TransGender.at Forum
Wie sage ich es meiner Frau - Druckversion

+- TransGender.at Forum (http://community.transgender.at)
+-- Forum: Trans* Themen (http://community.transgender.at/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Ausgehen & Treffen, Beziehungskisten, Coming Out, Going Public (http://community.transgender.at/forumdisplay.php?fid=6)
+--- Thema: Wie sage ich es meiner Frau (/showthread.php?tid=3990)

Seiten: 1 2 3 4 5 6


Wie sage ich es meiner Frau - Tammy1 - 22.06.2017

Hallo Smile

Nach langer Zeit des Mitlesens und eher sporadischer Beiträge würde ich mir gerne ein wenig etwas von der Seele schreiben und freue mich über jede Art von Feedback Smile

Ich bin zur Zeit bei einer sehr lieben und verständnisvollen Therapeutin, die mir nicht nur schon sehr geholfen hat, mich besser zu verstehen, sie war auch die erste Person, der ich offenbart habe, dass ich transsexuell bin.
Nachdem ich das eigentlich schon seit der Pubertät für mich selber weiß, so habe ich doch im Elternhaus und in früheren Beziehungen nie die Chance gesehen, mich zu outen, schließlich macht man so etwas ja nicht und das ist sicher "eine Krankheit", anders gesagt, mir fehlte der Mut.

Wann immer der Wunsch wieder riesig geworden war, alles hinzuwerfen und mich zu outen und nichts auf das zu geben, was andere sagen oder denken mögen, habe ich mich wieder in Arbeit/Beziehung oder auch in etwas zu viel Alkohol gestürzt, bis zum nächsten Mal...

Vor etwas mehr als fünf Jahren habe ich nun meine Traumfrau kennengelernt und bin super glücklich mit ihr, Interesse an Männern hatte ich nie bis wenig.
Ich bin einmal durch die Republik gezogen und hier Fuß gefasst und vor einigen Monaten haben wir sogar geheiratet.

Es wäre also alles in Butter, wenn nicht der Wunsch, endlich als Frau leben zu dürfen und zu können inzwischen so groß geworden wäre, dass ich mich nicht länger verstellen möchte.

Jetzt bin ich aber leider auch nicht die mutigste und habe meiner Frau niemals davon erzählt, wohl aber mit einer Selbsttherapie mit Antiandrogenen und Östrogen begonnen und wusste mit jeder, noch so kleinen Veränderung im Denken, Fühlen und im körperlichen, dass das genau das ist, was ich mir immer gewünscht habe.
Jetzt bleiben solche Veränderungen ja nicht unbemerkt, auch dass ich geschminkt in der Öffentlichkeit unterwegs bin (nicht übertrieben, etwas Puder und Mascara sowie Eyebrow) und Unisex Kleidung mit Tendenz zum femininen haben mein Umfeld und meine Ehefrau natürlich auch stutzig gemacht und ich fand immer Ausreden, wieso und warum "ich bin halt gerne gepflegt" "das wollte ich immer mal tragen" etc..

Die, besonders im Sommer, unübersehbaren körperlichen Veränderungen schoben wir gemeinsam darauf, dass ich viel Gewicht verloren hatte, auch wenn ich von meinem Schwiegervater schon einige Gemeinheiten, wenngleich unabsichtlich, zu hören bekam "Zum Geburtstag bekommst du einen BH" (meine Güte, kann ich rot werden  Eek )

Nachdem ich nun den Stein in Eigeninitiative ins Rollen gebracht habe und ganz genau weiß, dass ich ihn weder stoppen kann noch will, habe ich mich eben in die Hände meiner Therapeutin begeben und auch bereits die Kostenübernahme dafür von der Kasse erhalten, ebenso den Konsiliarbericht meines HA sowie eine Überweisung zum Urologen (Endos gibt es bei uns auf dem Land keine), damit ich das nun auch offiziell machen kann.

Es ist aber eine Sache, mit einem Arzt oder meiner Therapeutin über mein wahres ich zu sprechen, ein ganz anderes ist es, dies meiner Frau beizubringen, was ich aber tun muss und auch möchte.

Ich habe mir nun das kommende Wochenende dafür auserkoren und ich weiß überhaupt nicht, wie sie reagieren wird.
Meine Beziehung zu dem wunderbarsten Menschen der Welt (jedenfalls für mich  Heart ) steht auf dem Spiel und ich habe mir jegliches denkbares Szenario im Kopf tausendfach durchgespielt und ich habe dennoch keine Ahnung, wie sie es aufnehmen wird.

