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Rechtsfragen rund um die gaOP - Druckversion

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Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 05.11.2011

(04.11.2011, 18:49)Eva schrieb: [hier gekürzt] Ebenso ist jede GaOP, die nicht medizinisch indiziert ist, schlichtweg eine gravierende Körperverletzung. Ob mit oder ohne Zustimmung der Patienten, die Chirurgen wären dingfest zu machen. [hier gekürzt]
Ganz so ist es nicht, denn sonst müsste der Staatsanwalt auch jeden plastischen ("Schönheits-") Chirurgen, der Brustvergrößerungen "aus optischen Gründen" durchführt (ich rede jetzt von solchen OPs, über die etwa auf der Klatschseite bei Hollywood-Schönheiten getuschelt wird), wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht zerren. Denn solche Eingriffe sind nie "medizinisch indiziert".

Nein, das rechtlich Entscheidende ist, auch bei einer MzF-gaOP mit klarer diagnostischer Indikation "Transsexualismus", immer die Einwilligung der Patientin.

Medizinisch indizierte gaOPs sind wohl ethisch wertvoll im Sinne folgender Aussage des OGH zu § 90 StGB (13.11.2002, 13 Os 102/02, RS0117222 (Teilzitat)):
Zitat:Bei der erfolgsbezogenen Einwilligung bezüglich schwerer Verletzungen ist es erforderlich, den Einzelnen gegen den unbedachten und voreiligen Gebrauch der Freiheit vor sich selbst zu schützen; solche Verletzungen sind demnach trotz Einwilligung grundsätzlich sittenwidrig und verboten (sofern sie nicht zu einem ethisch wertvollen Zweck erfolgen).

Sonst wäre das wohl eine juristische Wackelpartie, da es im rechtlichen Sinne eine nicht-reversible und genital verstümmelnde Operation ist (ich weiß, Betroffene sehen und empfinden das meist ganz anders).

§ 90 Abs 3 StGB (nicht-einwilligungsfähiges Verbot der das sexuelle Empfinden beeinträchtigenden Genitalverstümmelung, "Lex Anti-Clitoris-Beschneidung") wurde diesbezüglich, so weit ich einen Überblick habe, noch nie ausjudiziert.




RE: Depathologisierung - Eva - 05.11.2011

Liebe TAnja,

Danke für das Zitat

(05.11.2011, 15:03)Mike-Tanja schrieb: § 90 Abs 3 StGB (nicht-einwilligungsfähiges Verbot der das sexuelle Empfinden beeinträchtigenden Genitalverstümmelung, "Lex Anti-Clitoris-Beschneidung") wurde diesbezüglich, so weit ich einen Überblick habe, noch nie ausjudiziert.

Ich hätte es auf die Schnelle nicht geschafft den Paragraph zu nennen.
Genitalverstümmelung und Kastration sind juristisch doch etwas anderes als ein Brustaufbau. Ich denke, dass alle GaOPs unter diesen §90 Abs 3 fallen. Ausjudifiziert würde es sicher wenn sich die erste Reuepatientin ein Taschengeld verdienen möchte. Wenn die medizinische Indikation wegfällt - so denke ich - wird's GaOPs nur mehr in Hinterhöfen geben. Das Risiko es offen zu machen wäre für seriöse Ärzte zu hoch.




RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 05.11.2011

Immer mit der Ruhe, liebe Freundinnen!

Wäre § 90 Abs 3 StGB auf gaOPs anzuwenden - was man dem Wortlaut nach durchaus sagen könnte -, würde sich jeder in Frage kommende Arzt seit zehn Jahren weigern, solche Eingriffe durchzuführen, weil er sonst schon sitzen würde (so etwas passiert ja nicht heimlich). In einen solchen Eingriff kann man nämlich nicht rechtswirksam einwilligen, da kann man unterschreiben, was und wieviel man will. Und die Krankenkasse dürfte selbstverständlich nix davon bezahlen.

Es ist daher aus meiner Sicht klar, dass diese Bestimmung (in Übereinstimmung mit dem Wortlaut, der im Strafrecht ja nur die äußerste Grenze der Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift bildet) teleologisch reduziert so gelesen werden muss und gelesen wird, dass nur Eingriffe zustimmungsfeindlich-verboten sind, die genau den Zweck verfolgen, das sexuelle Empfinden nachhaltig zu beeinträchtigen. Und gemeint ist eben insbesondere die Klitorisbeschneidung.



RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Ulli - 05.11.2011

(05.11.2011, 17:40)Angelika schrieb:
(05.11.2011, 16:29)Eva schrieb: Ich hätte es auf die Schnelle nicht geschafft den Paragraph zu nennen.
Genitalverstümmelung und Kastration sind juristisch doch etwas anderes als ein Brustaufbau. Ich denke, dass alle GaOPs unter diesen §90 Abs 3 fallen. Ausjudifiziert würde es sicher wenn sich die erste Reuepatientin ein Taschengeld verdienen möchte. Wenn die medizinische Indikation wegfällt - so denke ich - wird's GaOPs nur mehr in Hinterhöfen geben. Das Risiko es offen zu machen wäre für seriöse Ärzte zu hoch.

Liebe Eva!

Bedeutet das jetzt, dass sich TransX in Zukunft dafür einsetzen wird, dass es keine GA-OP´s mehr gibt? Oder wird TransX gemeinsam mit uns dafür kämpfen, dass die gute Qualität der Behandlungen in Österreich erhalten und noch verbessert wird?

Es ist für mich eine Horrorvorstellung, dass die Betroffenen wieder gezwungen sein könnten das volle Risiko von Pfuschoperationen auf irgendwelchen Küchentischen, verbunden mit der zu erwartenden minderen Qualität in Kauf zu nehmen, so sie finanziell nicht in der Lage sind sich eine GA-OP in Thailand zu leisten.

Nein, das darf nicht passieren. Hier sind wir alle gemeinsam aufgerufen dafür Sorge zu tragen, dass dieses Szenario nicht eintritt.

Ich verspreche, dass sowohl Trans-Austria, als auch die SoHo alles in ihrer Macht stehende tun werden, damit es nicht dazu kommt.

Immer diese JuristInnen, ich hab die Nase voll von Pragraphen!



RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 07.11.2011

(07.11.2011, 12:37)Angelika schrieb: Danke für die Erklärung Mike-Tanja. aber aufpassen heißt es trotzdem, denke ich mal. Wir wissen ja nicht was nach der nächsten Wahl sein wird, und welche Regierung es geben wird. Tja und leider sind uns nicht alle Parteien wohlgesonnen, die im Parlament sitzen. Und nein, damit habe ich jetzt nicht die ÖVP gemeint. [hier gekürzt]
Ich glaube nicht, dass ein Wechsel zu einer blau-schwarzen Regierung einen unmittelbaren Effekt dahingehend haben würde, dass Staatsanwaltschaften und unabhängige Strafgerichte ohne rechtlich begründeten Anlass beginnen, ein Gesetz in einer Weise zu vollziehen, die vom Gesetzgeber weder erkennbar beabsichtigt war, noch einem nennenswerten politischen Interesse von ÖVP oder FPÖ dient. Denn TG ist ein absolutes "Orchideenthema", da brauchen wir uns gar nix vorzumachen. Warum sollte also ein/e Justizminister/in einer blau-schwarzen Bundesregierung, etwa durch eine entsprechende Weisung an die StA, für unnötigen Wirbel sorgen?

Eine solche Bundesregierung hätte einige politische Optionen, uns das Leben schwerer zu machen, mit Hilfe von § 90 Abs 3 StGB gaOPs zu verbieten gehört meines Erachtens nicht dazu.




RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Jo* - 09.11.2011

Die Problematik der "Körperverletzung" durch genitalanpassende Operationen ist nicht so weit hergeholt. Es war zu entscheiden, unter welchen Umständen genitalanpassende Operationen als Heilbehandlung zu werten sind.

Als das StGB im Jahr 2001 novelliert wurde, waren die genitalanpassenden Operationen im Rahmen der Diskussion um den Paragraphen 90 ein wichiges Thema. Ich hänge hier zwei ganz interessante Dokumente als .pdf an. (Die Regierungsvorlage und eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums.)

