Transsexualität im Grundgesetz DE und AT? - Druckversion +- TransGender.at Forum (http://community.transgender.at) +-- Forum: Trans* Themen (http://community.transgender.at/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Rechtliches und Transpolitisches (http://community.transgender.at/forumdisplay.php?fid=4) +--- Thema: Transsexualität im Grundgesetz DE und AT? (/showthread.php?tid=3431) Seiten:
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Transsexualität im Grundgesetz DE und AT? - Aniistar - 09.07.2016 Hallo ich habe da mal eine Frage ist Trans ein Grundrecht? Also dürfte das Trans gesetzt nicht abgeschafft werden weil es ein Grundrecht des Menschen ist ? Ich habe mir die Frage echt gestellt RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Eva_Tg - 10.07.2016 Die Frage ist gelinde gesagt ziemlich unsinnig. Transidentität ist ein psychologischer Zustand, der nicht heilbar oder veränderbar ist. Nur was der Staat anerkennt und was nicht, bleibt dem Prozess der demokratischen Willensbildung überlassen. Natürlich kann das TSG abgeschafft werden, ebenso könnten die gesetzlichen Grundlagen für die Anerkennung von Behinderungen wie Autismus oder MS abgeschafft werden. Sowas nennt man ganz allgemein Abbau des Sozialstaates und Verkleinerung des Gesundheitssystems. Bei den beiden Beispielen, eine geistige und eine körperliche Behinderung, wäre der Aufschrei und die Empörung sicherlich groß, im Falle der Transidentität eher weniger. Was auch immer der Staat anerkennt und was nicht, letztlich ändert das nichts an der Situation der Betroffenen, Verschlechterungen in der Anerkennung und Streichung der Versorgung verschlimmert die Situation höchstens. Außerhalb Europas (und teilweise sogar innerhalb Europas) sieht die Sache nämlich wesentlich schlechter aus, als bei uns. In den meisten Staaten der Welt gibt es Null gesetzliche Anerkennung und keinen Anspruch auf medizinische Versorgung. Da können wir uns in Deutschland noch glücklich schätzen, dass wir überhaupt eine gesetzliche Grundlage haben, die einen (doch recht komplzierten) Weg zur Anerkennug des gefühlten Geschlechts bietet, und dass wir ein Gesundheitssystem haben, was die meisten Kosten für unsere Behandlungen trägt. Nur es gibt nichts was den Staat daran hindert, diese Anerkennung auf demokratischen Wege abzuschaffen oder die Gesundheitsleistungen zu streichen. Transidentität wird im Grundgesetz nicht erwähnt. Warum auch? Das Grundgesetz ist allgemein gehalten und regelt keine Einzelfälle oder spezielle Umstände. Die Frage wie weit Gesetze dann mit dem Grundsetz konform gehen ist eine rein juristische, über die man jahrelang streiten kann. Genauso wie die Frage, ob das Außerkraftsetzen von Gesetzen mit dem Grundsetz vereinbar ist. Und zur Geschichte des TSG, das Gesetz ist von 1982 und inzwischen gibt es rund 30 Urteile des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des TSG. Also im Durchschnitt stand einmal im Jahr die Frage im Raum, ob dieser oder jener Teil des TSG überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der OP-Zwang wurde auch erst 2011 gekippt, weil mit dem Grundgesetz nicht vereinbar; das Recht auf körperliche Unversehrheit kann durch kein Gesetz untergraben bzw. umgangen werden. Vor dem Urteil haben Menschen ohne OP höchstens einen neuen Vornamen bekommen, aber keinen neuen Geschlechtseintrag. Wenn man von Transidentität betroffenen ist, gehört einer kleinen Minderheit an, mit der der Staat nach Gutdünken umgeht und die gesellschaftlich ziemlich am Rand steht. Gesellschaftlich steht man oft ziemlich am Rand und Diskriminierung und Benachteiligung ist beinahe alltäglich und für die meisten Rechte muss man hart und lange kämpfen. Transidentität ist bestimmt kein Grundrecht. In wie weit es anerkannt wird und in wie weit die Kosten für die Behandlung dieses Zustandes übernommen werden ist eine rein politische Auslegungssache und die Ansichten können sich jeder Zeit ändern. Nicht umsonst versuchen die meisten Betroffenen ihre Transition möglichst schnell hinter sich zu bringen und mehr oder weniger als normale Angehörige des Wunschgeschlechts zu leben. Wenn man sich zu lange mit den ganzen Aspekten der Transition auseinander setzt, wird man zwangsläufig irgendwann