Soziales Konstrukt oder nicht? + Epi-Genetik
RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #131
(12.11.2016, 16:29)Eva_Tg schrieb:
Zitat:Ich finde auch, dass das hier eine für alle offene Diskussion und kein Polizeiverhör ist.

Meine Güte, sonst gibt es doch auch immer auf alles eine schlaue Antwort.
Wenn ich dann in einer offenen, nicht fachbezogenen Diskussion, umgangssprachlich nachharke, wird plötzlich ein Verhör daraus? [hier gekürzt]
Der Ton macht die Musik. Ich denke, die meisten Menschen schreiben gerne und schnell eine Antwort, wenn man ihnen freundlich begegnet. Falls es denn um die Antwort geht.
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! Wave   -
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #132
Also ist ein

(12.11.2016, 14:33)Bonita schrieb: Du checkst es echt nicht... 

für dich eine freundliche Antwort?

Wenn man keine Zeit hat, braucht man gar nicht zu antworten und braucht Leuten weder Unverständnis vorwerfen noch nichts sagende allgemeine Dementis schreiben.

Aber von mir aus können wir lang und breit auf einer barschen Formulierung rumreiten. So braucht wenigstens nicht zum Inhalt meiner Posts Stellung nehmen.

Vielleicht macht sich auch nur Ratlosigkeit breit und die soll überspielt werden.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #133
Hallo Eva,
ich gebe zu, ich hab mich doch auch hinreissen lassen und auf ähnliche Weise dort und da geantwortet, wie es mir zT in diesem Thread entgegen gebracht wurde. Das tut mir leid (das geht auch an Mous), auch ich bin kein Mensch ohne Makel. Was aber nichts am Umstand ändert, dass ich nicht rund um die Uhr hier im Forum oder überhaupt im Netz sein kann; Muss man nicht mit ebenso unfreundlichen Annahmen kommentieren, btw...

Du fühlst Dich also besser, wenn Du TS/TI von TV/CD absolut trennen kannst/darfst; ZT dadurch Du letzteres als "schlechter (weil für Dich "leichtere Form")" bewertest/darstellst als das worunter Du leidest. Das ist sogar nachzuvollziehen. Mit Deinen Worten:
(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: ... warum ich mich damit zufrieden geben soll, dass ich die Arschkarte gezogen habe und ein Leben lang Medikamente schlucken muss, damit ich mein Spiegelbild ertragen kann ... Warum kann man diese verdammte Dysphorie nicht einfach weg therapieren und als Tivi durchs Leben gehen? ... warum ich glauben sollte, dass es andere gibt, die so sind wie ich, die es aber besser getroffen haben? ... warum ich diese Menschen [TV/CD] nicht abgrundtief hassen sollte, weil ihr Leben nicht voller Stress, Schmerzen, Probleme und unnötiger medizinischer Maßnahmen ist? ... warum ich mich nicht umbringen sollte, weil ich eine der krassesten Formen dieses Trans-Dings erwischt habe, die mein Leben unendlich qualvoll und schmerzhaft machen?" ... Für mich gibt es doch im Vergleich zu Tivis oder normalen Transfrauen eh keine leichte Lösung, da kann ich mich gleich umbringen. ... das Leben mit Transidentität ist scheiße, egal wie gut die Transition verläuft. Tag ein, Tag aus verspürt man einen Selbsthass, der durch nichts gelindert wird...
(12.11.2016, 14:53)Eva_Tg schrieb: ... Warum muß ich mich mit irgendwelchen ... vergleichen und mich scheiße fühlen? Bin ich ... noch nicht gestraft genug? Müssen sich jetzt andere noch was drauf einbilden, dass sie nur die leichte Form des Transdings haben?
(12.11.2016, 16:29)Eva_Tg schrieb: ... Und der Einwand? Glaubst du wirklich, ich fühle mich besser, wenn jemnand sagt: Eh es gibt auch leichte Formen von Autismus ... 
Das ist ja eine ganz große Ladung (an unaufgearbeitetem)... Und darauf folgend lässt Du dann Deine subjektiven Begründungen für dieses und jenes los; Demnach wäre das "böse" ausgedrückt: TV/CD ist lustiger Firlefanz, unter dem man nicht leidet - mit Deinen Worten:
(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: ... während andere glücklich sind, wenn sie am Wochenende im rosa Tütü durch die Gegend springen...
Woher weißt Du, dass sie so glücklich dabei bzw danach resp überhaupt im Leben damit sind? Meinst Du tatsächlich, in ihnen geht nicht der gleiche Kampf mit sich selbst einher, weil sie eben so sind wie sie sind? Also nicht "normal", sondern mit dem Zwang sich selbst resp gegengeschlechtlich ausleben zu müssen? Und warum kann man TV/CD ebenfalls nicht "wegtherapieren"? Es ist lt Dir ja ohnehin "nur die leichte Form des Trans*Dings"; Ich könnte genauso gut aber sagen: Wahrscheinlich sind sie nur in der Lage das mit sich "leichter" ausmachen zu können, oder es ("besser", im Alltag) verdrängen zu können...

