Besser 'mit' als 'für' Trans/sexualität/identität leben
Besser 'mit' als 'für' Trans/sexualität/identität leben
Beitrag #1
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@Eva... Freut mich echt, dass du solche Probleme überwinden konntest bzw. dass sie auf ein normales Maß gesunken sind. So etwas lese ich immer gerne.

Ja ich schätze eine gesunde Portion Egoismus schadet auf keinem Fall, sowie es auch vorteilhaft ist, wenn man wen zum Reden als Stütze hat, sprich - ein paar Freunde... Sonst tappt man mMn schnell in irgendeine Depri-Falle .... An beidem muss ich noch arbeiten.

Das mit dem Verstecken seh ich ein bisschen zweigeteilt, zum einen muss ich dir Recht geben, es ist sicher nicht zielführend, sich 'zuliebe' anderer zuhause zu verstecken... Zum anderen versteh ich es auch, wenn man wie ich oft die Nase voll hat, von jedem dritten Menschen auf der Straße irgendeinen blöden Blick zu bekommen, und dann halt doch oft lieber in den eigenen vier Wänden bleibt.

(16.06.2016, 21:16)Eva_Tg schrieb: Ich habe eine Freundin, die mag ich sehr gerne, aber die hat auch das eine oder andere psychische Problem und wenn sie wieder eine Phase hat, dann sage ich was ich darüber. Sowas klingt nicht immer nett, aber ich werde sicherlich niemanden bejubeln, der sich daneben benimmt....

Ich denke, das macht eine gute Freundin aus!
- So bin ich halt, ich kann nichts dafür -
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #2
Egoismus... ja gut, Ziel einer Psychotherapie ist es natürlich auch das eigene Ego zu stärken.
Ich finde es jedenfalls nicht verkehrt etwas für sich selbst zu machen und die eigenen Interessen an die erste Stelle zu stellen.
Ein niedriges Selbstwertgefühl ist jedenfalls oft das größere Problem, weil man anfängt sich für andere aufzuopfern oder deren Interessen über die eigenen stellt. Das führt zu ganz komischen Wertigkeiten und oft wird man gnadenlos ausgenutzt. Weil man für jeden narzisstisch veranlagten Menschen, der auch noch wenig Skruppel hat ein gefundenes Fressen ist.
Meine Frau hatte auch einen ausgeprägten Helfer-Komplex, an dem wir auch lange arbeiten mußten. Die war ja so schlimm, die hat ja fast-wildfremden Menschen Geld geliehen, nur weil sie der Meinung war "das man Menschen, denen es schlechter geht als einem selbst helfen muss.".
Auch wenn Egoismus immer einen negativen Beigeschmack hat, heutzutage ist es eher Selbstverteidigung.
Außerdem denke ich nicht, dass sich Egoismus und Hilfbereitschaft, sowie Mitgefühl und Herzlichkeit ausschließen. Ich helfe gerne, wo ich kann, aber eben nicht über meine Maßen oder wenn es meinen Interessen zu widerläuft. Das wäre wieder Opferbereitschaft und die hält sich bei mir stark in Grenzen.

Tja Freunde, die findet man meistens da, wo man gemeinsame Interessen hat. Am Besten ist es dann, wenn es dabei nicht um das Thema Transidentität geht. Weil viele Menschen dann ganz unbefangen mit dem Thema umgehen können, wenn es eben nicht im Mittelpunkt steht. Und wenn man davon betroffen ist, dann ist es unglaublich wichtig, wenn man nicht immer nur darauf reduziert wird.
Ich singe z.B. gerne und ein paar meiner Freunde machen selbst Musik und die schätzen meine Gesangstimme durch aus (auch wenn ich gute Sängerin bin). Oder das Bogenschießen, da werde ich auch von einem Freund unterrichtet und er sagt, ich stelle mich gar nicht so schlecht an. Man braucht etwas abseits der Transidentität, womit man sich beschäftigen kann und wo man mit Freunden zusammen ist.
Ich meine, nicht umsonst bin ich Darstellerin auf Mittelalter-Märkten, man trifft unglaublich viele Menschen und lernt viele neue Freunde kennen.
Wie man seine Freizeit und Interessen letztlich gestaltet das bleibt natürlich jedem selbst überlassen, nur sollte man sich selbst nicht nur auf die Transidentität reduzieren.