unglücklich. RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Bonita - 10.07.2016 Bez den rechtlichen (zumindest deutschen) Gegebenheitn hat Eva_Tg bereits alles gesagt, ergänzend noch hierzu (10.07.2016, 10:28)Eva_Tg schrieb: ... Transidentität ist ein psychologischer Zustand, der nicht heilbar oder veränderbar ist.sollte nicht fehlen: Transsexualität bzw Transidentität ist ein nicht krankhafter seelisch-geistiger Zustand, der bei vielen Betroffenen allerdings körperliche und/oder psychologische (auch krankhafte) Symptome zur Folge haben kann, welche diese entsprechend an- bzw auszugleichen bemüht sind; Womöglich war von der Threadstarterin (zusätzlich oder nur) das Recht auf Selbstbestimmung gemeint, das steht wohl außer Frage; Mit eben mehr oder weniger staatlich/sozialer Unterstützung, jedenfalls aber idR medizinischer, wo wir aber schon wieder beim (sozial-) rechtlichen Bereich sind... RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Eva_Tg - 10.07.2016 Das Recht auf Selbstbestimmung ist aber ohne staatliche Anerkennung und gesetzliche Grundlage eher begrenzt. Ich erinnere mich noch wage an eine Begebenheit, die sich Ende der 80iger, Anfang der 90iger zugetragen haben soll. Dabei mußte sich ein "Transvestit" (wie genau man die Person nun heute einordnen möchte, sei dahin gestellt) vor Gericht verantworten, weil von Seiten des Arbeitsamtes unterstellt wurde, besagte Person habe das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages bewußt und vorsätzlich verhindert, durch entsprechende gegengeschlechtliche Kleidung und Verhalten beim Vorstellungsgespräch. Wie die Gesetze damals im Detail ausgesehen haben, weiß ich nicht mehr, aber "vorsätzlicher Sozialbetrug" war glaube ich schon immer eine Starftat. Und die Argumentation der Behörden war eindeutig, hätte die fragliche Person sich nicht so unmöglich gekleidet und benommen, wäre sie nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen. Damals mag es schon das TSG gegeben haben, aber Personen, die nicht darunter fielen, oder vielleicht noch nicht oder vielleicht nur zum Teil, hatten da eigentlich wenig Recht auf Selbstbestimmung. Oder besser gesagt man sieht wie die Behörden das Recht gegen die Person ausgelegt haben. Heute hat man andere Grundlagen und einen anderen Grad der Anerkennung, heute ist es mehr als Unwahrscheinlich, dass man Menschen mit Geschlechtsproblemen auf diese Weise aus ihren Problemen auch noch einen Strick dreht, aber vor 20 Jahren... Wie gesagt, einen Zustand kann der Staat nicht verbieten, aber er kann Schutzfunktionen abbauen und er kann im schlimmsten Fall sogar unerwünschtes, abweichendes Verhalten bestrafen. Immer dran denken, in der BRD gab es auch mal einen "Schwulen-Paragraph" und es gibt Leute, die sind deswegen ins Gefängniss gewandert. Und noch schlimmer, diese Männer sind bis heute nicht rehabilitiert, juristisch gelten sie nach wievor als vorbestraft. Soviel zum Thema Recht auf Selbstbestimmung und Rechtsstaatlichkeit. Das mögen alles Dinge aus der Vergangenheit sein, aber das sollte vor Augen führen, wie dünn die Trennlinie eigentlich ist. Es gibt viele Details, die ich kritisiere, aber ich erkenne auch an, dass ich aktuell ohne größere Probleme meine Transition machen kann. Früher wäre das so alles nicht möglich gewesen. RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Bonita - 10.07.2016 Hab nichts Gegenteiliges behauptet, Eva_Tg Allerdings, auch heute noch kann jemandem "ein Strick gedreht" werden, wenn manche "Staatsdiener" sich dazu bemüßigt erachten: http://community.transgender.at/showthread.php?tid=3427&pid=62428#pid62428 Es ging der Threadstarterin wohl - so vermute ich weiterhin - darum, selbst zu sagen (zu bestimmen) sich nun (entgegen des Geburtsgeschlechts) als weiblich bzw Frau zu definieren (zu bestimmen) und als solche zu leben - und nicht erst von jemand Drittes (in dem Fall wohl Psycho-Personal) dafür eine "Erlaubnis" erhalten zu müssen; Dass man die eine und andere gesellschaftliche Einrichtung/Institution (zB Psycho-Personal, staatl Gericht, Behörden/Ämter etc pp) benötigt, um vor der Gesellschaft auch in seiner Selbstbestimmtheit - in diesem Sinne rechtliche - Anerkennung zu finden, steht ohnehin ausser Frage. RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Eva_Tg - 10.07.2016 Also für mich