Intersexualität & Non-Binary: Verfahren zu Anerkennungen eines dritten Geschlechts
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts
Beitrag #110
Die "Uneindeutigkeit" von Intersexualität wird ja auch an Dingen wie extrem divergierenden Schätzungen, wie viele Intersexen es denn gebe, deutlich.

Gespenstisch ist nicht zuletzt der historische Wandel der Zuweisungspraxis in den letzten ca. 60 Jahren. Damals bekamen ca. 3/4 eine männliche Zuweisung verpaßt, später bis zu ca. 2/3 eine weibliche. Im übrigen wußte man anno dunnemals, daß viele der Jungs nicht "normal" mit einem Mädchen würden schlafen können. Aber man postulierte eben, die würden sich schon irgendetwas einfallen lassen. Es gab auch später immer wieder warnende Stimmen seitens von Chirugen darselbst, was man den Mädchen mit einer Vaginalplastik antun könnte. Wer von den "Professionellen" behauptet, man habe vor 1990 doch nicht wissen können, disqualifiziert sich selbst. Abgesehen davon, als Intersexe würde ich mir verarscht vorkommen, wenn mein Geschlecht eine Frage von Wahrscheinlichkeiten zwischen ca. 75% männlich und ca. 66,6666...% weiblich sein sollte.

Und ja, es gab da noch den urbanen Mythos, Intersexen seien ja so formbar (malleable), daß selbst Ärzte es kaum fassen konnten ("Look how feminine these little boys are!").

Ich kann es auch nicht fassen, wie hartnäckig sich die Mär hält, ein Mensch könne gleichzeitig "Penis und Vagina" haben. Es ist morphologisch unmöglich, aber offensichtlich ist es ein phantasmatisches Erfordernis. Die armen Binaristen würden ja sonst orientierungslos inmitten einer kategorialen Landschaft stehen, in der sie nie, nie zu navigieren gelernt haben.

(Manche Leute glauben auch, "Zwitter" könnten sich selbst befruchten Facepalm Dann müßten sie ja auch mit sich selbst vergnügen können Sad So ein Bullshit ging vor ca. 20 Jahren mal durch die indische Presse. Da war ein 15-jähriger "Junge" mysteriöserweise schwanger geworden. Wäre ja auch zu peinlich gewesen, die bittere Wahrheit zu schreiben, daß es sich um eine Intersexe mit offensichtlicher männlicher Fehlzweisung handelte, die mit ihrem Freund geschlafen hat wie andere Mädchen eben auch Rolleyes )

Echter Hermaphroditismus ist histologisch definiert, d.h. es müssen testikuläre und ovarielle Gewebeanteile vorhanden sein. Wie die Genitalien solcher Leute aussehen, kann ganz unterschiedlich sein. Auch da ist aber wieder das Problem, die ganzen Leutchen, die eine (heteronormativ motivierte) Besessenheit mit Genitalien pflegen, wollen trotz allem eben genau das an erster Stelle wissen. Man faßt es nicht Facepalm

Die Krege hat sich da aber vielleicht eine peinliche Themaverfehlung geleistet. Die hat offensichtlich rein gar nichts kapiert. Zudem: von ihrem eigenen Werk waren Chirurgen schon vor der Verbreitung der Micro-Chirurgie ja sooooooo überzeugt Sad

Ab und zu sollte man sich jedoch klarmachen, daß Intersexualität ein sehr sehr weites Feld ist. Es werden nicht alle mit medizinischen Maßnahmen wie HET und/oder OPs bedacht. Dennoch können die Anliegen haben, die man erstnehmen sollte. Es haben ja auch anti-surgery activists dereinst geglaubt, ihre Sache stünde "stellvertretend" für alles weitere Facepalm



Die Sache mit den Intimbausätzen ist, daß Features automatisch ergänzt werden. Also wer wie ein Mann (oder zumindest eher wie ein Mann als eine Frau...) aussieht, hat doch bestimmt Penis (in penetrationsfähiger Größe), Testes (bitte auch die nicht zu klein und mit anständiger Sperma-Produktion), den Karyotyp 46,XY usw. usf., will Sex/Beziehungen mit Frauen, ist zeugungsfähig (und -willig), hat väterliche Qualitäten Rolleyes, und überhaupt benimmt er sich wie ein Mann (was auch immer das heißen sollte). Analoges gilt für Frauen. Wobei zu der Phantasterei ja auch gehört, daß solche Analogien überhaupt möglich zu sein hätten.

Und sollten sich diese Phantasien als Luftschlösser entpuppen, gibt es erst ungläubiges Erstaunen, und dann meidet man in den meisten Fällen den Überbringer der schlechten Nachricht. Wie konnte man denn auch nur...

Entpathologisierung muß nicht mit Verweigerung von Kostenübernahme bei TS einhergehen. Es gibt dazu angeblich längst Überlegungen in D, nebst ausländischen Vorbildern. Ich denke, wir können uns weiteres zu diesem Thema ersparen.

Tja, was mich persönlich betrifft: mir ist schon lange klar, für die meisten Leute sind nicht meine Genitalien das Problem, sondern ich bin das Problem Shy

Das Paper von Klöppel muß ich mal bei Gelegenheit lesen. An den Phallometer auf der Titelseite kann ich mich noch erinnern. Wir haben da auch mal eine Fassung mit noch mehr Kategorien gemacht, z.B. hatte ich die Idee: "Yes, everything is bigger in Texas!" Big Grin

Ich beneide Intersexen aber gewißlich nicht. Manchmal denke ich, es wäre besser, die (und wahrscheinlich auch deren Familien...) bräuchten auch Psychotherapie und Begutachtung, bevor man wildgewordene Ärzte auf sie losläßt.

Wie ich schon sagte, vielen geht es nicht so gut bis ausgesprochen schlecht. Für viele der Leute aus den tiefsten 1990ern haben sich die persönlichen wie politischen Erwartungen nicht erfüllt.

Und schon damals war es echt happig, wenn doch so einige ihren Frust an einem ausließen.



Zahl und Art möglicher Geschlechtskategorien ist kein triviales Thema. Ganz grundlegend scheint mir egal ob in Südasien oder Nordamerika eine Tendenz zu 4 Kategorien zu bestehen. Allerdings gibt es ungleich mehr Wörter als wirklich ausdifferenzierte Kategorien. Zudem ist vieles davon allgemein kulturspezifisch oder gar an religiöse Gruppierungen gebunden. Das bedeutete dann also doch viele Kategorien, die aber mit einer Idee von "Geschlecht" alleine gar nicht zu erfassen sind. Zwischen inter* und trans* wird meistens nicht differenziert, und manchmal (aber nicht immer) spielt auch sexuelle Orientierung mit hinein.

Ähnliche Anhängigkeiten von einer spezifischen Anthropologie sind durchaus auch für die hiesigen Verhältnisse zu konstatieren. Ohne Cartesianismus käme selbst die o.g. ATME-Definition von "TS" nicht aus.
Zitat



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RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - von Sunburst - 27.08.2018, 09:43
(m/w/d) -> "d" schon möglich? - von mike. - 05.04.2019, 21:21

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