Welche Seite ist "richtig"? WC-Benützung durch Trans-Menschen

[Ирина]

(15.02.2017, 13:00)Eva_Tg schrieb: Das ist doch die einfache Logik, ich sage etwas vor einer Kamera und schon glaube ich, es wird dadurch wahrer, weil bestimmt so und so viele Zuschauer denken, das ich Recht habe.

Klar, nur kann das auch ganz schön nach hinten losgehen und dazu reicht es schon, wenn man sich bei einer einzelnen Aussage verkalkuliert, denn das stillschweigend vor dem Fernseher sitzende Publikum ist unberechenbar und die heutigen Möglichkeiten der medialen Interaktion nicht zu unterschätzen. Leider passiert das halt viel zu selten, dass wirklich dementsprechende Massen zusammenkommen, damit sich was (zum Positiven) ändert.

Aber trotzdem - wenn erst einmal der aufgebrachte Shitstorm über einem wütet, dann möchte man wohl kaum noch im Rampenlicht stehen; ich zumindest würde mir selbst dann genau überlegen was ich sage, wenn ich live in ein Mikrofon spreche dessen Audiostream ins Internet übertragen wird, obwohl dasteht "Current Listeners: 0"

[Eva_Tg]

Natürlich kann sowas immer nach hinten losgehen. Schlecht gewählte Aussagen haben z.B. Jimmy Carter die zweite Amtszeit gekostet.

Oder interessant sind auch die Reaktionen, wenn man schon in dem Glauben verhaftet ist, immer im Recht zu sein. In Hamburg gab es eine interessante Geschichte, die leider nur einen kurzen Zeitungsartikel wert war: Veranstaltung wegen massiver Proteste gegen die AfD abgebrochen.
Das war so, eine Medienveranstaltung hatte einen Funktionär der Partei auf die Rednerliste gesetzt, als dem Mann das Wort und das Mikro gegeben wurde, kam es zu spontanen, lautstarken und massiven Buh-Rufen aus dem Publikum, bis er das Podium verlassen hatte.
Hinterher hat sich die Parteiführung dann beklagt, die Proteste seien unangebracht und unerhört. Sehr interessant, besonders wenn man bedenkt, das deren Sympathiesanten mit den Politikern anderer Parteien genauso oder noch schlimmer bei öffentlichen Auftritten umgehen.
Wenn es einem dann selbst passiert beklagt man sich plötzlich. Wie gesagt offenbar ist man schon dem Glauben erlegen, dass man immer ein Recht hat, überall die eigene Meinung kundzutun und die Öffentlichkeit muss immer zustimmen. Wahrscheinlich glaubt man auch die Wahrheit immer für sich in Anspruch nehmen zu können.
Und in Amerika ist es doch genauso, erst läßt man sich von TV-Sendern mit einseitiger Berichterstattung im Wahlkampf unterstützen und hinter werden die Medien der Manipulation und der Falschinformation bezichtigt.

[j-unique]

(16.06.2016, 21:16)Eva_Tg schrieb: Wie werden denn nicht binäre Leute richtig gelesen?
Für mich ergibt diese Aussage jetzt wenig Sinn.

Nicht als Mann und nicht als Frau. Du kannst mich im "Männerklo" als "Frau" lesen, dann bin ich "falsch am Platz" (und du kannst mich böse anschauen oder sogar angehen und wirst in jedem Fall recht behalten), und du kannst mich am "Frauenklo" als "Mann" lesen, dann bin ich auch am falschen Platz (mit gleichen Konsequenzen; wobei ich mich da formal auf meinen Ausweis ausreden kann, dafür aber auf vielen Orten als "Schwulla" vielleicht nicht unbedingt geschlechtlich aufgeladenen Kloblickkontakt mit anderen "Männern" suchen will). Ich kann mir also aussuchen, auf welchem Klo ich lieber potentielle Probleme bekomme, und dann im absoluten Notfall auf das gehen, das nach weniger Problemen ausschaut. Oder wenn ich irgendwie die Möglichkeit habe, auf ein ungegendertes Klo zu warten (zu Hause oder im Zug), dann mache ich das natürlich, da ich eigentlich keine Lust auf Gender-Spielchen habe, sondern einfach nur aufs Klo will. Gestattet diese Gesellschaft mir aus unbekannten Gründen aber nicht. Naja, habs bis jetzt geschafft, werds auch weiterhin schaffen, auch wenn Gender-Klo-Gehen für mich immer noch jedes Mal hohe psychische Belastung bedeutet.

