RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Bonita - 27.02.2018
Müssen VfGH-"Ergebnisse" immer einstimmig sein? Weil dann schauts ab jetzt für diverse Sachen wohl net so rosig aus...
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Falling Snow - 27.02.2018
zitat wiki:
"Die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs werden grundsätzlich mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst, wobei der Vorsitzende nicht mitstimmt. Dieser gibt seine Stimme nur bei Stimmengleichheit ab und entscheidet dadurch in solchen strittigen Fällen (sogenanntes Dirimierungsrecht).
Im Gegensatz zu inhaltlichen Entscheidungen müssen Ablehnungen von Beschwerden allerdings ausnahmsweise einstimmig beschlossen werden."
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Falling Snow - 19.03.2018
erster zwischenbericht vom VfGH (österreich)
http://www.tt.com/panorama/14148790-91/drittes-geschlecht-vfgh-pr%C3%BCft-recht-auf-bezeichnung.csp
zitat:
"... äußert in seinem Prüfungsbeschluss vom 14. März Bedenken, dass es gegen den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre (Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoßen könnte, wenn es nur die Möglichkeit gibt, das Geschlecht weiblich oder männlich anzugeben."
bedenken also...
scheint echt nicht so einfach zu sein, die sache mit den grundrechten... die ärmsten tun mir ja fast schon ein bißchen leid
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Falling Snow - 19.03.2018
noch eine kleine ergänzung...
in der original VfGH-Mitteilung steht der Satz:
zitat: "Der VfGH geht davon aus, dass dieses Recht auch umfassen dürfte, dass Menschen nur jene von staatlicher Seite festgelegten Geschlechtszuschreibungen akzeptieren müssen, die ihrer Identität entsprechen."
könnte das ein hinweis darauf sein, das an eine eventuelle anerkennung keine bio-bedingungen geknüpft sind und vor allem:
das dieser ganze begutachter-firlefanz aufgegeben wird zugunsten der grundrechtlichen selbstbestimmung? *träum
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Mike-Tanja - 19.03.2018
Ich wiederhole hier einfach das, was ich gerade an die Mailing-Liste von TransX geschrieben habe:
Zitat:Ein Urteil (= eine ein Verfahren abschließende Entscheidung in der Sache) heißt beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) (und beim Verwaltungsgerichtshof [VwGH] und bei den Verwaltungsgerichten erster Instanz) "Erkenntnis".
Das, was da passiert ist, ist ein ganz üblicher Vorgang.
Beim VfGH ist Beschwerde gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts OÖ geführt worden. Letzteres hatte über die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde (Bürgermeister von Steyr) zu erkennen, mit der ein Antrag auf Eintragung von "Inter" in die Geschlechtsrubrik der Personenstandsregister abgewiesen worden ist.
Dies nennt man (seit 2014) ein E-Verfahren des VfGH (Gattungszeichen "E" für "Erkenntnisbeschwerde").
In der Beschwerde an den VfGH wird Dr. Graupner wohl so argumentiert haben: a) Das angewendete Gesetz (PStG 2013) ist verfassungswidrig, weil diskriminierend für Intersex-Menschen, die so schon im frühesten Kindesalter - mit diversen Folgen - zu einer Einordnung ins binäre Geschlechtssystem gezwungen werden. b) Die Entscheidung ist Willkür, weil unter grober Verkennung der Rechtslage ergangen.
b) Ist hier nur ein Hilfsargument, eine Rückfallebene (für den Gerichtshof). Bei a) spielt die Musik. Der VfGH kann aber nicht einfach eine Entscheidung eines Gerichts aufheben, die auf einem geltenden und korrekt angewendeten Gesetz beruht. Er muss zuerst dieses Gesetz beseitigen. Also ist das E-Verfahren von Amts wegen unterbrochen und per Beschluss (= verfahrensrechtliche oder formelle Entscheidung, hier auch "Prüfungsbeschluss" genannt) ein Gesetzesprüfungsverfahren ("G"-Verfahren) eröffnet worden. Im Prüfungsbeschluss steckt der VfGH die Grenzen ab, warum das geprüfte Gesetz seiner Ansicht nach verfassungswidrig sein könnte. Meistens geht er dabei von den Argumenten der beschwerdeführenden Partei des E-Verfahrens aus, er ist aber nicht daran gebunden (er kann sogar ein G-Verfahren eröffnen, wenn gar nicht in diese Richtung argumentiert worden ist).