Dass sie aber damit anders umgehen können (tw müssen) als Du oder ich ist doch keine Rechtfertigung dafür sie "schlecht" zu machen zB im Sinne von (total) abzugrenzen. Wär ich so bös (wie zT manche TS/TI gegenüber TV/CD) könnt ich (als Post-OP) nun auch behaupten, Du bist doch gar nicht TS/TI sondern eine "krassere Form" von TV/CD, weil: Du willst zwar als Frau leben aber eher keine GaOP und/oder Du wolltest sogar mit Deinen biologischen Anlagen ein Kind zeugen - das macht eine "echte" TS/TI nicht. Tu ich aber nicht, weil ich so nicht (mehr, schon lange) denke. Andere "böse" Menschen meinen sogar, solche Frauen wie ich wären auch nur Männer die sich als Frau ausgeben - so what. 

Beim Aufzählen Deiner Qualen und dem darauf Begründen des/eines allumfassenden Unterschiedes machst Du übrigens das was Du ua mir im Thread weiter vorne vorwirfst - gehst davon aus, dass es so ist. Beweise (vor allem wissenschaftliche Wink2 ) gibt es jedoch keine dafür. Es könnte also durchaus so sein, dass es etwas Gemeinsames gibt - worin auch immer das zu finden sein würde. Wenn man über Gemeinsamkeiten spricht bedeutet das schließlich nicht automatisch, dass alles das Gleiche, gar dasselbe ist, es gibt eben div Formen/Ausprägungen.

Auch das was TV/CD ausmacht gehört nun mal zu deren Identität, und dass es dabei nur um einen sexuellen Kick oder Spaß a la Fasching/Karneval ginge ist ja ähnlich so ab der Realität als wenn man behaupten würde, es ginge bei TS/TI in keinster Weise auch um Sex. Auch TS/TI wollen Sex - idR halt unter der Prämisse einer zum geburtsgeschlechtlich entgegengestellten Körperlichkeit - soweit die halt zB durch Hormone bzw chirurgische Eingriffe herstellbar ist). Und auch dass es eine Form/Ausprägung gibt, die keine GaOP etc pp unbedingt benötigt, wirft das ganze/gemeinsame Trans*Gebäude doch nicht um.

Es könnte nämlich "als Basis" damit zu tun haben, zB mit dem frühkindlich ausgesetzten sozialen Konstrukt nicht klarkommen zu können und deshalb TV/CD oder TS/TI zu werden.

Es könnte auch "als Basis" damit zu tun haben, dass zB eine pränatale Beeinflussung durch die mütterliche Körperchemie auf den Embryo bzw Fötus bzw das Kind im Bauch und das TV/CD oder TS/TI auslöst.

Es könnte sogar "als Basis" damit zu tun haben, dass zB genetische Veranlagung TV/CD oder TS/TI begründet.

Das sind die drei wissenschaftlichen Formulierungen, das hab nicht ich mir ausgedacht. Ich meine darüber hinaus: Womöglich ist es nicht nur eine dieser drei Möglichkeiten, sondern sogar eine Mischung daraus, jeweils. Wir wissen es einfach nicht - und aus unserem persönlichen Befinden, von unserer jeweiligen Lage heraus auf die gesamte Gruppe zu schliessen ist ein bisschen einfältig. Es steht nur fest, dass TV/CD genauso wie TS/TI mit sich ein mehr oder weniger über den "falschen" Körper definiertes Selbstbild bzw Identität ausleben müssen. Die einen schaffen es eventuell diesen Zwang besser zu unterdrücken, zu kontrollieren etc pp. Und keine Trans* liebt diesen Zustand oder "feiert" diesen gar - natürlich könnte bei einigen dieser Eindruck erweckt werden, weil sie für "kurze" Zeit diesem Zustand versuchen zu entfliehen und dabei glücklich wirken. Doch das ist nur eine oberflächliche Annahme...

Es gibt Firmen die einen quasi Gender-Wechsel-Service anbieten, also man durch perfekt abgestimmte Kleidung, Frisur/Perücke und Make-Up zumindest als Mann optisch zur Frau werden kann und dazu auch professionelle Fotos gemacht werden. Diesen Service nehmen zum grössten Teil wohl sog TV/CD in Anspruch - und aus einer solchen großen internationalen Anbieter-Quelle weiß ich zB, dass noch fast von jeder/jedem Kundin/Kunde auf die intimere Frage während des Small-Talks während des Stylens bzw Fotoshootings, ob man nicht schon mal darüber nachdachte "ganz Frau" sein wolle, also 24/7, inklusive weiblichen Körper, zur Antwort kommt: Ja gerne!

Dann folgt freilich das Aber; Und da kommen ähnliche Geschichten, wie sie auch TS/TI schildern und berichten, idR vor deren Coming-Out; Dass sich solche Geschichten zB hier im Forum nicht so oft finden wie die der TS/TI bedeutet nicht zwangsläufig, dass es diese nicht gibt. Wenn es Dir persönlich in Deinem Leben damit besser geht, so mit Deinem eigenen Konflikt klarzukommen, dann kann auch ich das akzeptieren. Aber man sollte sowas nicht auf alles/andere übertragen...

Ich wünsch uns allen "unsere Zustände" so gut und rasch wie möglich aufarbeiten zu können - und natürlich einen wunderschönen Sonntag!  Heart
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #134
(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Du fühlst Dich also besser, wenn Du TS/TI von TV/CD absolut trennen kannst/darfst; ZT dadurch Du letzteres als "schlechter (weil für Dich "leichtere Form")" bewertest/darstellst als das worunter Du leidest.