[Mike-Tanja]

(15.02.2017, 10:40)Bonita schrieb: Tja, war ja zu erwarten...

[hier gekürzt]

https://www.nytimes.com/2017/02/11/us/po....html?_r=0 schrieb:11.02.2017
Trump Drops Defense of Obama Guidelines on Transgender Students
...

Trump hat in seinem Wahlkampf noch versprochen, auch er würde sich für Minderheiten wzB LSBTI einsetzen, doch sein Regierungsmitarbeiter - in diesem Fall der neue Justizminister Jeff Sessions - hat das Obama-Dekret, welches TG in Schulen nicht dazu zwingt Toiletten laut dem "Geburtsgeschlecht" zu benützen, ausgesetzt...[hier auch gekürzt]

Man sollte ein wenig erläutern, um was es da eigentlich geht.

Natürlich kann der von Trump bestellte US-Justizminister kein "Obama-Dekret" widerrufen - es gibt auch keines. Die meisten US-Universitäten sind private oder Einrichtungen der einzelnen Bundesstaaten. Die haben ihre Satzungen oder Gesetze, die die Ausübung des Hausrechts durch die Leitung regeln.

Was die Obama-Administration gemacht hat, war mehrere auf Bundesrecht aufbauende Initiativen zu unterstützen, die LGBTI-Organisationen gegen Gesetze in einigen Bundesstaaten angestrengt haben, in denen eine dem "amtlichen" Geschlecht entsprechende WC-Benützung zur Pflicht gemacht wird. Das US-Justizministerium hat in diesem Sinne Leitlinien zur Auslegung der Anti-Diskriminierungsvorschriften der US-Bürgerrechtsgesetze betreffend Schulen und Universitäten herausgegeben. Dagegen haben mehrere Bundesstaaten geklagt und eine einstweilige Verfügung gegen die Anwendung der Leitlinien bei einem Bundesgericht in Texas erwirkt.

Der neue US-Justizminister hat jetzt das Rechtsmittel gegen diese einstweilige Verfügung zurückgezogen. Die Leitlinien sind damit wohl tot. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht individuell oder kollektiv gegen diskriminierende Vorschriften von Universitäten, Gemeinden, Bezirken oder Bundesstaaten klagen kann. Die Chancen sind natürlich geringer, wenn man nicht mehr die Bundesregierung als Verbündeten an seiner Seite hat.

[Bonita]

(15.02.2017, 23:50)Mike-Tanja schrieb: ... kein "Obama-Dekret" widerrufen ... Der neue US-Justizminister hat jetzt das Rechtsmittel gegen diese einstweilige Verfügung zurückgezogen. Die Leitlinien sind damit wohl tot. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht individuell oder kollektiv gegen diskriminierende Vorschriften von Universitäten, Gemeinden, Bezirken oder Bundesstaaten klagen kann. Die Chancen sind natürlich geringer, wenn man nicht mehr die Bundesregierung als Verbündeten an seiner Seite hat.

Sorry, wenn ichs so "vereinfacht" schrieb - unterm Strich ists halt so, wie Frau und Herr Normalverbraucher darüber in unseren lokalen Medien informiert würden (ohne den jeweilis richtigen (us-) juristischen Ausdruck dafür zu verwenden): die vorige Regierung tat was gegen die TG-Diskriminierung, die aktuelle Anscheins nicht, obwohl der "Anführer" (eh auch wie überall) etwas anderes vor "Dienstantritt" versprach...

Da der überwiegende Teil der Menschen in den USA (respektive wie im Prinzip noch fast überall auf der Welt) eher konservativ und auch gegen LGBTI eingestellt ist, ist das grade für Betroffene vor Ort mehr als ein herber Rückschlag...

[Eva_Tg]

Das würde ich so nicht sagen, laut aktuellen Umfragen befürworten zur Zeit 80% der Deutschen eine Öffnung der Ehe für alle.
Die Mehrheit der Menschen ist ganz sicher nicht gegen LGBTI eingestellt. Nur weil es keine überschwänglichen Sympathie-Bekundungen gibt, läßt es nicht automatisch auf eine Ablehnung schließen.

