Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #11
(26.04.2017, 00:48)j-unique schrieb: [hier gekürzt]Ich denke ich habe mich langsam damit abgefunden, dass meine Geschlechtsidentität (und letztlich auch meine Körperlichkeit) für den Rechtsstaat nicht existiert und ich für die Außenwelt eine Maske aufsetzen und was vorspielen muss. Auch wenn's schwierig war und immer noch ist, aber es bleibt mir einfach keine Wahl.
[hier auch gekürzt]

Ich weiß genau was ich will, und das hab ich auch hingeschrieben: ich will X. Und wenn "die Rechtsordnung das nicht zulässt" (diese Formulierung hab ich verwendet), will ich W, weil das noch besser passt als M.
[hier auch gekürzt]

Ach ja wenn du sagst, das wird kein Routinebescheid: Weißt du zufällig die Frist auswendig, innerhalb der der Bescheid erfolgen muss? 6 Monate Standardfrist? Wäre ja gut möglich, dass so ein "ungewöhnlicher" Antrag erstmal ein paar Monate in einer Schublade verschwindet …
Das Einfach zuerst: Ja, hier gilt die gesetzliche Standardfrist von höchstens 6 Monaten für die Bescheiderlassung. Sollte es etwa nach 3 Monaten noch keinerlei Feedback geben, kann eine höfliche schriftliche Anfrage oder ein Anruf m.E. von Nutzen sein (damit den Beamt/inn/en der Personenstandsbehörde klar ist, dass es ein ernst gemeintes Anbringen - also weder Jux noch einen politische Aktion - ist, und die Antragstellerin die entsprechenden Fristen kennt).

Ich kenne jetzt weder die Behörde noch das Bundesland, aber in Personenstandsangelegenheiten ist der Bürgermeister als Verwaltungsbehörde nicht in der Entscheidung frei, sondern es gilt eine Weisungskette, die vom/von der Sachbearbeiter/in (Standesbeamtin/Standesbeamter) über die/den Bürgermeister/in (als Behörde/Behördenleiter/in), den Landeshauptmann (bzw. das zuständige Mitglied der Landesregierung) zum Bundesminister für Inneres führt. In so einem Fall könnte es einen Erlass geben, dass zumindest der nächsthöheren Behörde berichtet und deren Weisung eingeholt werden muss. Schneller wird es dadurch natürlich nicht. Wichtig: das ändert nichts an der geltenden Sechsmonatsfrist. Nach Ablauf der Frist kann Säumnisbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) erhoben werden. Bewegt sich die Personenstandsbehörde auch dann innerhalb einer gesetzlichen Nachfrist von drei Monaten nicht, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Landesverwaltungsgericht über.

Solange die Unterscheidung in "Mann" und "Frau" noch daran geknüpfte Rechtsfolgen hat, wird das binäre, dychotomische System m.E. bestehen bleiben. Oder im Klartext: solange nur Mann und Frau eine Ehe eingehen dürfen, und dieses Rechtsinstitut diesbezüglich dem politischen Willen nach "rein" bleiben soll, wird es sicher kein "x" geben. Weil sich daran sofort die Frage knüpfen würde: Ehe oder eingetragene Partnerschaft (EP)? Die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer, wenn auch bloß formellen bzw. begrifflichen Differenzierung zwischen Ehe und EP ist vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aber bereits bejahend beantwortet worden. Damit hat das Höchstgericht m.E. implizit auch das binäre Geschlechtssystem gestützt bzw. befürwortet.