Ich hatte zwar geschrieben, dass Transidentität die schlechtere Form ist, weil es die schwere Erkrankung ist. Schwer im Sinne von behandlungsaufwändiger und alltagsbeeinflussender.
Genauso wie eine schmerzhafte, aktive Athrose die schwere Form ist, im Gegensatz zur ruhenden, schermzlosen Athrose. Weil die schwere Form nämlich den Alltag, die Bewegungsfreiheit und meistens auch die Berufsausübung einschränkt.

(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Demnach wäre das "böse" ausgedrückt: TV/CD ist lustiger Firlefanz, unter dem man nicht leidet

Wird nicht immer wieder betont, es bestehe kein Bedürfnis nach therapeutischer Behandlung oder somatischen Maßnahmen?
Oder nach juristischen Maßnahmen?
Gibt es irgendwas, was man im medizinischen Rahmen greifen und behandeln kann? Oder etwas, was man juristisch ändern kann, um eine Verbesserung zu erzielen?

So, wie sich die Sache für mich darstellt, würde ich sagen nein. Letztlich bleibt nur die gesellschaftliche Stigmatiesierung, die als belastend empfunden wird.
Hier Vergleiche zu ziehen ist m.M.n. schwer bis gar nicht möglich, weil man einen Berg an Vorurteilen, Ignorantem Verhalten und Ähnlichem nicht mit konkreten Bedürfnissen/Notwendigkeiten, die mit konkreten Maßnahmen gelindert werden können, vergleichen.

Oder willst du z.B. meine Minderwertigkeitskomplexe wegen fehlender Brüste, die notwendigerweise eine HRT und/oder plastischen Brustaufbau nach sich ziehen, mit Bedenken eines TiVis beim Outing gegenüber der Familie vergleichen? (Ich denke es sind Minderwertigkeitskomplexe, es könnte auch ein Teil der Geschlechtsdysphorie sein, weil ich mich unvollständig fühle.)
Gegen solche Vergleiche verwehrt sich doch jeder.

Wir können auch ähnlichere Situationen hernehmen, falls dir der Vergleich nicht genehm ist. Wie wäre es mit der Reaktion eines Tivis, wenn jemand das biologische Geschlecht anspricht. Also meiner Erfahrung nach ist das für die Betroffenen von eher geringer Bedeutung bzw. viele sind sogar erfreut das man sich an ihrem Verhalten nicht stört. Was sie denken, weiß ich natürlich nicht, aber augenscheinlich ist Akzeptanz/Toleranz von größer Bedeutung als korrektes Gendern.
Ich hingegen, als ich während eines Fotoshootings gefragt wurde, ob ich Travestie mache, hat mich das in eine kleines Loch fallen lassen. Ich habe mich tagelang, krampfhaft mit meinem Passing beschäftigt, ich bin die Situation immer wieder durchgegangen und habe Begründungen gesucht, wieso man nun sehen könnte, ich wäre ein Mann. Ich hatte sogar mit meiner Frau hitzige Debatten über mein Outfit, weil sie angemerkt hatte, dass mir die weiblichen Rundungen fehlen und das der Grund sein könnte. (Ich glaube da wären wir wieder bei der Geschlechtsdysphorie.)
Willst man hier Vergleiche ziehen? Also ich will es nicht, weil es nüchtern gesehen schon schwere Folgen sind, wenn man sich nach einer beiläufigen Bemerkung tagelang mit den eigenen körperlichen Makeln beschäftigt.
Außerdem in so einer Situation zu sagen, es gibt auch Menschen, die sind so wie du und die gehen leichter damit um, dass macht es nicht besser, sondern schlimmer. Man nimmt sich etwas zu Herzen und dann hört man andere nehmen es sich nicht so zu Herzen, dann fühlt man sich noch unzulänglicher. Und bei aufgezwungen Vergleichen entsteht mehr oder weniger erzwungener Neid. Man fühlt sich schlecht und unzulänglich und muss auch noch mit unschönen Gefühlen wie Neid fertig werden. Um diese Abwärtsspirale von vorne rein auszuschließen, ziehe ich wenn möglich keine Vergleiche.
Ich mag mich noch nicht mal wirklich mit anderen Transfrauen vergleichen, weil die meisten ihr Passing durch angleichende Maßnahmen erreicht haben.
Nehmen wir mal Mous oder Cute, ich kann mich nicht mit denen vergleichen oder neidisch sein, ganz einfach weil die seit längerem in der HRT sind. Das ironischerweise viele, Transfrauen sowie Tivis, auf mein Passing neidisch sind, weiß ich, aber trotzdem fühle ich mich körperlich absolut unzulänglich.

Ich denke, wir können noch viel länger über meine Probleme mit meinem Körper reden, aber eine Transfrau mit gutem Passing und die trotzdem ein großes Gefühl der Unzulänglichkeit hat ist ein sehr spezieller Fall.
Wie du das werten und evtl. vergleichen willst, bleibt dir überlassen. Mir selbst fällt das nämlich sehr schwer.

(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Und warum kann man TV/CD ebenfalls nicht "wegtherapieren"?

Wie sagst du immer so schön: Das habe ich nie behauptet!
Ich habe gesagt warum kann man meine Geschlechtsdysphorie nicht einfach wegtherapieren. Ich habe weder von Transidentität gesprochen, noch von Tivis.

Nun, wie dem auch sei, möchtest du behaupten, dass der Hass den ich auf meinen Körper verspüre und das Erleben von Tivis in der selben Ursache wurzeln?
Selbst wenn es eine gemeinsame Basis geben sollte, irgendwann ist der Punkt erreicht an dem die Entwicklungen so unterschiedlich verlaufen, dass es irrelevant ist, ob es eine oder zwei Ursachen hat. Und es ist irrelevant, weil für die Stärkerbetroffenen keinerlei Nutzen hat.

