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Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Mike-Tanja - 13.02.2014 Vorbemerkung: Dies ist eine mittellange Abhandlung, ihr solltet sie daher nur lesen, wenn euch das Thema wirklich interessiert. Dargestellt wird die österreichische Rechtslage. In der Praxis stellt sich die titelgebende Frage nur Mann-zu-Frau-Transgendern. Und die Bedeutung der Frage hängt in hohem Maße vom Faktor Passing ab. Wer optisch als Frau wahrgenommen wird, müsste auf dem Klo schon in eine Polizeirazzia mit Ausweiskontrollen und/oder Personsdurchsuchungen geraten, um Probleme zu bekommen. Wer durch eine Personenstandsänderung (PÄ) im Identitätsgeschlecht anerkannt ist, braucht sich überhaupt nicht zu fürchten. Die konkrete rechtliche Fragestellung lautet: Ist es strafbar oder sonst verboten, als "amtlicher" Mann (Transvestit, Prä-OP-Transsexuelle ohne Personenstandsänderung) eine Damentoilette zu benützen? Ich beschränke mich dabei auf das Privatleben und auf nach Geschlechtern getrennte, einem breiteren Publikum zugängliche WC-Anlagen. In der Arbeitswelt stellt sich dieselbe Frage natürlich auch, dort ist es aber (Stichworte: Gleichbehandlungsgesetze, Schutz- und Sorgfaltspflichten des Arbeitgebers, festes Wissen über die Person und die Identität des Gegenübers) noch deutlich komplizierter, sie zu beantworten. Aus rechtlicher Sicht zählt vor allem und meiner Ansicht nach im Zweifel immer das "amtliche" Geschlecht, das in Registern, Personenstandsurkunden und amtlichen Lichtbildausweisen eingetragene Geschlecht. Gegenüber einer Behörde oder z.b. einem Polizeibeamten oder einer Polizeibeamtin macht es meines Erachtens keinen Sinn, mit Begriffen wie "gefühltes Geschlecht" oder "Identitätsgeschlecht" zu argumentieren. Ich rate für den Fall eines ungeplanten Outings vor einem Behördenvertreter daher, die Karten immer klar auf den Tisch zu legen. Das mag emotional oft Schmerzen bereiten, erspart aber Komplikationen oder gar verhängnisvolle Missverständnisse. Jedoch schreibt kein Gesetz vor,
Für eine strafrechtlich relevante "sexuelle Belästigung" ist Körperkontakt (zumindest eine Berührung) gefordert. In den geschlossenen Kabinen einer Damentoilette kann man praktisch auch nicht in den Verdacht des Exhibitionismus ("öffentliche geschlechtliche Handlung") geraten. § 218 des Strafgesetzbuchs (StGB) können wir daher getrost abhaken. Und damit das gerichtliche Strafrecht als Ganzes. Für die Frage des Toilettenbesuchs in weiterer Folge entscheidend ist der Begriff des öffentlichen Anstands und der Verletzung desselben. Dieser gehört ins Rechtsgebiet des Ortspolizeirechts und ist durch Landesgesetz geregelt. Typische Anstandsverletzungen sind oder waren früher beispielsweise:
Der Tatbestand der "Anstandsverletzung" ist, mit kleineren Abweichungen, in den jeweiligen Landesgesetzen (Landes-Polizeigesetzen, Landes-Sicherheitsgesetzen, Landes-Polizeistrafgesetzen) geregelt, gemeinsam mit Sachen wie Ausübung der Prostitution, Ehrenkränkungen (nicht-öffentlichen, insbesondere brieflichen Schmähungen) und störender Lärmerregung. Typisch für Anstandsverletzungen ist, dass hier auf das allgemeine "Sittlichkeitsempfinden" (oder ähnlich klingende Begriffe) Bezug genommen wird. Verboten (und strafbar) ist, was dagegen verstößt, dadurch "Anstand" (verständliche, allgemeine Empörung) erregt und daher als polizeilich zu beseitigender, das soziale Leben störender Missstand empfunden wird. Nehmen wir als (Muster-) Beispiel das möglicherweise derzeit strengste einschlägige Landesgesetz, den 4. Abschnitt des Tiroler Landes-Polizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976 in der geltenden