Die Situation ist auch unfair, ich kann endlich frei reden und den Stein, der an meinem Herzen hängt, zu Boden fallen lassen, aber was ist mit ihr....

Ich weiß, dass ich sie nicht verlieren möchte, ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde, aber ich weiß ebenso sicher, dass ich als Mann nicht weiterleben kann und will.

Mich würde interessieren, wie euer Outing beim Partner verlaufen ist und bin natürlich für Tipps und Ratschläge dankbar Smile


So, jetzt habe ich viel geschrieben, danke für all diejenigen, die bis hierher durchgehalten haben  Hug


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Sparkle - 22.06.2017

Hi Tammy,

ich habe lange überlegt, ob ich Dir antworten soll. Wie es ausgehen wird, kann keiner vorhersagen. Es ist auf jeden Fall sehr gut, dass Du Dich von Dir aus Deiner Frau öffnest und Ihr die Wahrheit sagst. Schwierig genug ist die Situation ja für sie, aber sie wird es positiv annehmen, dass Du Ihr vertraust und mit Ihr über diese zutiefst persönlichen Gefühle sprichst.

Ich bin das lebende Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll. Ich habe mich solange vor diesem Gespräch gedrückt, bis mir das Coming Out "passiert" ist. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, ich habe so ziemlich alles verloren, was mir lieb und teuer ist.

Aber es gibt auch die positiven Bespiele, jene Partnerschaften, die gehalten haben, wo Frau und Transfrau noch zusammen sind. Der Weg wird ein sehr schwieriger, auch für Deine Frau. Schließlich wird Ihr Lebenskonzept in Punkto Partnerschaft ja komplett auf den Kopf gestellt. Wenn Deine Frau sich dem Thema Leben mit einer Transgender Person stellen möchte, solltet Ihr unbedingt nach Selbsthilfegruppen von Betroffenen suchen und von den Erfahrungen profitieren, die andere gemacht haben.

Was mir allerdings zu denken gibt, ist folgender Punkt: als Du Deine Traumfrau geheiratet hast, wusstest Du schon, wie Du Dich fühlst und eigentlich leben möchtest. Sie hat aber einen Mann geheiratet! Die Gefahr ist groß, dass sie denkt, dass Du sie um einen wichtigen Teil Ihres Lebens betrogen hast.

So, meine Antwort ist ziemlich auf der negativen Seite. Jetzt weißt Du auch, warum ich mir nicht sicher war, ob ich Dir überhaupt schreiben soll. Denn ich möchte Dich nicht verunsichern und davon abhalten, Dich Deiner Frau zu offenbaren. Ich finde es absolut richtig und wichtig, dass Du mit Deiner Frau darüber sprichst, und ich finde es toll, dass Du den Mut gefunden hast, dies nun zu tun. Konzentriere Dich darauf und ziehe es durch. Wie auch immer Deine Frau reagieren wird, es ist besser als das, was ich nun durchlebe!!


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Tammy1 - 22.06.2017

Hallo Sparkle und vielen lieben Dank, dass du dich entschieden hast, zu antworten Smile

Hab schon immer wieder das Thema aufgerufen und gehofft, dass jemand etwas schreibt, was ich erwartet habe, ich weiß es nicht.

Zuerst möchte ich dir sagen, wie leid es mir tut, dass dir passiert ist, wovor ich am meisten Angst habe, fühl dich bitte ganz lieb gedrückt.

Und keine Sorge, ich bin mit meinen mittlerweile 43 Jahren eine Realistin geworden, dass mein Outing alles zerstören kann, was mein bisheriges Leben ausmacht, ist mir leider sehr klar, darum habe ich mich ja auch lange genug um das Gespräch gedrückt.

Wegen der Hochzeit mache ich mir wirklich viele Gedanken, habe sie mir auch davor gemacht, denn der Entschluss dazu war lange vor der Zeit gefallen, als ich mir endlich eingestehen konnte und auch musste wer ich bin. Irgendwann kann Frau einfach nicht anders und ich konnte meiner Frau damals noch nicht reinen Wein einschenken, ich fühle mich wirklich mies dabei und es ist erschreckend, wie viel Übung im schwindeln und Ausreden erfinden man entwickelt, wenn man nicht verlieren mag, was einem wichtig ist.
Ich muss dazu auch sagen, das wir nie das klassische Mann/Frau Gespann waren, jedenfalls nicht in allen Bereichen und so hoffe ich, dass sie mich dennoch weiterhin lieben kann, denn ich bin ja immer noch der gleiche Mensch und innerhalb unserer vier Wände würde sich herzlich wenig ändern, aber das Problem liegt ja sowieso immer vor der Tür und in anderen Personen, Verwandtschaft und dergleichen.