[Bonita]

Ich denke in West-, Mittel- und Nord-Europa gibts tatsächlich bereits weniger Vorbehalte LSBTI gegenüber, im Rest der Welt - mit wohl asiatischen Ausnahmen - siehts da mM noch eher düster aus; Aber auch bei uns ist nicht alles eitel Sonnenschein...

https://www.wien.gv.at/menschen/queer/di...ahlen.html

http://derstandard.at/2000017586771/LGBT...er-Strasse

http://www.spiegel.de/panorama/gesellsch...00416.html

https://www.welt.de/reise/article1529479...uelle.html

In den USA ist die Homo-Ehe inzwischen lt obersten Richtern verfassungsmäßig rechtens, in Österreich gibts bisher immer noch nur eine "eingetragene Partnerschaft", obwohl:

http://derstandard.at/2000042944202/Die-...eitsfaehig schrieb:... deutlich konservativer als Schweden oder die Niederlande, gibt es in Österreich doppelt so viele Befürworter wie Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe...

- nur mit den konservativen (Regierungs-) Parteien wird das noch länger nix; Wir müssen also auch die Meinungen der Bevölkerung und die Taten der Regierung/en auseinander halten...

Auch sollte man vielleicht nicht unbedingt das Recht auf die Homo-Ehe mit dem Recht auf die "richtige" Toilette für TG vergleichen, weil Homosexuelle ein solches Problem nicht haben...

[Eva_Tg]

Ich will gar nichts vergleichen, ich habe nur gesagt, man kann nicht pauschal sagen die Mehrheit ist gegen LGBTI eingestellt.
Man sollte die Toleranz normaler Menschen nicht unnötig runterspielen.

Bei vielen Äußerungen gerade von homosexuellen Männern muss ich zwangsweise immer die Augen verdrehen. Es passiert irgendetwas was nicht ok oder schlimm ist und sofort gibt es Wortmeldung, die alle heterosexuellen Menschen beschimpfen, beleidigen und verfluchen.
Die meisten Menschen haben denen absolut nichts getan und haben es nicht verdient das man so pauschal über sie urteilt.
Kein Mensch ist frei von Vorurteilen und Homosexualität oder Transidentität schützen einen bestimmt nicht davor.

Ich bin beides, wenn ich meinen Vorurteilen unreflektiert freien Lauf lassen würde, wäre ich nur noch mit Hatespeech beschäftigt.

Ich glaube allerdings auch, die meisten US-Bürger interessiert dieses Thema nicht wirklich und aus purer Gemütlichkeit werden sie sich sagen: Der neue, "Starke" Mann im Weißen Haus wird schon das richtige tun.
Und auch bei uns ist das Desinteresse sehr groß: Poltische Krisen, Flüchtlinge, Terror... heterosexuelle Cis-Menschen interessiert es kaum, ob es in den USA jetzt ein juristisches Ringen darum gibt, ob eine Minderheit beim WC-Besuch diskriminiert wird bzw. ob sie dabei diskriminiert werden darf.
Interesse oder Desinteresse sind oft das eigentliche Problem dabei wie einzelne Gruppen zu einander stehen.

[Bonita]

(16.02.2017, 14:36)Eva_Tg schrieb: ... man kann nicht pauschal sagen die Mehrheit ist gegen LGBTI eingestellt...

Kann man schon, ob es stimmt ist halt die Frage


Wenn ich von mir ausgehe, dann gibts da eh keine Probleme (mehr), und ich nehme mal an, dass es bei Dir ebenso ist, zumindest entnehm ich das Deinen bisherigen Äußerungen; Aber es geht ja hierbei um TG (oder TS/TI), die (noch) keine entsprechenden Papiere (u/o Angleichungen) haben;

Grade in den USA (bzw auch in Europa) gibt es immer mehr Kinder und Jugendliche, die von ihren Eltern unterstützt in ihrem Wunsch/Ziel/Geschlecht in die Schule gehen dürfen - nur wird ihnen dann von etlichen Schulbetreibern bzw auf Betreiben anderen Eltern mehr als Steine in den Weg geworfen; Wenn dann nichtmal die Regierung auf Deiner Seite steht, dann hilft wohl nur ein Schulwechsel bzw sogar ein Umzug in einen andern (Bundes-) Staat; Wobei das ja auch nicht einfach ist oder für manche, weil sie sich keine Privatschulen leisten können, fast unmöglich; Aber freilich ist es nicht überall so - glücklicherweise...

(16.02.2017, 14:36)Eva_Tg schrieb: ... Man sollte die Toleranz normaler Menschen nicht unnötig runterspielen...

Das tu ich nicht, und ich kann sogar manche CIS-Leute verstehen, die sich genervt fühlen durch die relativ hohe Medienpräsenz von TG (oder auch nur LGB), egal ob positiv, neutral oder negativ...

(16.02.2017, 14:36)Eva_Tg schrieb: ... Bei vielen Äußerungen gerade von homosexuellen Männern muss ich zwangsweise immer die Augen verdrehen...

Eh, solche Fälle kenn ich auch...