Bei allen Dingen frage ich mich immer, welchen Nutzen habe ich davon bzw. wie hilft es mir. Wenn es mir ohne Bedeutung erscheint oder zu negativen Gedanken führt, dann lehne ich es einfach ab.

(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Das ist ja eine ganz große Ladung (an unaufgearbeitetem)...

Ich weiß nicht, ob es dir zusteht darüber zu urteilen, ob irgendetwas unaufgearbeitet ist oder nicht.
Normalerweise werden solche Äußerungen bzw. Andeutungen gegenüber anderen Usern scharf kritisiert.

Ist mir eigentlich auch egal, nehmen wir mal an es ist so.
Wenn nach drei Jahren Psychotherapie immernoch nicht alles aufgearbeitet ist, enthält das doch schon eine gewisse Wertigkeit über die schwere meines Falls.
Warum ich dann so schwer angegangen werde, während andere schwere nicht so behandelt werden wie ich, ist mir ein Rätsel.

Eine andere Sichtweise wäre, da meine Transition langsamer und in wesentlichen Punkten anders verläuft, als in allen dir bekannten Fällen, treten auch völlig andere Probleme und Entwicklungen auf.
Fassen wir doch mal zusammen: Vom Outing bis zur Personenstandsänderung, drei Jahre durchgäniger Alltagstest. Dazu drei Jahre Pschotherapie. Vom Outing bis zur HRT mehr als 3,5 Jahre. Von der PÄ bis zur HRT auch noch mal mehr als ein halbes Jahr.
Ich gehe davon aus in den meisten anderen Fällen ist das alles wesentlich komprimierter bzw. passiert alles fast zeitgleich.
Und dann noch die ganzen zusätzlichen Faktoren: Sehr gutes, alltagsfähiges Passing, hohe, soziale Akzeptanz. Starker Angleichungswunsch, ohne GAOP-Wunsch. Transidentität seit frühster Kindheit, aber trotzdem lesbisch. Dann eine funktionierende Beziehung, die die Transition überdauert hat bzw. vor der PÄ, sogar juristisch in einer Ehe festgemacht wurde. Und eben auch noch der Kinderwunsch in bzw. nach der Transition. Oh und nicht zu vergessen, die 15 Jahre lange Crossdresser Phase vor dem Outing.
Ich kann mir vorstellen,  viele Erfahrungen aus anderen Fällen sind auf mich nur schwer anwendbar. Das was man über Transidentität zu wissen glaubt, scheint bei mir nicht zu passen. So begegnen mir zu mindestens viele Betroffene. Viele wissen mit mir nichts anzufangen und nehmen instinktiv eine Abwehrhaltung ein. Ich passe nicht ins Schema, man weiß nicht wie man mit mir umgehen soll.
Denk ein bißchen über meine Situation nach.

Ich sehe die Sache übrigens ganz einfach: Ich habe seit dem Frühjahr meinen neuen Personenstand, aber körperlich hat sich in der Transition nichts getan. Das heißt die juristische Realität ist körperlich, pysisch nicht greifbar, dass löst offenbar unüberwindbare Konflikte aus. Außerdem wird das ganze durch meine Arbeit noch verstärkt, ich muss jeden Tag in der Sammelumkleide umziehen und jedesmal habe ich Angst, dass jemand sieht, dass meine Brüste eigentlich nur Push-up sind. Und nein, ich habe keine Angst vor der Stigmatiesierung, ich glaube sowieso die meisten in der Firma wissen/vermuten das ich eine Transfrau bin, ich will einfach nicht das jemand meine körperlichen Fehler sieht. Du mußt bedenken, nicht mal meine Frau kriegt meine Brüste zu sehen, weil mich schäme bzw. selbst vor dem Anblick meines nackten Oberkörpers ekel.
Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn die HRT früher begonnen hätte, das die ganzen Vorbedingungen auch wieder mit unnötigen Wartzeiten verbunden sind, das ist doof. Von diesem blöden TESE-Eingriff ganz zu schweigen.

(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Wär ich so bös (wie zT manche TS/TI gegenüber TV/CD) könnt ich (als Post-OP) nun auch behaupten, Du bist doch gar nicht TS/TI sondern eine "krassere Form" von TV/CD, weil: Du willst zwar als Frau leben aber eher keine GaOP und/oder Du wolltest sogar mit Deinen biologischen Anlagen ein Kind zeugen - das macht eine "echte" TS/TI nicht. Tu ich aber nicht, weil ich so nicht (mehr, schon lange) denke.

Wie du mich nun siehst, oder auch nicht, ist glaube ich ziemlich egal.
Sogar Fachleute können sich irren, aber da ich alle Kriterien der Diagnose F 64.0 erfülle, muss es wohl Transidentität sein. Besser passende Erklärungen für meinen Zustand gibt es nicht.
Was hätten sie machen sollen? Mich als nicht therapierbar nach Hause schicken, so wie das Kind aus dem anderen Thread?