Im G-Verfahren ist in Österreich kurioserweise nicht der Gesetzgeber (Nationalrat und Bundesrat) sondern die Bundesregierung berufen, für die Verfassungsmäßigkeit von (Bundes-) Gesetzen zu argumentieren (bisher war das Sache des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt). Ansonsten können sich die Parteien des E-Verfahrens (Ausgangsverfahren), also die/der Beschwerdeführer/in und das Verwaltungsgericht, schriftlich äußern, eine mündliche Verhandlung wird nicht immer anberaumt.
Wenn der VfGH das geprüfte Gesetz aufhebt, hebt er gleichzeitig oder kurz darauf auch die angefochtene Gerichtsentscheidung im E-Verfahren auf (wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes). Hebt er das geprüfte Gesetz nicht auf, weil er seinen eigenen Prüfungsbeschluss verwirft - das passiert eher selten -, dann kann er trotzdem die angefochtene Entscheidung im E-Verfahren aufheben --> siehe Argumentationslinie b). Das passiert etwa dann, wenn sich im Gerichtshof zwar keine Mehrheit für die Aufhebung des Gesetzes aber sehr wohl eine für die Aufhebung der Einzelentscheidung findet. Warum und was da genau abläuft, kann man oft nur raten. Wie die Standpunkte innerhalb des VfGH verteilt sind, ist ein gut gehütetes Geheimnis, denn die Abstimmungsergebnisse und Beratungsprotokolle sind top secret.
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Mike-Tanja - 19.03.2018
(19.03.2018, 22:37)Falling Snow schrieb: noch eine kleine ergänzung...
in der original VfGH-Mitteilung steht der Satz:
zitat: "Der VfGH geht davon aus, dass dieses Recht auch umfassen dürfte, dass Menschen nur jene von staatlicher Seite festgelegten Geschlechtszuschreibungen akzeptieren müssen, die ihrer Identität entsprechen."
könnte das ein hinweis darauf sein, das an eine eventuelle anerkennung keine bio-bedingungen geknüpft sind und vor allem:
das dieser ganze begutachter-firlefanz aufgegeben wird zugunsten der grundrechtlichen selbstbestimmung? *träum
Ich würde mir keine übermäßigen Hoffnungen machen, dass am Ende mehr rauskommt als das Recht auf eine neutrale Eintragung in der Rubrik "Geschlecht" bei Menschen mit diagnostizierter Intersexualität.
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - SingingComet - 19.03.2018
Aus dem Rechtspanorama der "Presse":
Zitat:Was ein drittes Geschlecht bedeutet
Nach einem Beschluss des Höchstgerichts könnte es künftig mehr als nur männlich und weiblich geben, vielleicht sogar ein Ende jeglicher Geschlechtereinteilung. Was wären die rechtlichen Folgen für Ehe, Wehrpflicht oder Pensionsantrittsalter?
Für die Eintragung eines dritten Geschlechts fehle die Software, sagte das Standesamt. Die Rechtsordnung gehe nur von zwei Geschlechtern aus, meinte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Doch Alex Jürgen (Jahrgang 1976), dessen Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind und der sich weder als Mann noch als Frau fühlt, ging darauf vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Und das Höchstgericht beschloss nun, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Am Ende könnte sogar stehen, dass von gar keinem Bürger mehr ein Geschlecht amtlich vermerkt wird. Doch was bedeutet die VfGH-Entscheidung genau?
1 Wie sicher ist es, dass die bisherige Rechtslage gekippt wird?
Es ist recht wahrscheinlich. Nicht nur, weil es zur Frage des dritten Geschlechts schon bejahende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des deutschen Bundesverfassungsgerichts gibt. Auch der VfGH lässt in seinem Prüfungsbeschluss klare Argumente für eine Ausweitung der Geschlechter erkennen. So dürfte aus dem Recht auf Privatleben ableitbar sein, dass „Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität“ vor einer „fremdbestimmten Geschlechtszuweisung“ zu schützen seien, meint der VfGH.