Danke auch für Deinen Tipp mit der Selbsthilfegruppe, das habe ich, sofern ich die Chance dazu bekomme, auch vor. Leider ist hier auf dem Land so etwas gar nicht vorhanden, in unserem Fall wäre Berlin oder Wismar der nächste Anlaufpunkt, der Norden ist zwar schön, aber auch karg.
Meine Therapeutin hat auch vorgeschlagen, dass wir gemeinsam zu ihr kommen können, damit meine Frau auch mal eine fachliche Meinung dazu hört, ich hoffe das klappt Smile

Deine Antwort hat mir sehr geholfen und ich danke dir dafür, sie ist nicht negativ, sie ist ehrlich und genau das ist es doch, worauf es ankommt und auch, wenn ich am Wochenende mich oute so ist es doch auch möglich, dass es auch bei mir bereits zu spät ist, um noch auf Verständnis und auch auf so etwas wie Vergebung für meine bisherige Geheimniskrämerei zu hoffen.

Aber dieses Gefühlschaos muss endlich zu Ende sein, so weitermachen kann ich nicht. 

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und alles Gute für deinen weiteren Weg und dass du wieder jemanden findest, der dich so akzeptiert und liebt, wie du bist.


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Tammy1 - 23.06.2017

Weiter oben habe ich mich eine Realistin genannt, aber nach dem Weinkrampf heute morgen, sie hat mich getröstet, kann ich den morgigen Tag kaum noch erwarten und weiß gar nicht, ob es so toll ist, realistisch über die Situation nachzudenken....

Ich werde versuchen, den bestmöglichen Moment zu erwischen, ich wollte vor Allem, dass sie an dem Tag und danach nicht arbeiten muss, denn egal wie ich es ihr sage, es wird ihr den Boden unter den Füssen wegziehen und ich hoffe, dass ich sie fangen darf.

Ich fürchte und ersehne den morgigen Tag wie wohl kaum einen zuvor  Confused Crying


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Sparkle - 23.06.2017

Hallo Tammy!

Danke für Deine Umarmung! Der Kontakt mit Menschen, die dieselbe Veränderung der eigenen Identität erleben wie ich, sowohl hier im Forum als auch in der Szene hier in Wien ist es, der mich aufrecht hält. Ich habe so viele liebe Menschen/Freundinnen kennengelernt, das ist unglaublich und Mut machend.

Ich drücke Dir für morgen die Daumen, ich werde an Dich denken. Ich hoffe, Ihr findet beide eine Möglichkeit, zumindest einmal die nächsten Schritte und Tage zusammen zu gehen, damit Ihr herausfinden könnt, wie es für Euch weitergehen soll.

Lass mich wissen, wie es lief. Gerne auch per PN. GlG.


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Tammy1 - 24.06.2017

Hallo Sparkle, vielen Dank für deine lieben Wünsche, die kann ich gut gebrauchen  Hug

So bald ich kann, gibt es auch eine Rückmeldung von mir, versprochen.

Freut mich, dass du so liebe Menschen kennengelernt hast, in einer Großstadt ist das eher möglich als hier in der Provinz, aber wenn erst alles gesagt worden ist, dann habe ich vielleicht auch die Möglichkeit, am liebsten mit meiner Frau gemeinsam, in Berlin und Umgebung Hilfe und Kontakt zu finden.

Es tat sehr gut, über all das "sprechen" zu können und auch Feedback zu erhalten, danke nochmals Smile

GlG


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Meandra - 24.06.2017

Hallo Tammy,
ohne, dass ich jetzt alles durchgelesen habe, kann ich dir auch meine Erfahrung zum Outing vor meiner Frau berichten:
es wird nicht einfach für euch beide werden, diese Zeit der Entwicklung gemeinsam zu verbringen. Sobald du die Hormontherapie beginnst, verliert sie dich als Mann. Sie verliert den sexuellen Partner. 

