhältnis zur finanziellen Bedrohung jener, die diese oder jene Therapie benötigen.
Ah ja, die Gebetsmühle von Angelika wirkt anscheinend. Es gibt keinen Beweis dafür. Nur Hörensagen und Angstmacherei.
Und nochmal: Wir alle hier werden es nicht beeinflußen/verhindern können. Deswegen find ich das:
Zitat:Daß darüber, wie abstrakt oder konkret diese Bedrohung ist, offenbar Uneinigkeit herrscht, ist Grund genug, sich kluger Weise so schnell wie möglich auf eine derartige Entwicklung einzustellen, bzw. sich rasch darum zu kümmern, daß ihre schlimmsten anzunehmenden Folgen abgewendet oder wenigstens so gut wie möglich gelindert werden.
VIEL WICHTIGER!!!
Das ist das, worauf wir unsere Kräfte konzentrieren sollten.
Zitat:Jene, die die Wahrscheinlichkeit der schlimmst anzunehmenden Konsequenz als klein annehmen, seien daran erinnert, daß sich das Risiko trotzdem immer noch aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeit und der möglichen Schwere der Schäden berechnet. Es wäre insofern auf jeden Fall töricht, es als vernachlässigbar einzustufen, so lange wir nichts genaueres wissen.
Keiner tut das. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die Gegner der Depatholisierung immer noch der irrealen Idee anhängen, diese von Österreich aus verhindern zu können. Das wird´s nicht spielen. Deswegen ist das vergeudete Energie. Besser sich vorzubereiten, falls die Depatholisierung kommt.
(16.11.2011, 14:11)Mike-Tanja schrieb: [ -> ]Ich frage mich eher, warum manche ständig drüber nachzudenken scheinen, wie sie in der Community selbst mit m.E. völlig grundlosen Argumenten Panik vor der De-Psychopathologisierung schüren können?
Danke. Das frage ich mich schon lange.
Ich kann hier beiden Seiten der Diskussion etwas abgewinnen!
Nur per Forum, also schriftlich, werdet ihr das nicht lösen können.
Vielleicht sollten sich die betroffenen Personen zusammen setzten und eine Lösung diskutieren. Vielleicht im Anschluss an den TransX Abend?
(11.10.2011, 18:37)Mike-Tanja schrieb: [ -> ]Eine sozialversicherungsrechtliche "Lex TS" [...] wäre auch ein sehr grenzwertiger Fall, um nicht zu sagen: eine unsachliche Privilegierung von Trans*Menschen.
Unsachlicher als der Nichtausschluß von Risikosportlern ist es nicht, da wir uns das nicht ausgesucht haben und kaum ein noch so passionierter Fallschirmspringer suizid gefährdet sein wird, wenn er sich das Fallschirmspringen aufgrund einer sozialversicherungsrechtlichen Änderung nicht mehr leisten könnte.
(11.10.2011, 18:37)Mike-Tanja schrieb: [ -> ]Aus meiner laienhaften Sicht ist das ein und dasselbe psychisch-emotional deviante ("psychopathologische") Erscheinungsbild, nur in unterschiedlicher Intensität.
Ich wollte das schon mal hinterfragen, aber ich fürchtete, eine zu kontroversielle Diskussion um dieses Thema anzuzetteln, da wir uns - u.a. eben auch in Hinblick auf unsere politisch-gesellschaftliche Stärke - keine interne Spaltung erlauben können.
Um es pointiert zu formulieren steht das Recht als Mann Frauenkleider tragen zu können ohne dabei schief angeschaut zu werden gegen das Recht auf zigtausend Euro, um diverse Behandlungskosten erstattet zu bekommen, weil man entweder einen schweren Gendefekt (XX/XY) hat oder einen derartigen Klescher in der Birne, daß man seinen völlig gesunden Körper so massiv umgestalten lassen muß, um die eigene Existenz zu ertragen. Ich hoffe ich beleidige jetzt keine TS, aber Krankheit ist das, ob nun eine körperliche oder eine seelische. Und krankenversichert sind wir nicht nur deswegen, weil wir das sein müssen, sondern weil wir uns davon die Bezahlung der Behandlung unserer Krankheiten erwarten, sowohl der körperlichen als auch der seelischen.
(16.11.2011, 14:47)ChrissieWien schrieb: [ -> ]Ich verweise hier mal auf die Antwort von Mike-Tanja.
Und ich verweise auf die Antwort von Angelika.
(16.11.2011, 14:47)ChrissieWien schrieb: [ -> ][Frauenquoten etc.]
Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen. Nur irgendwo muss man mal anfangen.
Aber doch nicht ausgerechnet dort, wo der Schuß nach hinten losgehen kann!
(16.11.2011, 14:47)ChrissieWien schrieb: [ -> ]Und nochmal: Wir alle hier werden es nicht beeinflußen/verhindern können.
Es nicht einmal zu versuchen, sich dagegen zu wehren, ist ein irrationales Verhalten, egal wie schlecht die Chancen auf den vollen Erfolg stehen mögen, denn vielleicht läßt sich ja wenigstens irgendein Teilergebnis erzielen, wenn man sich darum bemüht und die entsprechende Unterstützung dafür erhält und irgendwie vermisse ich die in diesem Punkt sehr.