Im Kommentar der Regierungsvorlage wird auf die "Behandlungsrichtlinien" verwiesen und klargestellt, dass genitalanpassende Operationen unter diesen Umständen als Heilbehandlung anzusehen sind:

S.13:
"Die Transsexualität, psychische Intersexualität, stellt eine Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 dar, deren Behandlung die Vornahme einer operativen Geschlechtsumwandlung einschließt; für den Behandlungsprozess von Transsexuellen wurden im Jahr 1997 vom (damaligen) BMASG Empfehlungen herausgegeben, die ua. Voraussetzungen für eine solche Operation festlegen. 7 ) In diesem Fall ist die Geschlechtsumwandlung als Heilbehandlung anzusehen, die schon die Tatbestandsmäßigkeit der im Zuge der Operation zugefügten Verletzungen und Verstümmelungen ausschließt. Die Strafbarkeit der bei einer solchen Operation gesetzten Verletzungshandlungen ist daher schon aus diesem Grunde nicht gegeben, weshalb eine ausdrückliche Ausnahmeregelung im § 90 Abs. 3 StGB betreffend operative Geschlechts-
umwandlungen für diese Fälle keine Bedeutung erlangen würde."

Wir wissen, dass die "Behandlungsrichtlinien" ganz wesentlich darauf zurückgehen, dass sich die Ärzte, die genitalanpassende Operationen (und sonstige irreversible medizinische Behandlungen) durchführen, gegenüber von Vorwürfen der Körperverletzung absichern wollten.

Es gab - soweit ich mich erinnere in den USA und in Australien - sehr wohl Fälle von Transsexuellen, die nach genitalanpassenden Operationen die Chirurgen auf Körperverletzung geklagt haben.


RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 10.11.2011

(09.11.2011, 12:23)Jo* schrieb: Die Problematik der "Körperverletzung" durch genitalanpassende Operationen ist nicht so weit hergeholt. Es war zu entscheiden, unter welchen Umständen genitalanpassende Operationen als Heilbehandlung zu werten sind. [hier gekürzt]
Danke für's Posten der Materialien zur geltenden Fassung von § 90 StGB, Jo, ich trage noch den Volltext der einschlägigen Bestimmungen des StGB (in der geltenden Fassung) nach:
Zitat:
Einwilligung des Verletzten

§ 90. (1) Eine Körperverletzung oder Gefährdung der körperlichen Sicherheit ist nicht rechtswidrig, wenn der Verletzte oder Gefährdete in sie einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt.

(2) Die von einem Arzt an einer Person mit deren Einwilligung vorgenommene Sterilisation ist nicht rechtswidrig, wenn entweder die Person bereits das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat oder der Eingriff aus anderen Gründen nicht gegen die guten Sitten verstößt.

(3) In eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, kann nicht eingewilligt werden.

Spannendes juristisches Thema, ich habe mich kurz mal gestern ein wenig intensiver damit beschäftigt.

Wir reden hier über die Einwilligung in Verletzungen (und Gefährdungen) als einen wichtigen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund, das heißt einen zusätzlichen Tatbestand, der, wenn erfüllt, eine an sich verbotene und strafbare Handlung (den Schnitt des Chirurgen in die Brust bei einer "Schönheitsoperation", den Fausthieb des Boxkämpfers ins Gesicht des Gegners, das gestreckte Bein des Verteidigers im Strafraum beim Fußball, etc.) rechtmäßig macht. Man willigt entweder in den konkreten Erfolg (z.B. bei einem chirurgischen Eingriff) oder in die abstrakte Gefährdung (z.B. beim [Kampf-] Sport) ein. Je nachdem ist die Reichweite der Einwilligung zu beurteilen (der Fußballer willigt etwa in die Gefahren des gestreckten Beins ein, nicht aber darin, vom Tormann mit einem Gummiknüppel aus dem Strafraum geprügelt zu werden, während der Boxer durchaus damit rechnen muss, ordentlich Prügel einzustecken).

Eine lege artis (nach den Regeln der Kunst oder Wissenschaft, Stichwort: "Behandlungsrichtlinien", hier spielen die strafrechtlich herein) durchgeführte Heilbehandlung durch eine/n entsprechend qualifizierte/n und befugte/n Ärztin/Arzt nach Einwilligung der/des umfassend und richtig aufgeklärte/n Patientin/Patienten (oder im Notfall auch ohne) erfüllt nach einer Meinung nicht einmal den Tatbestand der Körperverletzung (braucht daher auch keinen Rechtfertigungsgrund) bzw. ist nach anderer Meinung durch den eigenen, speziellen Rechtfertigungsgrund der "Heilbehandlung" gedeckt (so etwa Loebenstein, Die strafrechtliche Haftung des Arztes bei operativen Eingriffen - ein Überblick, ÖJZ 1978, 309). Im Gesetz gibt es für diese Differenzierung allerdings keine ausdrückliche Grundlage, das ist reine Interpretation (laut Loebenstein unter Bezugnahme auf § 110 StGB).