Klar habe ich ihr gesagt, dass die Sexualität anders werden wird, weil ich es damals noch nicht wusste, was da ablaufen wird, aber nach einem halben Jahr HET habe ich dazu überhaupt keine Lust. Und das macht ihr zu schaffen. Auch die gemeinsamen Frauenauftritte behagen ihr. Sie sagt immer wieder, dass sie es zwar probiert, aber nicht weiß, wie sie mit meiner Situation umgehen soll. Sie hat viel geweint. Sie hat sich ständig von anderen sagen lassen müssen, dass sie mich in den Wind schießen soll. Sie war nervlich fertig. Und natürlich geht die Stimmung dann auf mich über. Auch die liebe Verwandtschaft lästert, nicht mit mir, sondern über mich, und abbekommen tut das nur meine Frau. Ich habe noch dazu zwei Kinder, die jetzt in dem pubertierendem Alter sind. Hier sind Freunde ziemlich wichtig, schämen sich aber, sie nach Hause einzuladen. Weil, ja, ich da bin. Meine Familie tut sich schwer mit meiner Situation. Aus dem Grund haben wir uns entschieden, künftig das Leben getrennt voneinander zu führen. Seit meinem Outing sind 1 1/2 Jahre vergangen.

Ehrlich gesagt, kann es bei dir anders verlaufen. Aber eine Garantie gebe ich dir nicht. Du musst halt auf alles vorbereitet sein. Weil sonst tut es höllisch weh und du hast womöglich Angst vor der Zukunft.
Dass es bei mir nicht ewig halten würde, war mir bewusst. Ich habe darüber auch mit meiner Therapeutin gesprochen. Ich war und bin eine Realistin. Meine Frau ist nicht lesbisch, das hat sie von Anfang an gesagt. Sie wüsste nicht, wie sie mich dann nach der GaOp anfassen sollte. 
Meine Frau hat hunderte Gewissensbisse, weil sie es nicht geschafft hat, meine Situation zu akzeptieren und mit ihr leben zu lernen. Aber ich habe ihr gesagt, dass ich ihr total dankbar dafür bin, dass sie es überhaupt probiert hat. Und dass sie keine Schuld dafür trägt, dass es einfach nicht klappt. Nächstes Jahr werde ich ausziehen und ein Leben alleine beginnen müssen.

Wünsche dir alles Gute
Meandra


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Tammy1 - 24.06.2017

Danke auch für dein Feedback Meandra Smile

Ich habe meiner Frau die Wahrheit gesagt und es gab viele Tränen und ebenso viele Fragen, besonders schlimm war es, dass ich ihr die Wahrheit nicht gesagt hatte, obwohl sie ja immer mal wieder gefragt hatte, ob alles in Ordnung ist und sie hatte mich auch gefragt, ob ich etwas einnehme, aber ich habe es ihr damals nicht sagen können.
Heute bin ich schlauer, ich hätte gleich von Anfang an ihr alles sagen sollen, es wäre dadurch sicher nicht leichter zu verstehen gewesen, aber es wäre ehrlich gewesen. 

Ich habe auch viel geweint, kann gerade kaum richtig sehen, so verschwollen sind meine Lider, sie hat sich etwas beruhigt, oder aber auch resigniert, ich weiß es nicht und hoffe sehr, dass es ihr morgen besser geht.

Dass ich dem Menschen, den ich über alles liebe, so etwas antun konnte fasse ich immer noch nicht....und ich bin am zweifeln, ob ich den Weg weiter gehen kann, wenn sie daran zerbrechen würde....ich verdanke ihr schlicht und ergreifend mein Leben, als sie damals in mein Leben trat und ohne sie kann ich nicht sein.

Wir haben uns so halbwegs darauf geeinigt, dass ich keinen Schritt mache, ohne dass wir darüber gesprochen haben und dass wir es gemeinsam versuchen wollen, sie hat aber auch ganz klar gesagt, dass sie nicht weiß, ob sie das kann, sie hat sich damals ja in den Mann verliebt.

Ich hoffe sehr, dass wir morgen weiter darüber sprechen können und dass sie auch mit zu meiner Psychotherapeutin kommt, damit wir zusammen darüber reden.

Danke an alle, die die Daumen gedrückt haben  Hug


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Sparkle - 25.06.2017

Hi Tammy,

ich fühle mit Dir. Hug


RE: Wie sage ich es meiner Frau - Meandra - 25.06.2017

Hi Tammy,
es tut mir leid, aber deine Situation in Frage zu stellen, ist nicht der richtige Weg. Denn es ist ausgesprochen, und diese Sätze sind jetzt in ihrem Inneren verankert. Klar kannst du jetzt meinen, diesen Weg nicht gehen zu wollen, aber irgendwann wird es wieder hereinbrechen....und was dann? Eure Ehe hat sich mit der Wahrheit verändert. Es ist jetzt ein Prozess ingange, der schwer abzubrechen ist. Klar kann er zurückgefahren werden, aber er wird euch immer begleiten. Jetzt müsst ihr beide einen Weg finden. Und zwar möglichst bald. Sonst hängt das in der Luft und belastet nur.

Viel Glück euch beiden
Meandra