TransGender.at Forum

Normale Version: Angst vor outing...
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Hallo,

Mein Name ist (zumindest bald) Lilly,
ich nehme jetzt seit ungefähr 3 Monaten
weibliche Hormone, bin 29 und aus Graz.

Ich wollte schon vor etwa 15 Jahren damit anfangen
aber meine Eltern waren damals eher wütend und
haben es einfach als blödsinn abgetan und damit hat es sich erledigt.
Bisher war ich deswegen einfach nicht mutig genug
um das wirklich durch zu ziehen.

Da sich mittlerweile bei einigen meiner T-Shirts schon
ganz leicht Brüste abzeichnen, dachte ich dass es
langsam Zeit ist, es meiner Mutter zu erzählen.

Sie ist normalerweiße sehr verständnissvoll aber ich
hab das gefühl ich überschreite damit eine rote linie für sie...
Sie ist ziemlich konservativ.

Ich hab versucht ein paar hinweise zu geben um zu sehen
wie sie reagiert aber viel bekomme ich so nicht raus aber
es geht eher in eine negativere richtung.


Zum beispiel:
Meine Haare sind mittlerweile Schulterlang.
Das gefällt ihr wiederum, und als ich sie fragte
ob es ok sei, wenn ich meine Haare so lasse, meinte sie nur "Sicher" und
dass ich mich dafür nicht schämen soll... Grin

Bei dezenteren sachen bekomme ich eher keine reaktion.

Als ich heute meinte dass ich jetzt eigentlich nur mehr Damenkleidung bräuchte,
weil es zu meine Haare passen würde, meinte sie ich soll keinen blödsinn reden.
Sie war nicht sonderlich amüsiert darüber...



Ich weiß der Post ist etwas lang aber ich hoffe dass ich auf diesem
weg einen guten Tipp bekomme wie ich mit der situation umgehen soll.

Ich würde mich auserdem freuen gleichgesinnte Leute im Raum
Graz kennen zu lernen.


LG, Lilly
Hallo Lilly,

ich denke mir um ein Outing wirst du über kurz oder lang nicht herumkommen. Die Reaktion darauf mag dann so oder so sein, letzten Endes wird es aber an deiner Entscheidung einen bestimmten Weg zu gehen auch nichts ändern.

Als konkreten Tip kann ich nur geben, nicht zu hohe Erwartungen zu haben und möglichst einfach zu erklären um was es überhaupt geht und was sich dadurch ändern wird. Geduld ist das Zauberwort (.... das sagt jetzt natürlich gerade die Richtige...), jedenfalls muss die Botschaft auch erst mal wirken und verarbeitet werden.

Es braucht alles seine Zeit und erst langfristig zeigt sich oft, wer damit zurechtkommt und keine Probleme hat, und wer nicht.

Jedenfalls ist das was du schreibst gut nachvollziehbar und auch deine Sorgen über die mögliche Reaktion deiner Mutter. Es könnte natürlich auch sein, dass sie sich Sorgen machen wird wie dein Leben dann weiter verlaufen wird.

Das bringt mich zu einem interessanten Punkt, den ich immer wieder bemerke, auch wenn das jetzt ein wenig vom eigentlichen Thema abdriftet. Aber es gibt immer wieder Menschen, die durch ihre Ablehnung von diesen und jenen selbst als Mit-Auslöser von Problemen fungieren, die erst durch ihre Einstellung zum Problem werden. Also wenn sie mit bestimmmten Personen kein Problem hätten dann hätten diese Personen auch weniger Probleme, das scheint mir ein bisschen ein Teufelskreis zu sein, aber das ist ein Kapitel für sich...

Ein Gespräch wird jedenfalls Klarheit bringen, und sich langsam heranzutasten ist schon ok, aber irgendwann kommt man halt auch nicht mehr drumherum. 

Ich wünsche dir in jedem Fall alles Gute weiterhin, in Graz gibt es auch eine monatliche Selbsthilfegruppe, evtl. wäre auch das eine Anlaufstelle.