Mit dem Verstecken ist es natürlich zweischneidig, aber ich kann da schlecht mitreden, weil meine Transidentität in der Regel nicht auffällt. Und in den selten Fällen, wo es doch auffällt, interessiert es mich einfach nicht was die Leute denken. Ich zeige eindeutig, durch Verhalten, Aussehen usw., dass ich eine Frau bin und auch so zu behandeln bin. Da ist es dann auch egal, ob das Passing mal versagt. Die Leute sind dann vielleicht verwirrt oder reserviert, aber mich schlecht zu behandeln das traut sich keiner. Ich kriege auch keine blöden Blicke, die Leute gucken eher verwirrt oder neugierig. Vielleicht ist meine überdurchschnittliche Attrativität ein Vorteil, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht was die Leute denken, aber vielleicht sowas wie "war die früher mal ein Mann?! Dafür sieht die jetzt aber verdammt hübsch aus!"
Ich halte es jedenfalls für möglich, dass sich gutes Aussehen auch bei Transidentität positiv auf die Sichtweise auswirkt.
Ich weiß, das hilft anderen auch nicht weiter, aber ich kann auch nur das erzählen, was ich erlebt habe.

Und was meine Freundin angeht, die hat AHDS und Borderline, wenn man der zuviel Spielraum läßt, dann nutzt die das aus, ohne überhaupt zu bemerken, was sie macht. Wenn die auf einem anderen Level ist, dann ist das echt schlimm. Wie beim letzten mal, sie sollte eine Aufgabe erledigen und ihre Antwort war "Mache ich gleich, ich muß nur noch mal 5 min. weg.", draus wurden dann 2 Stunden. Ich habe ihre Arbeit dann miterledigt und dazu mußte ich ein Konzert sausen lassen. Und hinterher fragt sie noch ganz empört, ob das etwa ihre Schuld wäre. Wie gesagt, wenn sie auf so einem Level ist, merkt sie nicht mal wie sie mit anderen Menschen umgeht.
Ich weiß das sie für ihr Verhalten nichts kann, aber das heißt nicht, dass es mir gefallen muss oder das ich ihr dafür noch das Köpfchen streicheln muss.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #3
Moin Eva_Tg,

(17.06.2016, 23:44)Eva_Tg schrieb: Man braucht etwas abseits der Transidentität, womit man sich beschäftigen kann und wo man mit Freunden zusammen ist.

Mein Leben findet zu 98% abseits der Transidentität statt und in absehbarer Zeit zu knapp 100%, wenn man davon absieht, daß ich doch immer wieder Kontrolluntersuchungen brauche, für die es wichtig ist zu wissen, was für Medikamente ich nehme und dann muß das Thema sein.

Ich will doch hoffen und gehe davon aus, daß das für meisten hier gilt! Ich schaue hier gerne mal rein, lese gerne, kommentiere so wie gerade eben auch immer wieder mal was, teile besonders erfreuliche oder bemerkenswerte Ereignisse mit euch, aber das ist ein recht kleiner Teil meines Lebens. Da muß ich gar nicht ins Detail gehen, aber im Prinzip ist mein Leben genauso abwechslungsreich wie das von Eva_Tg, nur auf gänzlich anderen Ebenen.

LG
Julia
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #4
Also mein Eindruck ist eher, dass viele sich zeitintensiv und über einen längeren Zeitraum mit ihrer Transidentität und den damit verbundenen Problemen beschäftigen, ohne das es im Bereich der Konflikt- bzw. Problemlösung greifbare Fortschritte gibt.
Das Konzentieren auf ein Thema, was alltagsbestimmend wird, nimmt doch sehr viel Lebensfreude und Lebensqualität. Man denkt nur noch in eingefahrenen Bahnen.
Ich glaube manchmal vergessen einige einfach, dass es auch noch ein Leben neben der Transidentität gibt.
Deswegen sage und zeige ich immer wieder, dass es auch anders geht. Auch indem ich konkrete Dinge erzähle, die ich erlebt habe.