Die ansonsten hier vom Gesetzgeber angewendete, oft gebrauchte Rechtsfigur der "Sittenwidrigkeitsklausel" erlaubt es, ein Gesetz flexibel und im Einklang mit der sozialen Wirklichkeit zu vollziehen. Würde man allein auf den Tatbestand einer "Heilbehandlung" abstellen, hätte sonst die sogenannte "Schönheitschirurgie" tatsächlich ein massives Problem. Heute werden Brustvergrößerungen oder Liftings aber als sozial adäquat und nicht anstößig empfunden, die Risiken sind beherrschbar, daher ist eine entsprechende Einwilligung nach absolut herrschender Meinung gültig und wirksam. Bertel/Schwaighofer (Öster. Strafrecht BT I (3. Aufl), Rz 4 zu § 90) definieren Sittenwidrigkeit in diesem Zusammenhang etwa so: "Sie [die Einwilligung] widerspricht den guten Sitten, wenn dem vorbildlichen Menschen die Sorge um die Gesundheit des Opfers wichtiger wäre als die Rücksicht auf dessen Wünsche."

Bei Eingriffen im Genitalbereich wie Kastration oder Sterilisation ohne medizinische Indikation betreten wir also eine Grauzone, die de iure schon beim Stechen von Ohrlöchern oder Piercings beginnt. In einer überalterten Gesellschaft mit starkem sozialen Zusammenhalt (Generationenvertrag!) könnte die Frage der Sittenwidrigkeit solcher Eingriffe z.B. anders gesehen werden als in einer tendenziell unter Überbevölkerung leidenden Gesellschaft, die die Entscheidungsfreiheit des Individuums hochhält. Hier gibt's außerdem die Sonderregel des Abs 2 (Altersgrenze: 25 Jahre).

Fazit: fiele die Diagnose F-64.0 aus dem ICD, würden sich Chirurgen, die eine gaOP ausführen (aber theoretisch auch andere Mediziner/innen, die an der Behandlung mitwirken), nicht zwingend strafbar machen. Denn damit würde sich ja weder an der gesundheitlichen Situation von Transsexuellen, noch an der Rechtslage irgendetwas ändern, es hätten sich nur die wissenschaftlichen Standards, an denen die medizinische Indikation der gaOP als Heilbehandlung zu messen wäre, verschoben. Der Rechtfertigungsgrund der erteilten Einwilligung könnte die Mediziner/innen aber immer noch decken. Aber auf Grund der dadurch ausgeweiteten Grauzone müsste leider in der sozialen Realität damit gerechnet werden, dass die wenigen österreichischen Chirurgen, die überhaupt eine gaOP machen, dies dann wegen des rechtlichen Risikos ablehnen (die Frage, was mit der Deckung durch die Sozialversicherung ist, klammere ich hier überhaupt aus).

Ich würde in dieser Situation als Chirurgin einfach nach Absprache mit der Patientin/dem Patienten hergehen, einen Operationstermin für eine gaOP ansetzen und dies bei Polizei und Staatsanwaltschaft anzeigen. Sind die der Meinung, dass der Eingriff strafbar wäre, müssten sie intervenieren oder gar anrücken, um mich schon vor dem Stadium des Versuchs davon abzuhalten (§§ 21 Abs 2, 22 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz).

Und dann schauen wir weiter - aber das ist natürlich Theorie und Spekulation!

§ 90 Abs 3 StGB halte ich auf die gaOP, wie schon gesagt, nicht für anwendbar, weil Ziel der gaOP zwar sicher die Veränderung aber nicht die Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens ist. Die von Jo präsentierten Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren bestätigen diese Meinung.



RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 10.11.2011

(10.11.2011, 13:36)Angelika schrieb: [hier gekürzt] Als Chirurg würde ich daher in so einer Situation, sprich ohne rechtlicher Absicherung, dass mein Tun straffrei wäre, nicht mal einen Finger rühren, sondern versuchen auf der sicheren Seite zu bleiben. [hier auch]
Verständlich, aber die Situation wäre nicht so verschieden von der, in der etwa diverse plastische Chirurgen schon jetzt sind.