Fassung: Zitat: Der zentrale Begriff hier sind die "allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit". Was sich "schickt" ist in sozialer Hinsicht eine variable Größe. Diese kann örtlich verschieden sein und sich im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung verändern, wobei man nicht davon ausgehen darf, dass die Entwicklung stets zu immer größerer Freiheit und Freizügigkeit führen muss. Und was sich in der (Mittel-) Stadt Innsbruck oder im Schi-Tourismusort Sölden durchaus "schickt", kann in einer Dorfgemeinde abseits des Touristenstroms noch immer Anstand erregen. Das Problem ist, dass man so unter Umständen erst an der Reaktion einer gewissen Zahl von Menschen auf das eigene Verhalten ermessen könnte, ob man "Anstand erregt" und sich damit eventuell strafbar gemacht hätte. Würde man daher rein auf den sozialen Effekt des Handelns an einem konkreten Ort abstellen, wären die einschlägigen Gesetze aus verschiedenen Gründen (Gleichheitssatz, Keine-Strafe-ohne-Gesetz-Grundsatz) verfassungswidrig. Daher verlangen die Höchstgerichte für die rechtliche Beurteilung der Strafbarkeit unter Berücksichtigung grundrechtlicher Prinzipien einen objektiven Maßstab: Zitat:Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Bei der Beurteilung der Verletzung jener Formen des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung gesitteter Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. (Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 15.09.2011, 2009/09/0154, RS1) Eine einschlägige Entscheidung, die Bezug zu TG/CD hätte, ist mir nicht bekannt. In Summe unser aller Erfahrungen in der Öffentlichkeit glaube ich ohne Wenn und Aber sagen zu können, dass im Jahr 2013 das Auftreten eines rechtlich als Mann geltenden Menschen in Frauenkleidern und mit femininem Erscheinungsbild objektiv jedenfalls keinen "groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat." Das aus den Grundrechten auf Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit sowie aus einer Fundamentalbestimmung des Bürgerlichen Rechts ableitbare allgemeine Recht, eine selbstbestimmte Persönlichkeit zu sein ("Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten", § 16 Satz 1 ABGB), berechtigt meines Erachtens jeden Menschen, die Kleider zu tragen, die er für passend und richtig hält. Dazu kommt, dass ein Trans-Mensch - und das ist eine Erfahrung, die ich als Tivi vor Gericht bezeugen könnte -, jedenfalls im groß- bis kleinstädtischen Milieu vielleicht ab und zu Aufmerksamkeit aber keinesfalls allgemeine Empörung zu erregen vermag. Und ich glaube nicht, dass die vielleicht in einem Dorf im hintersten Winkel Tirols noch geltenden besonders strikten Moralvorstellungen ausreichend sein können, um den vom Verwaltungsgerichtshof geforderten "objektiven Maßstab" dessen, was sich schickt, entsprechend eng zu machen. Aber was gilt für die Frage der Toilettenbenutzung, darf man durch die zum Outfit passende Tür? Hier betreten wir endgültig eine Grauzone, denn eine öffentliche Damentoilette muss wohl nach allgemeinem "Schicklichkeitsempfinden" nicht nur als Ort definiert werden, an dem man Stoffwechselabfälle ausscheidet und wegspült. Sie ist für Frauen auch ein intimer Rückzugsraum. Dort wechselt "frau", Bio-Frau natürlich, Hygieneartikel während ihrer Tage, frischt ihr Make-up auf und kann sich fremden Blicken entziehen. Dies gilt klarerweise für männliche Blicke. Folgerichtig ist es für eine TG hier die gefährlichste Situation, wenn bei einer Frau das Gefühl entsteht, ein "verkleideter Mann" versuche sich in diesen Rückzugsbereich einzuschleichen. In so einem Fall können Misstrauen und Verdachts-Assoziationen (ein