Und was den Kinderwunsch angeht, ganz einfach, meine Frau und ich, ebenso wie unsere Eltern sind der Meinung, wenn Kinder dann soweit möglich doch auch im biologischen Sinne Nachkommen.
Das mag altbacken klingen, aber wir haben uns nach langen Disskusionen darauf geeinigt. In einer Ehe muss man nunmal einen Konsenz finden, man kann nicht mehr alleine entscheiden. Außer man möchte den Nährboden für Eheprobleme schaffen.
Außerdem empfinde ich eine Situation in der ich meinen Kindern erklären müßte, dass sie nicht von mir abstammen als extrem schwer, allein deswegen schließe ich eine fremde Spende aus.
Außerdem gibt es da auch ganz praktische Überlegungen im Bezug auf die Kosten. Als Ehepaar können wir auf eine Kostenübernahme bzw. Beteiligung durch die Kassen hoffen, dafür muß die Spende aber von mir sein. Bei einer fremden Spende müssen die Kosten auf jeden Fall alleine tragen.
Und wenn es ums Geld geht, ist mir egal, was andere von mir halten.

Womit willst du meine Situation vergleichen? Was willst du mir raten?

Es heißt immer, wir sitzen alle im gleichen Boot. Nur ich sitze gar nicht im Boot, ich schwimme im Wasser. Ich habe nichts wonach ich mich richten kann, ich kann niemanden um Rat fragen, wie es den bei ihm war, weil ich niemanden kenne, der in einer vergleichbaren Situation war.
Ich kann mich nur nach dem richten, was ich als richtig empfinde. Ich bin gezwungen mir eigene Normen auszudenken, egal wie dumm ich mich dabei anstelle.

(13.11.2016, 12:27)Bonita schrieb: Dann folgt freilich das Aber; Und da kommen ähnliche Geschichten, wie sie auch TS/TI schildern und berichten, idR vor deren Coming-Out; Dass sich solche Geschichten zB hier im Forum nicht so oft finden wie die der TS/TI bedeutet nicht zwangsläufig, dass es diese nicht gibt. Wenn es Dir persönlich in Deinem Leben damit besser geht, so mit Deinem eigenen Konflikt klarzukommen, dann kann auch ich das akzeptieren. Aber man sollte sowas nicht auf alles/andere übertragen...

Die Sache ist doch so, ich sehe das alles getrennt, weil Vergleiche schwer sind. Also gehe ich selbst auch erstmal von mehren Ursachen aus. Mit einer Ursache kannst du zwar die ganzen Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Überschneidungen erklären, aber bei den extremen Fällen kommst du irgendwann in Erklärungsnot.
Ich bin sogar geneigt unterschiedliche Ursachen für deine und meine Entwicklung anzunehmen. Mir ist die Erklärung, dass die meisten Betroffenen eine GAOP wollen und einige eben nicht, einfach zu dünn.
Vielleicht habe ich einfach nur eine gestörte Selbstwahrnehmung und mein Zustand hat gar nichts mit Transidentität zu tun. Wer weiß das schon.

Wenn du mit einer Ursache alle Unterschiede erklären kannst, nur raus damit. Ich kann es jedenfalls nicht. Ich kann mir meinen Zustand noch nicht mal 100%ig erklären.
Und ehrlich gesagt finde ich es ziemlich unfair, mir vorzuwerfen ich würde, ich würde andere schlecht behandeln, weil ich nicht nach einer Ursache suche.

Aber ich glaube, ich weiß warum das so ist.
Wir alle brauchen Feindbilder und deines ist zweifelsfrei die überhebliche, CD bashende Transfrau, die sich für was besseres hält.
Und in das Schema passe ich ironischweise zu gut.
Ich bin arogant und sehe gut aus. Dazu lege ich eine unterschiedliche Wertigkeit an den Tag und widerspreche deiner Meinung und das ich barsch mit den Leuten umgehe kommt auch noch dazu. Paßt doch perfekt, oder?

Aber gut, ich glaube nicht, dass sich daran nochwas ändert wird. Mir ist das alles inzwischen gleichgültig. Vielleicht sollte ich einfach ein paar Beleidigungen posten, damit ihr mich mundtot machen könnt.
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #135
Ach Eva,
ich wünsche Dir (und Deiner Frau bzw Familie) doch auch nur dass Du (bzw Ihr) glücklich werden könnt (wie man so schön sagt; zufrieden leben mit Momenten des Glücks träfe die Realität wohl eher).

Freilich war mir schon länger klar, dass es für Dich realtiv schwer ist, mit dieser/Deiner Situation klarzukommen, lernen damit umzugehen; Was man halt aus Deinen Erzählungen so heraushört, zwischen den Zeilen liest ist, dass Du zwar nicht unbedingt nach einer Ursache suchst (was wohl ohnehin sinnlos, in unserem Fall, zu unseren Lebzeiten, ist), aber dennoch noch in dieser "Findungs"-Schleife festhängst.

Und ja, sogar das kann ich Dir nachempfinden, auch mir ging es eine (zugegeben nicht so lange) Zeit (wie Dir) so mies, mit auch einigem was Du bisher aufgezählt hast; Aus dieser Schleife sich zu befreien ist nicht immer so leicht, ein Rezept für alle gibt es wohl leider nicht. Und "Diagnosen" bzw "Therapie"-Tipps (von Laien, allerdings Betroffenen) übers Netz sind sowieso nicht das Wahre - sich vis a vis zu begegnen und zu reden würde da schon um einiges mehr ausmachen.

Aber solange man in dieser Schleife hängt, schafft man es eben nicht sich als Person bzw ganzen Menschen anzunehmen, zu akzeptieren, letztlich zu lieben - und nur so könnte man die größte Last dieser Sorgen/Probleme hinter sich lassen; Und feststeht: auch Du hast das "verdient". Vielleicht braucht es bei Dir ein mehrfaches an Zeit, bis Du da ankommst. Hart daran arbeiten tust Du schließlich...