LG,
chipsi
Hallo Lilly,
Ich stimme im großen und ganzen mit chipsi überein. Über kurz oder lang musst du dich outen.
Ich bin Rebecca, bin 52, seit einem Jahr auf HRT und habe mich vor 3 Wochen bei meiner Mutter, Schwester und Tante und Onkel geoutet, nicht aber bei meinem Vater. (Meine Frau und Kinder wussten schon seit einem Jahr Bescheid). Ich vermute ein ähnliches Kommentar “Blödsinn” von meinem Vater wie du bekommst. “Bist jetzt total übergeschnappt, Sir” kann ich bereits hören. Glücklicherweise, hab ich nur positives Feedback bekommen auch wenn nicht alle genau verstehen was transgender, gender dysphoria usw bedeutet. 

Wenn es dir hilft, ich habe eine kurze Email verfasst indem ich die Familienmitglieder auf eine schockierende Information hinwies, welche dem email angehängt ist. Das war ein 3-seitiger Brief, wo ich meine Situation erklärt habe. Ich habe erklärt, dass diese Art und Weise diese Information zu überbringen mir die Chance gibt meine Wortwahl genau abzustimmen und ihnen die Chance gibt, die schockierende Nachricht erst einmal zu verdauen, darüber nach zu denken, und sich ernsthaft zu überlegen, was sie mir zu sagen haben, bevor sie mich wieder in person sehen. Das hat gut funktioniert und ich hatte kein Kommentar, dass ich mich nicht getraut hatte dies direkt zu sagen.

Meine Psychiater und meine Psychologin, beides Genderspezialisten, meinten unabhängig von einander, dass meine Mutter etwas vermuten würde. Normalerweise etwas Schlimmes, wie Krebs, in meinem Alter. Oder die Scheidung von meiner Frau (die kommt vielleicht noch). Deine Mutter hat wahrscheinlich schon eine Ahnung, will es aber nicht wahrnehmen/glauben. Glaube nicht, dass deine Mutter sich daran erinnert, dass du das schon vor 15 Jahren mal erwähnt hasst. Das hat sie wahrscheinlich super schnell vergessen. Meine Frau konnte sich nicht daran erinnern, dass wir vor 20 Jahren gemeinsam am Sofa TV gesehen haben mit mir in Damenkleidung. Danach kam es mal zum Streit und alle meine Sachen flogen raus. Dann habe ich meine Gefühle 20 Jahre lang verborgen bis es nicht mehr anders ging. Aber sie hat den Gedanken an mich neben ihr in Damenkleidung höchst effizient aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Auch meine Mutter kann sich nicht daran erinnern, dass sie in meinem Zimmer als ich noch ein Teenager war, Damenkleidung gefunden hat. Ebenfalls aus dem Gedächtnis verdrängt. Deshalb würde ich vorschlagen, dass ganze eher langsam, wie du scheinbar eh schon tust, anzugehen.

Ich bin kein Psychologe und kein Therapeut. Was für mich funktioniert hat muss es nicht für dich tun. Aber über Dinge sprechen hilft.  
Alles Gute.
LG, Rebecca.
Danke für eure Nachrichten und Tipps!

@Rebecca:
Tut mir leid das über deine Beziehung zu hören und hoffe dass es wieder wird wenn du
damit klar kommst. Meine langjährige Partnerschaft mit meiner Lebensgefährtin
ist leider in die Brüche gegangen. Mittlerweile bin ich ganz froh darüber weil
ich mich durchgehend Verstellen musste (meine Beine mussten Haarig bleiben "weil Mann" usw...).
Sexuell hat es mich genauso frustriert, auch Männer haben mehr als nur eine
Erogene Zone aber es war für sie "komisch/seltsam" mich an anderen Stellen anzufassen als
einfach nur vorne zwischen meinen Beinen...
Es war für uns beide eine Frustrierende Zeit und damit hat es sich dann erledigt.

Und ja die sache mit dem Verdrängen kenn ich von meiner Mutter auch.
Dass ich als Kind/Jugendlicher öfter gemeint habe dass ich lieber ein Mädchen wäre
hat sie wirklich super schnell vergessen...
Auch als sie mal ein "Spielzeug" gefunden hat, dass sie mir schimpfend
und angewiedert ins Gesicht geworfen hat, hat sie
bestimmt auch noch am selben Tag schon vergessen...