Sittenstrolch, ein Voyeur, ein Perverser?) die Folgen sein. Ganz besonders heikel wird die Situation aus sozialer und psychologischer Sicht dann, wenn ein Kind, ein Mädchen, mit weiblicher Begleitung anwesend ist. Das eventuelle Misstrauen in Kombination mit Beschützerinstinkten kann zu unvorhersehbaren Reaktionen führen. Heißt das nun, dass ich als TG, als Mann meinen Papieren und meiner amtlichen Identität nach, durch dieses Eindringen in einen weiblichen Rückzugsbereich den Anstand verletzt und mich dadurch strafbar gemacht habe? Meiner Ansicht nach ist dies zu verneinen. Denn in der österreichischen Rechtsordnung ist seit dem Fall des Operationszwanges das Geschlecht keine Frage der genetischen oder genitalen Ausstattung mehr sondern eine rechtliche Kategorisierung, die von sozialen Realitäten ausgeht. Dies muss meiner Meinung nach auch bei Beurteilung der Frage, was "sich schickt", ins Kalkül gezogen werden. Eine Bio-Frau muss heute damit rechnen, dass die Benutzerin der Nachbarkabine rein äußerlich über ein männliches Genital verfügt, was auch immer in ihren Papieren stehen mag. Würde man rein nach der genitalen Ausstattung urteilen, wären Prä-OP-Transfrauen ohne PÄ außerdem gesetzlich und aus Gründen des Anstands verpflichtet, ebenfalls die Herrentoilette zu benutzen, da sie, rein rechtlich betrachtet, nichts von Tivis unterscheidet. Daraus folgt, dass ich mich keiner Anstandsverletzung schuldig mache, wenn ich als "amtlicher" Mann in Frauenkleidern und mit femininem Erscheinungsbild eine Damentoilette benütze. Natürlich muss ich den Hinweis anbringen, dass diese Frage nicht ausjudiziert ist, und sich das Gesetz denkmöglich auch strenger auslegen lässt. Und vor allem: Nur wer keinen Anstand erregt ( --> Passing), kann sich vor dem Vorwurf einer Anstandsverletzung weitgehend sicher fühlen. Abschließend daher zur Erinnerung ein paar praktische Empfehlungen zur Sache:
Wenn man es ruhig erklärt, dann war's das mit höchster Wahrscheinlichkeit auch schon. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Eva_Tg - 13.02.2014 WC-Benutzung? Echt? Tanja, ich bin eine nicht operierte Transsexuelle ohne Vornamen- und Personenstandsänderung und habe im Schwimmbad schon mehrmals die Damendusche benutzt, meinen Bikini und meine Badeshort behielt ich dabei selbstverständlich an. Glaubst du, da denke ich noch darüber nach, ob ich aufs Damenklo gehen kann/soll/darf? Ich weiß nicht, sind das so typische Tivi-Gedanken? Ich bin ja irgendwie eine Frau, aber wie sehr gehöre ich nun wirklich dazu? Darf alles das was Bio-Frauen machen dürfen? Und was passiert, wenn mich jemand nicht als Frau anerkennt? Ich als Transsexuelle muß jedenfalls immer mit der unverblümten Frage, ob ich mal ein Mann war, rechnen. Aber soll ich mir Gedanken darüber machen, was für Folgen das hätte? Soll ich mein Leben danach richten oder ewig darüber nachdenken, was mir passieren könnte, weil ich nicht so bin wie ander Menschen? Das Kopfkino können wir ewig füttern, nicht nur mit schönen Sachen, auch mit Horror-Vorstellungen. Aber das Kopfkino einfach mal abschalten und ein bißchen was selbst erleben, ist auch nett. Ich seh das einfach so, ich bin eine Frau und ich mache/darf grundsätzlich das was andere Frauen auch machen. Ich bin ganz sicher kein Zwischending oder gegenüber anderen Frauen zweitrangig. Wenn der Umstand, daß ich bei der Geburt keine Frau war, zu Schwierigkeiten führt, dann ist das eben so. Deine Ausführungen und Hinweise in allen Ehren, aber als Transsexuelle hat man es irgends leicht. Daran ändern auch 7 praktische Empfehlungen nichts. Ich schätze deine Ansichten, aber mein Herz kann schlecht mit deinem Kopf disskutieren. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Roswitha - 14.02.2014 (13.02.2014, 17:43)Mike-Tanja schrieb: Ich bin mir nicht so sicher, ob das Urteil zum Operationszwang einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, bzw. bekannt sein müsste. Es ist der Bevölkerung eher nicht zuzumuten, alle erdenklichen juristischen Bestimmungen und Zusammenhänge zu kennen. Von daher muss - aus meiner Sicht - eine Bio-Frau nicht zwangsläufig damit rechnen, dass eine mitbenutzende Person der Toilette über ein männliches Genital verfügen könnte. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass das geneigte Publikum durch die Medien für die transgender Thematik sensibilisiert ist. Von daher wird es bei einem super passing vermutlich kein Problem geben, da die trans Person auch bei Enttarnung als "eine von uns" wahrgenommen werden dürfte, zumindest mit einem Augenzwinkern, die wenigsten Frauen sind übermäßig hysterisch was so etwas betrifft. Und sicherlich sollte und wird eine "Trümmertranse" - also jemand mit 3 Tage Bart und Wischmop als Perücke, kurzum jemand mit beschissenem outfit - es tunlichst vermeiden die Damentoilette zu benutzen. Interessant wird für mich das Weiterspinnen des Gedankens. Wie verhält es sich eigentlich, wenn jemand komplett aufgetranst das Herrenklosett aufsucht? Wie empfindet man es wenn man und sei es nur aus rechtlichen Gründen, en femme den für sich falsch empfundenen und zur Aufmachung unpassenden Lokus benutzen muss? Ist dies dem/der Benutzer/in zumutbar? Abgesehen davon, dass einem bei Enttarnung Gefeixe und Gejohle sicher ist, könnte der Fall eintreten, dass die Herren der Schöpfung es sich nicht nehmen lassen der "Transe", wenn auch nur spasseshalber, an die Wäsche zu gehen. Andererseits kenne ich es von (deutschen) Raststätten, wenn sich vor der Damentoilette lange Schlangen bilden, dass Frauen kurzerhand das Männer-WC aufsuchen und es passiert absolut überhaupt nichts. Stellt dies eigentlich ein öffentliches Ärgernis dar? RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Chiara D. - 14.02.2014 Stimmt Eva!Man denkt nicht man macht!Ich hab eher Probleme wen ich aufs Männer WC geh^^(Wenn ich für die Band on the Road bin kann ich noch keine Gespräche wegen einem Plattendeal als Frau machen und da bin ich halt als "Mann?"unterwegs^^!)und da gibt es halt oftmals Probs wenn ich auf WC geh^^!Aber hey ich kanns verstehen,da ich mir ja selbst denn Kerl nicht abnehm!Aber trotzdem thx Mike-Tanja für deine sehr lange ausführung! Kisses Chiara^^ Your Divalicious ! RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Eva_Tg - 14.02.2014 (14.02.2014, 00:05)Roswitha schrieb: Interessant wird für mich das Weiterspinnen des Gedankens. Wie verhält es sich eigentlich, wenn jemand komplett aufgetranst das Herrenklosett aufsucht? Wie empfindet man es wenn man und sei es nur aus rechtlichen Gründen, en femme den für sich falsch empfundenen und zur Aufmachung unpassenden Lokus benutzen muss? Ist dies dem/der Benutzer/in zumutbar? Abgesehen davon, dass einem bei Enttarnung Gefeixe und Gejohle sicher ist, könnte der Fall eintreten, dass die Herren der Schöpfung es sich nicht nehmen lassen der "Transe", wenn auch nur spasseshalber, an die Wäsche zu gehen. Hach, Kopfkino ist so schön, aber die Realität ist meisten viel besser. Ich war schon auf dem Männer-Klo, daß macht jede Frau bevor es in die Hose geht. Ich stand in der Schlange und nichts rührte sich, ich äußerte meinen Unmut und das ich nicht mehr lange durchhalte. Die anderen, wartenden Damen sagten, dann muß ich halt den Männer gucken, ob da was frei ist. Da war alles leer und ich bin da rein, als ich fertig war und mir die Hände wusch, kam ein Herr rein. Der hat erst mal einen Satz nach hinten gemacht und ist wieder zur Tür raus. Ich mußte ihm erstmal hinterher rufen: "Halt, du bist hier schon richtig, ich bin hier falsch.", damit er wieder reinkam. Ich hab dann noch eine Entschuldigung gemurmelt und irgendwas davon, daß bei den Frauen die Schlange zu lang war. Damit war das Thema erledigt. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Mike-Tanja - 14.02.2014 (13.02.2014, 22:46)Eva_Tg schrieb: WC-Benutzung? Echt? Der Grund warum ich das geschrieben habe (und ich habe an dem Beitrag gut ein Jahr lang immer wieder herumgebastelt, bis ich gestern Zeit gefunden habe, ihn fertigzuschreiben) ist einfach der: Ich habe, seit ich zum ersten Mal als Tanja ausgegangen bin, immer die Damentoilette benutzt, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Aber irgendwann habe ich zu überlegen begonnen, ob ich das überhaupt darf - das ist natürlich bei mir eine "Berufskrankheit" . Ich habe es juristisch analysiert und bin dabei doch auf einige "Wenns" und "Abers" gestoßen. Und die wollte ich öffentlich machen. Ich habe sogar überlegt, ob ich einen rechtswissenschaftlich korrekten Aufsatz daraus machen und ihn einer Fachzeitschrift anbieten könnte, aber das war mir dann doch zuviel Mühe. (14.02.2014, 00:05)Roswitha schrieb: Ich bin mir nicht so sicher, ob das Urteil zum Operationszwang einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, bzw. bekannt sein müsste. Es ist der Bevölkerung eher nicht zuzumuten, alle erdenklichen juristischen Bestimmungen und Zusammenhänge zu kennen. Von daher muss - aus meiner Sicht - eine Bio-Frau nicht zwangsläufig damit rechnen, dass eine mitbenutzende Person der Toilette über ein männliches Genital verfügen könnte. Diese Beispiele zeigen recht schön die sozial-variable Komponente des rechtlichen Tatbestands der Anstandsverletzung. Ich sehe das so: Eine Frau auf dem Männerklo wird vor allem deshalb keinen "Anstand" erregen, weil sich Männer regelmäßig von einer Frau nicht sexuell bedroht fühlen werden, da man einer Frau die Fähigkeit abspricht, einem Mann sexuelle Gewalt antun zu können. Man stelle sich vor, jemand geht aufs Männerklo, stellt sich ins Pissoir und starrt den Männer beim Pinkeln aus naher Distanz auf den Penis. Wann gäbe es da eher Empörung, bei einer Frau oder bei einem Mann? Bei einem Mann natürlich, da man automatisch von einem aufdringlichen Schwulen mit undurchschaubaren sexuellen Motiven ausgehen würde. Bei einer Frau würde man(n) sich sicher fühlen und einfach einen anzüglichen Witz machen ("Na, Schatzi, gefällt dir, was du siehst?"). Dieses sexuelle "Drohpotenzial" hängt nun mal sehr stark mit der genitalen Ausstattung zusammen. Dabei geht es nicht darum, ob das eine reale Gefahr ist - dann wäre es ein Fall für die "große" Sicherheitspolizei, nämlich eine Frage der Abwehr eines gefährlichen Angriffs (Deliktsprävention) gemäß §§ 16 und 22 des (Bundes-) Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) -, sondern ob das Gefühl, dass ein Mensch mit männlichen Genitalien sich in der Damentoilette aufhält, unter den Frauen Unruhe und Empörung auslöst, und diese Person damit vielleicht den Anstand verletzt hat. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Frauen regelmäßig keinerlei Zeichen von Unruhe oder Empörung zeigen. Es gibt keine ablehnenden Reaktionen. Ich bin schon, allein oder mit einer Freundin, einige Male auf Damentoiletten, von der Wiener Staatsoper bis zu eher grindigen Kinos, Schlange gestanden, und die einzige bisher von mir beobachtete indignierte Reaktion war die einer älteren, konservativ wirkenden Dame, die vor dem Spiegel auf einem Theater-WC ihrer Freundin einen Satz wie "Ich glaub, das ist jetzt ein Mann!" zugeflüstert hat. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Eva_Tg - 14.02.2014 (14.02.2014, 12:32)Mike-Tanja schrieb: Natürlich ist die Frage nachvollziehbar, aber meine Ansicht dazu ist nunmal einfach: Es ist egal. Freiwillig würde ich jedenfalls nie aufs Männerklo gehen, die Geschichte mit der zu langen Warteschlange war ein Notfall und die Reaktion des Mannes zeigt eigentlich sehr deutlich, daß ich dort definitiv auch nicht hingehöre. Du kannst alles theoretisch durchleuchten, ja, aber du mußt es auch praktisch umsetzen können. Wenn ich praktisch nicht ins Damenklo darf und nicht ins Männerklo kann, dann bleibt mir nichts anders übrig als mich hinter den nächsten Busch zu hocken oder so lange durchzuhalten bis ich wieder zu hause bin. Und eigentlich tritt das nächste, größere Problem bei der Damendusche auf. Mach doch mal ein Gedankenexperiment, was passieren würde, wenn ich die Männerdusche benutzen müßte?! Theorien sind schön und gut, aber man muß immer schauen, wie sich das im Alltag auswirkt. Wenn du argumentierst, daß ich juristisch als männlich gelte und einen Penis habe und man meinen Aufentalt auf dem Damenklo im juristisch, schlimmsten Fall mit einem sexuellen Übergriff gleichzusetzen ist, wertet mich das dann nicht ab? Wenn man das Ganze umdreht, nämlich wegen meines juristischen Status als Mann und meines Penis darf ich nur das Männerklo benutzen, kommt unweigerlich die Frage auf, muß ich diese höchst unangenehme und peinliche Situation hinnehmen? Missbiligende Blicke und Äußerungen von Männer sind nicht auszuschließen (nicht jeder Mensch findet es toll, wenn das andere Geschlecht ihm beim Geschäft zu guckt). Soll ich mich dann zwangsouten und sagen, ich muß das Männerklo nutzen, weil ich transsexuell bin? Das dürfte garantiert Hohn und Spott nach sich ziehen. Würde dieser erzwungene und erniedrigende Gang aufs Männerklo nicht auch nach juristischen Maßstäben meine Würde verletzten? Und immer dran denken, ich kann nicht anders aussehen als jetzt und damit werde ich unter normalen Umständen immer als Frau idenifiziert. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Chiara D. - 15.02.2014 Eva das ist nunmal das Gesetz^^!Nur sieht die Praxis zum Glück nicht ganz so schwarz aus^^!Denn wie ich schon sagte bin ich zzt. öfters als Mann unterwegs,da ich Geschäftlich was für meine Band zu tun hab und ich nicht weiß wie das Gesetzlich zu werten ist!Aber egal!Dann besuch ich halt das Männerklo^^!Anfangs kommen so Sprüche wie Tunte,Schwuli usw.,aber nachdem ich ihnen erklärt hab das ich Transident bin und ich ganz einfach nicht weiß wie das Gesetzlich geregelt ist,das ich Geschäfte als Frau abwickle,ohne PÄ/VÄ muß ich mich wohl oder übel als Mann Verkleiden^^!Und dann gibts eigentlich nur mehr positive Reaktionen^^!Und naja ich bin noch nie schlecht mit offenheit gefahren^^! Kisses Chiara! RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Eva_Tg - 15.02.2014 Es geht nicht nur ums Gesetz sondern auch ums Recht. Und das Recht auf die eigene Würde steht als unveräußerliche Grundrecht meiner Ansicht nach über dem bürgerlichen Recht und dem Ordnungsrecht. Das deutsche Grundgesetz sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Wo das in der österreichischen Verfassung steht weiß ich nicht, aber da Österreich den europäischen Verfassungsvertrag mitunterschrieben hat und dort steht: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ Also gilt die Achtung der Menschenwürde auch für euch genauso. Jetzt treten doch die Probleme auf, ich bin juristisch noch nicht als Frau anerkannt, aber ich lebe als Frau, ich sehe so aus und ich trete