Ps: Hab Deine lange Antwort gelesen, es tauchten ein paar weitere Fragen (bez meine tw rethorischen Fragen) auf, ich kann nur jetzt so spät nicht mehr darauf voll und ganz eingehen. Wenn Du auf alles explizit eine Antwort (von mir) möchtest, sollten wir das ev doch auf PNs verlagern...


Nochmals alles Gute und Liebe Kiss
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #136
Hm, ich denke ich werde einfach die HRT abwarten müssen.
Immerhin gibt es genug Hinweise, dass diese Gefühle einen neurologischen Ursprung haben und sich hormonell lindern lassen.

Wenn man sich körperlich unvollkommen fühlt, dann ist das schon ziemlich unerträglich.
Meiner Meinung nach einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Transfrauen und Tivis, die Empfindungen sind nicht die gleichen.
Ich gehe davon aus, die meisten leiden unter ihrem Passing. Das ist aber nicht das gleiche, wie unter dem eigenen Körper zu leiden. Das ist nun mal nicht das Gleiche, auch wenn es oft zusammenhängt.
Aber bei mir hängt es eben nicht zusammen, mein Passing ist gut, ich mag auch mein Aussehen. Aber das ändert nichts daran, dass ich nicht damit klar komme, dass mir weibliche Attribute fehlen.
Aber meine Situation ist vielleicht auch zu speziell, um als Beispiel zu dienen.

Ich bin mit mir und meiner Transition zufrieden, das darfst du nicht missverstehen. Aber wie jeder Mensch wünsche ich mir leichtere Lösungen für Probleme, weil es nun mal viel Kraft kostet immer wieder komplexe Probleme lösen zu müssen. Von den Verzögerungen ganz zu schweigen, wie gesagt ursprünglich sollte meine HRT im Jan. 2016 starten. Jetzt haben wir Nov., sowas läßt einen schon mal in ein Loch fallen.
Und wie du siehst, die Probleme werden nicht weniger. Ob es jetzt um den Kinderwunsch geht, da kann auch niemand vorher sagen, ob es überhaupt brauchbare Samenzellen von mir gibt. Im schlimmsten Fall ist das alles ergebnislos und wir stehen wieder am Anfang.
Oder wenn ich mir mein Berufleben angucke, ich habe jetzt Arbeit gefunden. Schön und gut, nur was für eine? Eine prekäre Beschäftigung bei geringem Lohn und ohne Aufstiegschancen und dazu noch ein unangenehmes Arbeitsklima.
Hier eine Baustelle und da eine Baustelle, wie ich mit dem allen klar kommen soll, weiß ich oft auch nicht. Aber ich versuche das alles so hinzukriegen, dass ich dabei zufrieden sein kann.

Ach ja und noch was, durch mein Hobby treffe ich immer mal wieder Crossdresser. Die kommen immer gerne zu unseren Veranstaltungen, weil wir so nett und verständniss voll sind.
Also vielleicht ist meine Meinung doch nicht so schlimm, wie du denkst?
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RE: Wie die Unsichtbarmachung durch die Medien funktioniert
Beitrag #137
ANMERKUNG: Beitrag von dort nach hier her verschoben.


Die "haue" gab es für deine eigenartigen schlussfolgerungen.
Ich zitiere:

(31.10.2016, 08:39)Bonita schrieb: Wenn nun - zB durch religiöse? - Riten oder ähnliches vor Ur-Zeiten (oder noch gar nicht so lange her - vgl:http://community.transgender.at/showthre...8#pid55338) der eine oder andere Mann am (religiösen) Cross-Dressen bis Transsexen (oyi  ) Gefallen fand, dann wirkte sich das auf seine Kinder, also Buben und Mädchen aus;

Die hatten nämlich dann den epi-genetischen Code des Vaters in sich - was freilich noch nicht hieß, dass die das auch selbst so (nach Strich und Faden) ausleben wollten oder mussten; Aber auch diese Buben oder Mädchen gaben den vom Großvater geprägten Code wieder weiter an die nächste Generation;

du bist doch dann sogar soweit gegangen, als dass du gemeint hast, dass die emanzipation der frau (=hosen tragen) ebenfalls zur transsexualität durch epigenetische einflüsse führen könnte. Du erinnerst dich vielleicht.
Ich will mich nicht verbiegen für dein Bild von Geschlecht und deshalb bin ich einfach die, die dein Frauenbild zerfetzt!
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #138
Ja und?

Wenn sich immer öfter Frauen bzw immer mehr davon für sich selbst gegenüber Männern "in deren Welt" stark mach(t)en (was ja nicht nur "Hosen tragen" bedeutet), dann ist das wohl mit dem epi-genetischen Gedankengang auch ein ("körperlicher") Lerneffekt, der womöglich an die weiteren Generationen weitergegeben werden könnte, und nicht nur über das übliche soziale Vor-Leben bzw schulischer Lehrpraxis...
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RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #139
I.