ist die Frage eindeutig. Ist Transidentität ein Grundrecht? Die Antwort lautet nein, weil das deutsche Grundgesetz spezielle Unstände nicht abdeckt, sowas wird durch Bundesgesetz geregelt. Es mag ein Grundrecht auf Selbstbestimmung geben, aber wie der Staat, das in der Gesetzgebung auslegt ist Ansichtssache. Wie die Beispiele zeigen, kann der Staat es im Extremfall sogar mit Füßen treten. Man muss bedenken, die von mir angeführten Beispiele waren weder Behördenwillkür, noch Rechtsmissbrauch oder dergleichen, dass war alles gesetzeskonform. Und die Frage, ob man das TSG einfach so abschaffen kann, muss wiederum mit Ja beantwortet werden. Theoretisch reicht eine einfache poltische Mehrheit und die Kiste ist aus. Die Frage nach der Selbstbestimmung, der Diskriminierung oder Benachteiligung von bestimmten Personen oder der Konformität mit dem Grundgesetz, die wird erst nach der poltischen Entscheidung gestellt. Und dem entsprechend kaltschnäuzig äußern sich auch einige Parlamentarier in den Medien, mit Aussagen wie "Das interessiert mich doch nicht, ob das mit Grundgesetz vereinbar ist. Darüber dürfen sich hinterher die Juristen den Kopf zerbrechen." Also definieren darf sich jeder, wie er will und jeder darf tun was er will. Nur sind wir als Betroffene extrem auf die Anerkennung durch Dritte angewiesen. Wie wir uns selber sehen und definieren, spielt für uns keine so große Rolle, wie die Frage wie uns andere sehen. Ironischerweise sind wir fremdbestimmter als andere Menschen. Und der Staat kann uns dabei entweder helfend unter die Arme greifen, oder uns Knüppel zwischen die Beine werfen, je nach Auffassung. Die Frage nach der Selbstbestimmtheit und die Frage nach staatlicher Einschränkung sind zwei verschiedene und können nicht zusammen mit einer Antwort abgespeist werden. RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Bonita - 10.07.2016 Wie gesagt, ich sähe das eher im Bereich der grundlegenden Menschenrechte, eventuell führt die Threadstarterin ja noch etwas genauer aus... de.wikipedia.org schrieb:Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind. de.wikipedia.org schrieb:Autonomie Um einem Individuum seine Transsexualität/Transidentität bzw deren Behandlung (in med & jur Sinne) zu ermöglichen sind nicht unbedingt (nationale) Gesetze von nöten, aber das hatten wir ja auch schon mal gar nicht so lange her angerissen... RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Eva_Tg - 10.07.2016 Du verkennst mal wieder die Situation. Die Frage ist nicht, was an nationalen Gesetzen nötig ist, sondern was nationale Gesetze verhindern oder einschränken können. In Deutschland gibt es Gesetze, die die Behandlung ermöglichen, aber es gibt keine poltischen Mechanismen, die eine Gesetzesänderung zum Nachteil der Betroffenen verhindern würden. Eine klare und eindeutige Aussage, da braucht man nicht drüber diskutieren. Und das diese hohen Ansprüche von Selbstbestimmung, einem angemessenen Lebensstandard und dem allem, legal mehr oder weniger gebeugt oder verdreht werden und das von staatlicher Seite, dass kann man gerne ignorieren. Ich glaube jedenfalls nicht, dass du über die nötige Erfahrung verfügst, um mit mir über deutsche Gesetze und deren Auslegung zu diskutieren. Was weißt du über die deutsche Politk? Oder die deutsche Gesetzgebung oder die deutsche Justiz? RE: Transsexualität im Grundgesetzt DE und Aut? - Bonita - 11.07.2016 Die deutschte Politik, Gesetzgebung, Justiz bringst ohnehin Du aufs Tapet - habs Dir immer gelassen, versuchs halt allgemeiner; Nüchtern betrachtet nimmt sich aber "deutsches" Staatsgebaren nicht viel andrer (vor allem Mittel-) Europäischer Völkchen ringsum, einzig (nationale) Gesetze selbst divergieren (falls überhaupt adäquat vorhanden); Was in der EU in solchen Fragen sowieso schon längst passé sein sollte... RE: Transsexualität im Grundgesetz DE und AT? - Eva_Tg - 11.07.2016 Ja, habe ich vorgebracht, weil expliziet nach dem deutschen Grundgesetz gefragt wurde. Also wirfst du mir vor, dass ich konkret auf eine Frage eingehe? Nett, wirklich. Kann ja schließlich nicht jeder so sein wie du und immer nur Wischi-Waschi-Antworten geben. Die Frage ist klar gestellt, nämlich "ob das deutsche TSG abgeschafft werden kann?". Also möchtest du dich jetzt konkret dazu äußern? |