Wenn sie Damenkleidung oder so gefunden hat, sind die einfach
aus meinem Zimmer verschwunden und im Müll aufgetaucht.

Sie kann sich an nichts erinnern. Zumindest auf ein paar sachen wollte ich sie auf
keinen Fall mehr ansprechen aber weniger schlimme sachen wurden auch Verdrängt.


Ich werde auch noch mit meiner Therapeutin darüber reden bei meinem nächsten Termin
aber ich denke auch dass ich am besten Fahre, wenn ich momentan wirklich immer nur
kleine Dosen an Infos oder Hinweise weitergebe, so dass sie vielleicht eine Vermutung hat und
es sie nicht komplett umhaut wenn dann mal die Bombe platzt...

Beim rest meiner Familie und Freunde mach ich mir weniger sorgen.
Gestern war ich bei einem Familien Treffen und es hat mich bis auf mein Onkel und meine Cousine
niemand auf meine Haare angeredet. Mein Onkel meinte ob ich ein Beetle werden wolle und meine
Cousine hat sich gefreut weil wir zufällig die gleiche Frisur hatten. Big Grin


Mal schauen wie sich das alles entwickelt.


Nochmals Danke für die Lieben antworten und Tipps, Rebecca und Chipsi!
LG, Lilly
Hallo Lilly,

Danke für deine Antwort. Ich musste über dein Kommentar zu deinem Familientreffen schmunzeln. Klassisches Kommentar deines Onkels - Beetle. :-) Über das Kommentar deiner Cousine könnte ich fast neidisch werden, d.h. du hast deine eigenen Haare und nicht wie ich eine Glatze. Das tragen einer Perücke finde ich schon störend und hätte liebend gerne wieder Haare. Naja, ich hoffe dass ich doch noch ein paar wieder bekomme von der Hormonbehandlung.

Wir hatten uns damals nach dem Streit nicht getrennt und sind nun immer noch zusammen aber wie lange noch. Es ist nicht einfach seit dem Start der HRT.  Anfänglich nach meinem Outing hatten wir mehr gemeinsame Momente als in den letzten 10 Jahren zusammengezählt. Dies hatte offensichtlich eine erlösende Wirkung auf mich. Nun seit dem die HRT Wirkung zeigt funktioniert es halt nicht mehrt so wie früher aber heuer im Jänner entschied meine Frau, dass sie mit mir nicht mehr intim werden will. Das vermisse ich sehr. Sie hatte schon Probleme mit meiner haarlosen und sanften Haut. Wie du aber sagst, gib es noch mehr erogene Zonen und durch die HRT verändern sich diese auch. Ich hatte ihr das schon gesagt und dass wir experimentieren sollten, aber sie wollte nicht. Ich kann es ihre auch nicht verübeln und verstehe sie. 

Ich sehe du hast mit deiner Mutter ähnlich Erfahrungen gemacht. Sachen verschwanden physisch und aus dem Gedächtnis. Ich weiß nicht wie du dein Outing nun am Besten angehst außer immer kleine Schritte zu machen und die Effekte der Behandlung werden sich hoffentlich zu zeigen beginnen. Sie wird dann merken, dass sich bei dir etwas tut und ihr Alptraum, wenn man es so nennen kann, wahr wird. Von dem was du schreibst hast du deine Dysphorie schon mehrmals angesprochen/angedeutet und sie ahnt es sicherlich, will es aber nicht wahrnehmen. Meine Psychologin sagt mir immer, dass das Transsein die Aengste in den anderen Personen heraufbeschwörd und sie dies erkennen müssen bevor sie die Transperson akzeptieren können. Das ist bei meiner Frau genau so. Der Ehemann eine Transfrau. Alptraum. „Ich bin doch keine Lesbe“, ist bei ihr wahrscheinlich das größte Problem, da sie sehr katholisch aufwuchs.

Naja. Wir werden unsere Wege gehen.

Alles Liebe,
Rebecca