Nun ja, wir sogar vor fast 1½ Jahren schon wesentlich weiter. Aber da geht es nicht um Epigenetik. Damals wurde das folgende Papier als revolutionär gehandelt:

Boyle EA, Li YI, Pritchard JK. 2017. An expanded view of complex traits: from polygenic to omnigenic. Cell 169 (June 15, 2017): 1177-1186. http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.05.038

ABSTRACT schrieb:A central goal of genetics is to understand the links between genetic variation and disease. Intuitively, one might expect disease-causing variants to cluster into key pathways that drive disease etiology. But for complex traits, association signals tend to be spread across most of the genome—including near many genes without an obvious connection to disease. We propose that gene regulatory networks are sufficiently interconnected such that all genes expressed in disease-relevant cells are liable to affect the functions of core disease-related genes and that most heritability can be explained by effects on genes outside core pathways. We refer to this hypothesis as an ‘‘omnigenic’’ model.

Wie weit man mit dem Konzept von "Genen" inzwischen ist, wird im Abschnitt “Evolutionary Change of Complex Traits” deutlich. Aber auch wie viel Arbeit uns noch erwartete, was das Verständnis menschlicher Evolution anginge:

Zitat:The observation that many traits are affected by huge numbers of variants also has important implications for studies of evolutionary change. Within the evolutionary community, there has been great interest in identifying particular genetic variants that are responsible for adaptive changes, both within and between species (Vitti et al., 2013). While this work has produced a number of interesting examples, we argue that these are not likely to be representative of most evolutionary change. Instead, most adaptive changes may proceed by polygenic adaptation, i.e., species adapt by small allele frequency shifts of many causal variants across the genome (Pritchard et al., 2010). For example, if 10[sup]5[/sup] variants affect height by 0.15 mm each, then even a small shift in average allele frequencies could generate a large shift in average height; e.g., a 0.5% genome-wide increase in the frequency of ‘‘tall’’ alleles would generate a 15 cm shift in average height. There is now a growing collection of examples of recent polygenic adaptation in humans, especially for morphometric traits including height, BMI, and infant birth size (Turchin et al., 2012; Field et al., 2016).
We anticipate that many of the more dramatic phenotypic differences seen between species are also driven by an accumulation of tiny effects and that larger-effect differences are likely to be exceptions to the rule. For example, there are [about] 40 million single-nucleotide [SNP] differences between humans and chimpanzees. If 1% of these affect chromatin function or other aspects of regulation, then there could easily be a half-million differences between the two species with small but nonzero effects on phenotypes (these need not all be adaptive), and these would likely dominate the contributions of a handful of large-effect loci.

II.

Das Problem in dem Thread damals war, daß kulturelles Verhalten sehr wohl dazu führen kann, daß bestimmte Features unter Selektionsdruck geraten.

Ein eindeutiges, wenn auch wirklich schlimmes Beispiel wäre, daß Leute, die erst in den letzten Jahrhunderten der sog. Zivilisation ausgesetzt wurden, sehr anfällig für sog. Zivilisationskrankheiten sind. (Abgesehen, daß sie noch durch andere Faktoren gestreßt werden, was ihnen dann gleich doppelt und dreifach zusetzt.) Dagegen, in den Weltgegenden, in denen solche Lebensstile schon seit Jahrtausenden praktiziert wurden, sind die Menschen, die das gesundheitlich nicht vertragen konnten, ganz uncharmanterweise so gut wie ausgestorben.

Bei manchen nicht-autosomal bedingten, also vererbbaren Formen von IS ist eine bemerkenswerte Häufung in bestimmten Regionen festzustellen. Das könnte in manchen Fällen tatsächlich mit traditionellerweise positiven kulturellen Einstellungen zu korrelieren sein.

Was nach NB, T* oder auch Homo- oder Pansexualitäten aussehen könnte, ist oft nicht so einfach zu fassen. Nichtsdestoweniger kann auch das in manchen Kulturen so häufig sein, daß man sich verwundert die Augen reibt. Auch hier würde ich zumindest für die Vergangenheit durchaus einen positiven Selektionsdruck in Erwägung ziehen.

Leider bin ich ausgerechnet für das alte Vorderasien und den Mittelmeerraum skeptisch. Ich würde mich da dem seligen Jeremy Black anschließen, daß man dazu tendiert, sich das Leben damals als letztlich doch ganz angenehm vorzustellen, wo man sich schon so viel damit beschäftigt hat, trotz aller Kritikwürdigkeiten, die man nicht übergehen kann... Aber am Ende bleibt vielleicht doch weniger Annehmlichkeit und mehr Kritik Blush

III.

Aber was das anginge:

(05.11.2016, 01:50)SingingComet schrieb: Was beim Gedankengang, TS sei ein soziales Konstrukt immer mitschwingt, ist die Frage der Willensfreiheit. Denn wir nehmen an, alles was sozial determiniert ist, geht auf eine bewusste Willensentscheidung des Menschen zurück.  Und angeblich bewusst gemachte Entscheidungen sind kritisierbar. Und der Mensch hat Angst vor Kritik, könnte es doch sein Weltbild und sich selbst in Frage stellen.
Wenn ich mich jedoch auf eine körperliche, also physiologische Determinante  berufe, komme ich nicht in die Verlegenheit, meine Gefühle zu rechtfertigen bzw zu verteidigen.

Es ist schwer vorstellbar, daß etwas determiniert und willensfrei zugleich sein könnte (wahrscheinlich läge aber dann eine Fehleinschätzung vor, oder man wollte mit dem Oxymoron irgendetwas ausdrücken).

Das ist ein sehr beliebtes Mißverständnis von sozialer Konstruktion. Es ist mitnichten beliebig, geschweige willkürlich.