Also meine Transidentität nimmt schon einen Teil in meinem Leben ein und das wird auch nicht ganz verschwinden. Allein schon die Tatsache, dass ich mit einer Frau verheiratet bin, wird das Thema immer mal wieder in den Blickpunkt rücken. Das in Prozent zu fassen, das kann ich zwar nicht, aber ich werde das Thema niemals unter den Tisch kehren können.
Hinzukommt noch, ich bin bei sehr vielen Freunden geoutet und auch die haben manchmal Fragen zu meiner Besonderheit. Meine Trauzeugin wollte z.B. letzten Details zu meiner HRT wissen. War sie neugierg? Ja, aber es war auch Anteilnahme und Sorge, ob es mir gut geht.
Das ist alles ein Teil meines Lebens, aber eben nur ein Teil. Der Rest ist genauso langweilig oder interessant, wie bei anderen Menschen.
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #5
Ich seh das auch so, dass man sich nicht alleine auf die Transidentität konzentrieren sollte! (Bei mir ist das erst seit der Arbeitlosigkeit schlimmer geworden, weil ich halt viel Zeit alleine zuhause verbinge... und da denkt man halt viel darüber nach wenn man sich nicht irgendeine Beschäftigung sucht...)

Ich geh zB gar nicht auf Events, Treffen oder sonstigem mit Trans*-Schwerpunkt/-Hintergrund, weil ich mir denk, ich will ja ganz normal als Frau leben und mich da nicht irgendwie abkapseln vom Rest der Gesellschaft. Was nicht heißen soll dass ich nichts mit der 'Community' zu tun haben will, ich legs aber auch nicht extra drauf an.
- So bin ich halt, ich kann nichts dafür -
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #6
Ich sage es mal so, es ist besser mit der Transidentität zu leben, als für die Transidentität zu leben.

Meine Freizeit hat sogar nichts mit irgendwelchen Trans*Dingen zu tun und das gefällt mir.
Und irgendwann interessiert man sich selbst nicht mehr für die eigene Transidentität. Manchmal wird es angeschnitten, aber auch nur unter dem Motto "Na ja, ich bin eben anders."

Ich bin inzwischen eine normale, verheiratete Frau, die eine ungewöhnliche Vergangenheit hat.
Meine Hobbies sind ungewöhnlich, dass schon, aber das hat ja nichts mit der Transidentität zu tun.
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #7
@Eva: das klingt so als ob es eine Art der der wirklich freien Wahl gäbe, damit umzugehen. Ich glaube aber, dass das bei jedem oder jeder verschieden ist. Wenn du schließlich erkannt hast, was mit dir los ist, kann das doch so existentiell bedrohlich werden, dass du an gar nichts anderes mehr denken kannst. Dann ist das Gebilde des „Freien Willens“ eventuell nur mehr eine Chimäre. Ich denke aber schon, dass es gewisse Dinge im Leben, die das Leben trotz TI „erträglicher“ machen. Manche Menschen haben da vielleicht mehr Glück solche Dinge zu haben oder wahrnehmen zu können. Oder bei dem einen/der einen oder anderen ist die Inkongruenz nicht so ausgeprägt wie bei anderen Menschen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand FÜR die Transsexualität lebt. FÜR ein für sich als schlimm empfundenes Gefühl kann man doch wohl nicht leben. Ich denke eher, du meinst, dass sich manche Menschen durch die „Heilung“ ihrer TS die Befreiung all ihrer Probleme erwarten.
Für mich wäre es das Schönste, nicht mehr ständig daran denken zu müssen.
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #8
Nun, eigentlich sollte man die existenzielle Bedeutung der Transidentität in einer Therapie aufarbeiten und lernen damit umzugehen.
Frag mal warum ich drei Jahre Therapie hinter mir habe, nämlich um Wege zu finden wie ich mein Leben mit Transidentität gestalten kann.
Deswegen meinte ich schon für oder auch von der Transidentität leben, einige scheinen sich so mit ihren schlimmen Gefühlen eingerichtet zu haben, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen können, dass es auch anders sein kann.

Das vermute ich zu mindestens, warum sonst sollte meine Sichtweise auf so viel Unverständniss stoßen?
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #9
Ok, dann verstehe ich dich besser. Das „für die Transidentität zu leben“ war für mich etwas missverständlich. Du meintest wohl damit so etwas wie: „irgendwie mit Transidentität zu überleben (im Gegensatz zu „es mit ihr zu leben“)
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RE: Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen
Beitrag #10
@Eva - ich glaub nicht dass deine Sichtweise auf soo viel Unverständnis stößt... nur wie Du manche Dinge rüberbringst, damit kann ich öfters nicht ;-)
- So bin ich halt, ich kann nichts dafür -
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