[Buch] goodbye gender. Geht das – ein Leben ohne Gender?
[Buch] goodbye gender. Geht das – ein Leben ohne Gender?
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Titel: goodbye gender
Originaltitel: gender failure
Von: Rae Spoon & Ivan E. Coyote

ISBN: 9783945644027

Als Beschreibung erlaube ich mir den Klappentext zu zitieren:

»Geht das – ein Leben ohne Gender?

Was bedeutet es, nie im richtigen Geschlecht zu sein – nicht in dem, was bei der Geburt zugeschrieben wurde, nicht in den Vorstellungen von sexueller Identität, die später im Leben ausprobiert wurden, nicht nach einem Geschlechtswechsel von "Frau" zu "Mann"? Und kann es das geben, Geschlecht einfach ganz aufzugeben?

Ivan und Rae erzählen leicht und doch auch ernst Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend, von ersten Lieben und dem Erwachsenwerden, ihrem Leben auf und hinter Bühnen. Unkompliziert und nah schildern sie, wie die Idee von Geschlecht als eindeutiger Norm an einer Wirklichkeit scheitert, in der Aussehen, Auftreten und Begehren nicht immer eindeutig sind.«

»Ich bin nicht im falschen Körper geboren. Ich bin den der falschen Welt geboren.« (Rae Spoon)

Mein Eindruck:

Ein Buch, das mich wirklich sehr berührt hat: In einer Welt voller Heterosexismus und Zweigeschlechtlichkeit (selbst in Trans*-Kreisen) einmal von Ansichten, Gefühlen, Erfahrungen zu hören, die meinen eigenen so sehr ähneln und mir das Wissen erlauben, nicht allein zu sein.

Das Scheitern darin, die Rolle des Geburtsgeschlechts zu spielen. Unerwünschtheit von Trans*-Personen und Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit in der Lesben- und Schwulencommunity. Strenge Erziehung nach Gender. Masektomie, Krankenkassenprobleme und der Vorwurf des Psychiaters, "nicht trans genug zu sein", wenn man Masektomie, aber keine HRT machen will. Versagen im Spielen der Rolle des "anderen" als des Geburtsgeschlechts ("Mann" vs. "Frau" vorausgesetzt). Wie es ist, ein transgender Countrysänger zu sein (durchaus witzig erzählt Wink). Öffentliche Reaktionen auf Performances, die zum Großteil aus "Mädchen oder Junge?" bestehen. Scheitern am Cross-Dressing (Drag).

Und dann der Gender-Ruhestand, Pronomen "x". Was es bedeutet, sich endlich von der herrschenden Gender-Ideologie [Achtung: hier nicht im FPÖ- oder klerikalfundamentalistischem Sinn gemeint] zu verabschieden. Nicht Mann, nicht Frau zu sein, und es auch nicht sein zu müssen. Einen (halbwegs) passenden Körper haben, anziehen, was man will, sich herrichten, wie man sich wohl fühlt, sich so zu verhalten, wie man es eben tut. Natürlich auch: mit Leuten über Pronomen streiten, sich Sprachzerstörung vorwerfen lassen müssen, Schikanen auf Toiletten und in Umkleideräumen ertragen. Sich sexistische und verachtende Kommentare anhören und sich daran gewöhnen, oft wie ein außerirdisches Wesen angestarrt zu werden.

»Besonders schwierig ist es für mich vorherzusagen, welches Gender mir Leute zuschreiben. Mit Zweigeschlechtlichkeit als Norm, stecken sie mich zur Hälfte hier- und zur anderen Hälfte dorthin. Ich wurde an demselben Flughafen als "Frau" angesprochen, an dem ich vorher in die Schlange der Männer zum Abtasten geschickt wurde.« (Rae)

»In den Begegnungen der letzten zehn Jahre habe ich gelernt, dass Zweigeschlechtlichkeit mehr einem Comedy-Sketch gleicht als einer Tatsache. Leute lesen einander, schreiben sich Merkmale zu und spulen dann das entsprechende Drehbuch ab. Sehr oft sind diese Interaktionen absurd und sie spielen sich auf gleiche Weise ab – ob am Boden oder in zehn Kilometern Höhe.« (Rae)

»Mir wird klar, dass die englische Sprache traurigerweise keine Benennungen für Menschen wie mich hat. Deshalb versuche ich, jeden Tag tolerant zu sein mit der Welt. […] Jede gegenderte Toilette, Frauen- oder Männertoilette, überall, zu jeder Zeit, an jedem Tag meines Lebens. Ein möglicher Ort der Gefahr. Ich sage mir selbst, dass, wenn ich in eine Schublade passen würde, wenn es immer eine Toilette für mich gäbe, dann würde mir langweilig werden, ich würde meine Spider-Fähigkeiten verlieren, meine katzenhaften Reflexe, die Augen an meinem Hinterkopf würden sich schließen und ich würde sie vermissen. Das sage ich zu mir selbst an manchen Tagen, aber meist glaube ich mir nicht.« (Ivan)

Obwohl das relativ negativ klingt, war es für mich unglaublich schön und erleichternd, dieses (auch witzig geschriebene) Buch zu lesen.

Homepage von Rae Spoon
Homepage von Ivan E. Coyote
Das Leben ist eine Komödie und wir sind die Clowns.
Zitat



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