(16.02.2017, 14:36)Eva_Tg schrieb: ... Ich glaube allerdings auch, die meisten US-Bürger interessiert dieses Thema nicht wirklich ... das Desinteresse sehr groß: Poltische Krisen, Flüchtlinge, Terror... heterosexuelle Cis-Menschen interessiert es kaum, ...

Es interessiert in diesem Fall wie so oft die unmittelbar und mittelbar Betroffenen, also zB Mitschülerinnen und deren Eltern, die Schul-Betreiber und -Leiter - und schließlich auch Politiker;

Dann meinen manche von diesen CIS-Leuten, sie bzw ihre Kinder würden diskriminiert, weil TG (oder einer anderen Minderheit) ein Recht eingeräumt wird, ja es gäbe keinen Schutz mehr für "die normalen" usw usf; Solche Typen schreien meist eh auch am Lautesten bei diesen Themen...

Gelangt dann etwas in die Medien darüber, gibts natürlich auch unter den "gemütlichen" und nicht Betroffenen ein partielles/temporäres Interesse, und jedenfalls trägt das auch zur Meinungsbildung bei - die hoffentlich nicht noch übler wird, wie sie dort und da leider (noch immer) ist...

[Eva_Tg]

Die Meinungsbildung ist nun wieder ein anders Thema.
Es ist doch so, solange immernoch immer die Darstellung von Transfrauen als "umgebaute Männer" durch die Gegend und die Köpfe geistert, können Argumente die auf den Schutz von "Normalen Menschen" rumreiten oder auf sexuelle "Anrüchigkeit" abzielen, ihre Wirkung entfalten.
Das Spiel mit der Angst hat schon immer zur Meinungsbildung oder auch Meinungsmache gehört. Angst ist so ein starkes Gefühl und so irrational, dass es sogar den rationalen Verstand ausschalten kann. Wer das Spiel damit beherrscht kann so ziemlich alles sagen, die Leute werden es glauben.
Deswegen ist es so wichtig, die Menschen aufzuklären, um genau solchen Argumenten die Grundlage zu nehmen.

Wer Informationen aus zweiter oder dritter Hand hat und dann auch noch andere entscheiden läßt, im Vertrauen darf das die schon wissen was richtig ist, der hat keine eigene Meinung. Und sich dann hinzustellen und sagen als Volksvertreter muss ich nach der Meinung der Mehrheit richten, das ist Augenwischerei. Nach der Meinung, der Leute die vorher keine Meinung hatten und die man so beeinflußt hat, dass sie einem zustimmen? Wirklich sehr schlau... na ja, einige glauben das wirklich.

Und die Frage nach danach, ob man einer Minderheit ein Recht einräumen darf, was andere nicht haben, muss mit ja beantwortet werden. Besondere Rechte für Minderheiten sind Teil des Schutzes der Minderheit, wer nicht mal das versteht, der hat wahrscheinlich nicht mal verstanden was Minderheitenschutz ist. Und wer sich dann noch als Mehrheit vom Schutz der Minderheiten bedroht fühlt, dem fehlt wahrscheinlich jedes Verständnis für Demokratie. Für solche Leute ist Demokratie einfach nur eine Diktatur der Mehrheit.
Aber das wird alles sehr philosophisch, dass braucht man nicht vertiefen. Nur sollten sich die USA auch mal überlegen wie als "Hort der Demokratie" dastehen wollen, wenn sie so mit Minderheiten umgehen und keine Lösung mit Konsenz finden können.

Ansonsten ich habe keine Probleme beim WC-Besuch, hatte ich auch nie. Wer bis auf seltene Ausnahmen von allen Menschen als Frau gegendert wird, wird automatisch aufs Damen-WC geschickt. Es gibt ja nun auch noch Lokale mit "Klo-Frauen" und wenn ich denn mal suchend vor den Türen stand, z.B. weil Beschriftung zu klein war, kam immer sofort der freundliche Hinweis "Dort ist die Damentoilette."
Und auf einem Mittelalter-Markt hatte ich mich sogar einmal versehentlich vor den Männer-WC angestellt und wurde weg komplimentiert. Ich wußte nicht mal das es bei diesen chemischen Toilettenhäuschen Geschlechtertrennung herrscht. Aber der Chef der Putzkolonne fragte mich: "Was suchst du, meine Holde?" Ich sagte eigentlich nur eine freie Toilette und als Antwort hörte ich dann, ich solle die anderen nehmen, die sind nicht nur frei, sondern auch sauber und außerm für Damen. Das war schon ein peinlicher Moment.