als Frau in der Öffentlichkeit auf. Das heißt es ist für mich praktisch entwürdigend das Männerklo benutzen zu müssen und wenn der Staat mich per Gesetz dazu zwingt, mit Berufung auf mein juristisches und biologisches Geschlecht, dann verletzt er damit meine Würde. Dieses erzwungene Outing würde bedeuten, daß das bürgerliche Recht und das Ordnungsrecht mehr wiegt als mein Recht auf meine Würde. Das sind juristische Spitzfindigkeiten, aber es ist nunmal so, daß ich praktisch sehr schwer von Bio-Frauen zu unterscheiden bin. Das heißt würde ich das Männerklo benutzen müssen, würde ich mich in peinliche, unangenehme Situationen aussetzen müssen bis hin zum erzwungenen Outing und zur Diskriminierung. Das greift alles meine Würde an, oder nicht? Die Frage ist doch können Menschen, die wie ich, so weit in ihrer Transition fortgeschritten sind, daß sie nur noch im Wunschgeschlecht leben und ihr Erscheinungsbild sich soweit dem Wunschgeschlecht angenähert haben, aber noch nicht juristisch anerkannt wurden, überhaupt noch im Alltag und in solchen Situationen nach ihren Geburtsgeschlecht bewertet werden? Ist es für mich überhaupt noch zu mutbar, daß ich aufs Männerklo gehen müßte oder verletzt das meine Rechte? Die Frage muß man sich stellen, auch wenn das vielleicht ins juristische Niemandsland führt. Ich lebe seit einem Jahr Vollzeit in der weiblichen Geschlechterrolle, aber juristisch eben noch nicht als Frau anerkannt, jetzt muß man sich eben fragen, in wie weit kann man mein juristisches Geschlecht überhaupt noch auf mich anwenden ohne meine persönlichen Rechte einzuschränken? Praktischer und paradoxer Weise müßte ich mich doch als Mann verkleiden bzw. erzwungener Maßen wieder in meinem Geburtsgeschlecht auftreten, wenn ich behelligt das Männerklo benutzen wollen würde. Aber das kann niemand von mir verlangen, das wäre ein massiver Eingriff in mein Leben und meine Persönlichkeit. Mit solchen Fragen müssen sich Juristen eben befassen, was passiert wenn ein Recht mit einem anderen Recht zusammenstößt. Tivis, die "en femme" unterwegs sind im Grunde ein spezieller Fall und TS, die 24/7 im neuen Geschlecht leben, aber noch kein PÄ/VÄ haben sind ein anderer Fall. Die kann man nicht zwingen irgendwo "en homme" hinzugehen ohne in ihr Leben einzugreifen und man kann sie auch nicht zwingen sich zwangs zu outen, ohne ihre Rechte zu einträchtigen. So sehe ich das jedenfalls. RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen - Eva_Tg - 16.02.2014 Ich weiß das ich jetzt perntrant bohre, aber mich würde die juristische Antwort echt interessieren. Was passiert, wenn das Recht mit meiner Würde zusammenstößt? Fakt ist, so wie ich jetzt aussehe und lebe, kann ich unmöglich aufs Männerklo ohne mich zwangsläufig als transsexuell zu outen. Also müßte ich mich praktisch so herrichten das ich wie ein Mann aussehe (soweit das überhaupt noch möglich ist), um unbehelligt das Männerklo benutzen zu können. Das wäre aber ein massiver Eingriff in mein Leben und meine Persönlichkeit, wenn ich das tun müßte. Was sagt man juristisch dazu? Oder läßt man es einfach bei dem simplen Ratschlag "Benutzen Sie keine öffentlichen Toiletten.", weil sie a) aufgrund ihres juristisch noch männlichen Geschlechts auf dem Damenklo nichts zu suchen haben und im schlimmsten Fall wegen eines sexuellen Übergriffs belangt werden könnten und b) nicht das Männerklo benutzen können ohne sich zu outen und das für sie nicht zu mutbar ist? Wie ich bereits mehrfach gesagt habe, wenn die Transition so weit fortgeschritten ist, wie bei mir, dann kann man nicht mal eben "zurück switchen" um mögliche Probleme und Schwierigkeiten zu umgehen oder diesen vorzubeugen. |