(05.11.2016, 01:50)SingingComet schrieb: Aber wenn man es genau bedenkt, wäre die Annahme, TS sei die „Ausgeburt“ einer ehemals bewusst getätigten Entscheidung ja ein großartiges Indiz dafür, dass der Mensch so etwas wie Willensfreiheit besitzt.
So gesehen könnte man TS-Menschen auch als Ausdruck der Willensfreiheit des Menschen sehen. Das Paradoxe daran ist aber, dass wir als Betroffene es als etwas in die Wiege gelegtes sehen.

Diese Sichtweise wäre mir bis heute nicht unsympathisch. Leider bin ich zu skeptisch veranlagt, rechne damit, daß eine ganze Reihe von Faktoren nicht berücksichtigt wurden. Daher möchte ich den Fall an die nächst-niedrigere Instanz zurückverweisen Shy

IV.

(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: Allerdings fehlen diesen Ideen immer Erklärungen für die unterschiedlichen Lebensverläufe.

Es gibt eine Unzahl von Lebensbedingungen. Es kommt eben nicht nur auf die Anfangsbedingungen, sondern auch auf die Randbedingungen an.

Leider sind Erklärungsmodelle Geschmackssache.

(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: Der Begriff der transsexuellen Entwicklung erfasst Lebensverläufe, innerhalb derer das Geschlechtsidentitätserleben einer Person nicht bzw. nicht vollständig mit ihren geschlechtsspezifischen, körperlichen Merkmalen übereinstimmt.
Transsexuell wird diese Entwicklung, wenn die Person das Bedürfnis hat, gemäß ihres Geschlechtsidentitätserlebens wahrgenommen zu werden und dieses Ziel mit Mitteln der somatischen Medizin (z.B. Behandlung mit Sexualhormonen, chirurgische Maßnahmen) verfolgt.
Der Begriff der transsexuellen Entwicklung ist nicht auf Entwicklungen von Mann zu Frau oder Frau zu Mann beschränkt, sondern explizit auf Lebensentwürfe anwendbar, die nicht im Einklang mit der Binarität von Geschlecht organisiert sind. Die krankheitswertige Grundlage transsexueller Entwicklungen bildet das persistierende Erleben von Geschlechtsdysphorie. Mit diesem Begriff werden Zustände beschrieben, innerhalb derer Personen auf Grund der Unvereinbarkeit ihres Geschlechtsidentitätserlebens mit den geschlechtsspezifischen Merkmalen ihres Körpers einen nachhaltigen Leidensdruck entwickeln.

Das scheint eine bessere Zusammenfassung als die stark verkürzten Statements, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

Mein einziges Problem ist, ich konnte mit der Idee eines "Leidensdruckes" nie etwas anfangen Shy

(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: Wenn wir alle angeblich gleich sind, dann erkläre mir mal warum die einen Probleme mit ihrem Körper haben und die anderen nicht?`Passiert das alles zufällig oder willkürlich? Ist es einfach nur ein stärker ausgeprägter Wunsch nach dauerhafter Angleichung?

Ich denke, wir sind nicht gleich. Eigentlich in keinerlei Hinsicht.

(12.11.2016, 14:08)Eva_Tg schrieb: Oder haben wir alle das gleiche Trans-Ding und leider haben ein paar dummerweise eine Geschlechtsdysphorie entwickelt. Vielleicht wurden wir als Kinder nicht genug geliebt oder nicht genug in den Arm genommen? Vielleicht hat mir meine Mutter nicht oft genug gesagt, was für ein hübscher Junge ich doch bin, vielleicht mag deswegen meine Körper nicht?
Warum kann man diese verdammte Dysphorie nicht einfach weg therapieren und als Tivi durchs Leben gehen? Wäre gesünder und kostengünstiger als eine HRT.

Zuvorderst wollte ich das nicht. Meiner Gesundheit hat es nicht geschadet, und so arm war/bin ich nun doch nicht Blush

Probleme hatte ich nur mit den deutschen Flickschustern, für die war ich (nicht nur mein Körper) ein überflüssiges Übel. Meine richtige Familie könnte ich mir nicht besser wünschen.
Zitat

RE: Soziales Konstrukt oder nicht?
Beitrag #140
(13.11.2018, 14:06)Bonita schrieb: Wenn sich immer öfter Frauen bzw immer mehr davon für sich selbst gegenüber Männern "in deren Welt" stark mach(t)en (was ja nicht nur "Hosen tragen" bedeutet), dann ist das wohl mit dem epi-genetischen Gedankengang auch ein ("körperlicher") Lerneffekt, der womöglich an die weiteren Generationen weitergegeben werden könnte, und nicht nur über das übliche soziale Vor-Leben bzw schulischer Lehrpraxis...

Ich tendiere da mal wieder zu ausgesprochener Negativität Blush Mir fallen umgekehrt zuvorderst intergenerationale Traumata ein. Aber da ist das Problem, daß vieles wohl doch den familiären psychologischen Prozessen zuzuschreiben sein dürfte.

Bei größeren Gruppen wird das unausweichlich ein soziales Leben prägen. Und auch Atmosphäre wie Lehrpläne in Schulen. (Man mag ahnen, woran ich hier denke Sad).

Aber so wie ich mir das vorstelle, liefe das über längere Zeiträume – und unter "evolutionäre Fehlanpassung".

So richtig interessant wird das aber ohnehin erst, wenn man bedenkt, daß da eine ganze Menge historischer Prozesse gleichzeitig ablaufen – und miteinander interagieren Shy
Zitat



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