Die haben immer wieder Patient/inn/en mit Wünschen, die Erwägungen zur Frage "sittenwidrig oder nicht?" erforderlich machen. In einem anderen Forum bin ich etwa (virtuell) einem Mann begegnet, der sich Brustimplantate einsetzen hat lassen, ohne sich selbst als Transgender zu definieren (ist wohl eine spezielle Form von Fetischismus). Gut, das ist (bei nochmaliger Inkaufnahme des OP-Risikos) reversibel, aber hier könnte man die Frage stellen, ob nach österreichischem Recht die Einwilligung in eine solche Operation nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam wäre (der Operateur würde diesfalls mindestens wegen schwerer Körperverletzung zu bestrafen sein).

Das wäre eine Abwägung zwischen Selbstbestimmung und dem sozialen Anspruch, den Einzelnen vor "unsinnigen" oder "kranken" Entscheidungen zu schützen (vgl. aber heutzutage als erlaubt geltende Piercings, Tätowierungen und BDSM-Praktiken). Wenn man sich an das eingangs des Threads von mir zitierte Urteil erinnert, war der OGH bei schweren Körperverletzungen ohne medizinische Indikation da bisher anscheinend eher streng und fürsorglich. Aber das muss ja nicht immer so bleiben, und es gibt dazu auch nur sehr wenig Rechtsprechung.

Der Mann hat, iirc, in Deutschland gewohnt, wo er es machen hat lassen, weiß ich nicht, jedenfalls nicht in Österreich.



RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 10.11.2011

(10.11.2011, 15:54)Angelika schrieb: Tanja, es geht hier jetzt primär mal nicht um die Frage der "Sittenwidrigkeit", sondern um die Bestimmungen des § 90 Abs. 3 StGB. Du hast ihn oben zitiert: [hier gekürzt]
Wenn also TS aus dem ICD rausfällt, dann ist TS keine Krankheit mehr. Für etwas, das keine Krankheit ist, gibt es keine anerkannten Heilverfahren, und damit wäre § 90 Abs. 3 StGB wohl sofort schlagend. [hier gekürzt]
Ich wiederhole mich wahrscheinlich, aber entscheidend ist immer die Einwilligung. Ohne Einwilligung gibt es auch keine legale Heilbehandlung (außer in Notstandssituationen), der Arzt macht sich dann nämlich nach § 110 StGB strafbar.

Über § 90 Abs 3 StGB haben wir schon diskutiert. Die Einwilligung bei einer gaOP deckt den unmittelbaren, sicheren Operationserfolg (Enfernung der Keimdrüsen, plastische Veränderungen [MzF/FzM], also schwerste Körperverletzungen mit Dauerfolgen) und die operationstypischen Gefährdungen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass das sexuelle Empfinden nicht nur verändert sondern beinträchtigt wird. Ob diese Gefahr besteht, kann wohl kein Neurolologe/Urologe/Gynäkologe/Chirurg sicher voraussagen, selbst wenn die Operation perfekt verläuft, da Sex bekanntlich großteils im Gehirn stattfindet.

§ 90 Abs 3 StGB macht meines Erachtens nur Einwilligungen zu Eingriffen unwirksam, bei denen der sichere Erfolg (und einzige Zweck) in einer Beinträchtigung des sexuellen Empfindens besteht (zum hundertsten Mal: Klitorisbeschneidung, das war damals der Anlass- und Modellfall).





RE: Rechtsfragen rund um die gaOP - Mike-Tanja - 12.11.2011

(11.11.2011, 00:24)Angelika schrieb: [hier gekürzt] Und ich erblicke eben im § 90 Abs. 3 StGB eine massive Gefahr für jene TS, die eine GA-OP brauchen. Auch wenn damals der Gesetzgeber es bei der Formulierung anders gemeint hat und auf andere Eingriffe abgezielt hat.
Darf ich dir zum Trost und zur Beruhigung die weisen Worte ans Herz legen, die der "gute" Kaiser Franz I. anno 1811 als § 6 samt Randschrift in sein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch hat schreiben lassen (Unterstreichungen von mir):
Zitat:Auslegung.

§ 6. Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beygelegt werden, als welcher aus der eigenthümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.

Das gilt heute noch und gilt heute noch als ganz allgemeiner Maßstab dafür, wie generell-abstrakte Normen (inbesondere Gesetze und Verordnungen) zu interpretieren sind. Es wäre daher falsch, aus § 90 Abs 3 StGB die Strafbarkeit von gaOPs abzuleiten, weil eine ganz andere "klare Absicht des Gesetzgebers" aus der Entstehungsgeschichte der Norm "hervorleuchet" (mit oder auch ohne "Krankheitswertigkeit" des Transexualismus).