Das LVwG Oberösterreich hat das in seinem Intersex-Reisepass-Erkenntnis (Link weiter unten) gut dargestellt:
Zitat:Das Ausmaß der solcherart hinzunehmenden ungleichen Auswirkungen einer generellen Norm hängt dabei auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen ab (vgl VfGH vom 26. Juni 1980, Zl G6/79 ua, mwN). Im vorliegenden Fall hätte die Eintragung einer anderen Geschlechtsbezeichnung als „männlich“ oder „weiblich“ (oder der in eventu beantragte Entfall der Eintragung) die Unanwendbarkeit zahlreicher rechtlicher Vorschriften auf die Bf zur Folge: So könnte beispielsweise nicht mehr beurteilt werden, ob die Bf eine Ehe oder Eingetragene Partnerschaft eingehen kann, ob Wehrpflicht nach dem Wehrgesetz besteht oder welche pensions-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich ergeben.
Schau ma zunächst amol, was die Höchstgerichte in der Frage des Anspruchs einer Intersex-Person auf einen Ausweis ohne Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht urteilen werden.
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RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #12
Also ich bin vom Standesamt angerufen worden, weil meine Gutachten aus 2015 "zu alt" gewesen wären (obwohl doch da prophetischerweise drin steht, dass sich voraussichtlich nichts mehr ändern wird) und ob ich ein neues bringen könne. Hab mir die psychotherapeutische Stellungnahme also mit neuem Datum besorgt und bin damit zum Amt. Die waren dann aber recht nett und ich habe problemlos die Geb.urk. "w" bekommen, "x" natürlich wie erwartet erst gar kein Thema (aber ich muss mir nicht für den Rest meines Lebens vorwerfen, es nicht probiert zu haben). Dann gleich mal Perso neu beantragt (obwohl der geschlechtsneutrale Führerschein weiterhin ungeändert gilt und sicher mein bevorzugter Ausweis bleibt)… Bescheid gibts übrigens bei sowas angeblich nicht, die neue Geb.urkunde muss reichen.
Das Leben ist eine Komödie und wir sind die Clowns.
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RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #13
(11.05.2017, 14:43)j-unique schrieb: Also ich bin vom Standesamt angerufen worden, weil meine Gutachten aus 2015 "zu alt" gewesen wären (obwohl doch da prophetischerweise drin steht, dass sich voraussichtlich nichts mehr ändern wird) und ob ich ein neues bringen könne. Hab mir die psychotherapeutische Stellungnahme also mit neuem Datum besorgt und bin damit zum Amt. Die waren dann aber recht nett und ich habe problemlos die Geb.urk. "w" bekommen, "x" natürlich wie erwartet erst gar kein Thema (aber ich muss mir nicht für den Rest meines Lebens vorwerfen, es nicht probiert zu haben). Dann gleich mal Perso neu beantragt (obwohl der geschlechtsneutrale Führerschein weiterhin ungeändert gilt und sicher mein bevorzugter Ausweis bleibt)… Bescheid gibts übrigens bei sowas angeblich nicht, die neue Geb.urkunde muss reichen.
Zunächst einmal Glückwunsch zu diesem teilweisen bzw. Kompromiss-Erfolg! Smile

Das mit dem "Bescheid gibt's nicht" ist nicht ganz korrekt. J-unique hat doch, wenn ich mich richtig erinnere, die Eintragung von "x" beantragt (Primär- oder Hauptantrag), wenn rechtlich nicht möglich, dann Änderung auf "weiblich" (Eventualantrag).

Die Personenstandsbehörde hat diesem Antrag faktisch im Umfang des Eventualantrags entsprochen. Den Primärantrag hat sie einfach ignoriert. Nach der Rechtsprechung muss und darf auf einen Eventualantrag aber nur eingegangen werden, wenn das Hauptbegehren zurück- oder abzuweisen ist ("Ein so genannter Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt"; VwGH, E 19.11.2009, 2009/07/0136, RS1 1.+2. Satz, Unterstreichung von mir). Das Höchstgericht sagt weiters, dass die Behörde - weil der Antrag eben aufschiebend bedingt gestellt wird - gar nicht dafür zuständig ist, über den Eventualantrag zu entscheiden, solange der Primärantrag nicht "erledigt" ist. Korrekterweise hätte die Personenstandsbehörde also etwa nach folgendem Muster entscheiden müssen:

  1. Der Primärantrag des XYZ auf Änderung seines Geschlechtsantrags im Personenstandsregister auf "x" (= geschlechtsneutral, keinem Geschlecht zugehörig) wird abgewiesen.
  2. Dem Antrag wird jedoch im Umfang des Eventualbegehrens Folge gegeben und die Eintragung des Antragstellers XYZ  im Personenstandsregister in der Rubrik "Geschlecht" dahingehend geändert, dass sie ab Rechtskraft dieses Bescheids zu lauten hat: "weiblich".

Aber das ist ein klassisches sogenanntes akademisches Problem, solange j-unique daraus keinen Rechtsstreit macht. Aber vielleicht macht irgendwann jemand aus dieser Sache einen anspruchsvollen Prüfungsfall auf einer Uni.
Rolleyes
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RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #14
Auch von mir "Glückwunsch" (in Gänsefüsschen, weil ja nicht genau das was tatsächlich gebraucht/gewollt wird)! Hug

Tanja, j-unique könnte doch auf einen Bescheid bestehen? Dann hätte sie es ja wenigstens "schriftlich", dass das "x" vom Gesetz her nicht möglich ist - und es würde einen ensprechenden Eintrag im Verwaltungsakt bekommen; So, auf die österreichische Art und Weise, steht der Bedarf/der Wunsch j-uniques doch nur auf ihrem Antrag... Thinking
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RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #15
(11.05.2017, 17:48)Bonita schrieb: [hier gekürzt]
Tanja, j-unique könnte doch auf einen Bescheid bestehen? [hier gekürzt]
Sie könnte. Aber das könnte auch kompliziert werden. 
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RE: Antrag auf PÄ bei Ablehnung mehrmals möglich?
Beitrag #16
Aber die Änderung ist doch schon durch (ev noch vorher auf die neuen Ausweise warten Cool3 )?!
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