Vor der Entscheidung, ob man das Gesetz kippt, wird aber noch einmal abgestimmt. Und da die Gesetzesprüfung ein neues Verfahren ist, wird sich die Richterbesetzung gegenüber dem jetzigen Prüfungsbeschluss ändern. So stoßen die (realpolitisch von der FPÖ nominierten) Richter Andreas Hauer und Michael Rami dazu. Der von der ÖVP jüngst nominierte Wolfgang Brandstetter war schon beim jetzigen Prüfungsbeschluss dabei.
2 Welche Entscheidung des VfGH könnte es am Ende geben?
Der VfGH hat drei Möglichkeiten:
Er könnte zum Schluss kommen, dass die bisherige Rechtslage doch in Ordnung ist.
Er könnte finden, dass es nicht nötig ist, das Gesetz zu kippen, aber dass es künftig anders interpretiert werden muss. So steht im Personenstandsgesetz nur, dass das „Geschlecht“ einer Person einzutragen ist. Eine Beschränkung auf männlich oder weiblich ist aber nicht vorgesehen. Man könnte das Gesetz also so interpretieren, dass weitere Geschlechtsbezeichnungen zugelassen werden.
Der VfGH könnte aber auch jene Gesetzespassage, laut der bei einer Person das Geschlecht angegeben werden muss, kippen. Diese Gesetzespassage ist vom jetzigen Prüfungsbeschluss umfasst.
Möglicherweise würde der VfGH das Kippen der Gesetzesstelle mit einer Übergangsfrist versehen. Während dieser könnte der Gesetzgeber sich eine neue, verfassungskonforme Regel ausdenken. Handelt die Politik nicht, würde die bisherige Norm außer Kraft gesetzt. Und dann dürfte von gar keinem Bürger mehr ein Geschlecht vermerkt werden.
3 Welche Folgen hätte es, wenn es keine Geschlechterangabe gibt?
Eine Aufhebung der Registrierung von Geschlechtern wäre kein großes Problem, meint Rechtsanwalt Helmut Graupner, der Alex Jürgen vertritt. Die Ehe bzw. Eingetragene Partnerschaft stehe ab 2019 ohnedies allen offen. Das unterschiedliche Pensionsalter von Männern und Frauen sei ein „Auslaufmodell“, das 2033 endet. Und bei der Wehrpflicht gebe es gute Gründe, sie aufzugeben oder auf alle anzuwenden, meint der Anwalt. Sonst müsste der Staat im Einzelfall anhand der Geschlechtsmerkmale prüfen, wer männlich und daher wehrpflichtig ist.
Zum Heer müssten Personen mit einem dritten Geschlecht nicht. Nur Männer sind wehrpflichtig. Das niedrigere Pensionsalter (60 statt 65) ist wiederum explizit nur für Frauen vorgesehen.
4 Falls neue Geschlechtsangaben kommen, welche darf man wählen?
Ein Staat darf, wenn er will, das Geschlecht seiner Bürger registrieren. Möglicherweise muss er nach dem VfGH-Erkenntnis aber neben männlich und weiblich noch weitere Optionen (x, inter) anbieten. Der Betroffene sollte selbst eine Bezeichnung wählen können, die zu ihm passt, sagt Graupner. Sie müsse aber zum Thema Geschlechteridentität passen und dürfe keine Fantasiebezeichnung sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Bonita - 21.03.2018
(19.03.2018, 23:17)SingingComet schrieb: ...Zitat:... noch weitere Optionen (x, inter) anbieten...
Was manche schon vorab so anbieten: https://www.facebook.com/brknuernberg/photos/a.1394328754218473.1073741827.1378170472500968/1973982099586466/Zitat:
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - Falling Snow - 16.04.2018
schaut aus, als ob auch in der schweiz der käse, ähm stein langsam ins rollen kommt. cheers
http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/schweiz/weder-frau-noch-mann;art178472,1234099
(traurig nur, das beim thema geschlecht wal wieder auf biologismen rumgeritten und kein wort über selbstbestimmung/identität verloren wird. naja, man kann wohl nicht alles (auf einmal) haben.)
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - SingingComet - 16.04.2018
Uuups, ...
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