Hallo ihr Lieben,
leider war ich in den ganzen letzten Wochen gedanklich zu ausgelastet und habe es einfach nicht geschafft mich hier wieder zu melden.
Habe gerade eure differenzierten Beiträge zum Thema "Alltagstest" gelesen und kann die verschiedenen Positionen (die letztlich wohl gar nicht so verschieden sind) zumindest alle nachvollziehen.
Ich habe einfach ziemliche Angst, dass ich in meiner gefühlten Identität von Fachleuten nicht ernst genommen werde, wenn ich männlich aussehe (leider nicht ohne weiteres änderbar) und mich eher geschlechtsneutral kleide. Es gibt genügend Cisfrauen, die das genauso tun.
Außerdem: Was ist Alltag? Beginnt der schon, wenn ich zeitweise bzw. gegenüber bestimmten Leuten in Frauenrolle lebe, oder erst wenn ich 24/7 Frauensachen trage und darauf bestehe, als Frau [Nachname] angeredet zu werden, obwohl jeder Mensch sofort sieht, dass ich gebürtig eigentlich männlich bin? Je nach Definition habe ich schon mehrere Jahre Alltagstest hinter mir oder werde ihn nie schaffen...
Ich denke schon dass viele Fachleute inzwischen verständnisvoll genug sind, nicht auf eigentlich veralteten Maßgaben zu bestehen, die im Einzelfall sehr schikanierend sein können. Aber dennoch mache ich mir (zu) viele Gedanken darüber, woran ich scheitern könnte.
(08.05.2016, 21:31)Chiara D. schrieb: Chipsi ich kann von mir behaupten kaum Weiblich auszusehen!Mein Knochenbau,Mein extremer Bartwuchs(immer noch. ),meine verarbeiteten Hände die ich wahrscheinlich nie weich bekommen werde,von der Größe will ich gleich gar nicht reden!Und wenn ich meine Narben so ansehe(mittlerweile 39,5 davon eigentlich immer sichtbar)dürfte ich erst gar nicht an eine Transition denken!Allerdings mein denken,meine Art mit anderen zu sprechen und überhaupt meine Gefühlswelt sprechen eine andere Sprache!Und darum hatte ich auch noch nie Probleme mit anderen,da man sieht das ich an mir arbeite und wenn ich mit jemanden spreche ist die Frau sowieso für denjenigen Glaubwürdig!Aber würde es wirklich nur rein ums äußerliche gehen,könnte ich gleich Selbstmord begehen!
Das beschreibt meine derzeitige gedankliche Situation wirklich sehr gut! Und ich denke auch, dass die Optik gar nicht immer entscheidend sein muss - ich habe gerade erst eine Transfrau kennengelernt, die 54 ist und erst seit 2 Jahren auf Hormonen. Natürlich sieht man da etwas, aber das Sozialverhalten von ihr wirkte absolut natürlich und überzeugend.
Mein Sozialverhalten ist nach meinem und dem Empfinden anderer auch ziemlich weiblich, und die optischen Voraussetzungen könnten auch schlechter sein. Aber ich bin einfach zu perfektionistisch, und für ein perfektes Passing ist es mit mittlerweile 28 einfach zu spät - wie schon jemand schrieb wirken Hormone halt keine Wunder. Und das macht mich gerade sehr fertig, weil ich befürchten muss, nie anzukommen und weder als Mann noch als Frau richtig leben zu können. Vor allem weil ich selbst schuld bin, so lange mit all dem gewartet zu haben. Ich kann nur noch das kleinere Übel wählen und damit komme ich überhaupt nicht klar.
Ehrlich gesagt bin ich gerade kurz davor, das alles aufzugeben und irgendwie zu versuchen, mein Unglück zu akzeptieren. Die schon vereinbarten Arzttermine werde ich natürlich dennoch wahrnehmen und mal gucken wie es weiter geht, aber es ist gut möglich dass ich bei der ersten größeren Schwierigkeit aufgebe, wie schon so oft in meinem Leben. :
Oder die Hormontherapie dann doch wieder abbreche und völlig am Boden zerstört bin.
Gestern war ich mit einer langjährigen Freundin Frauenklamotten shoppen. Überraschenderweise war mir das im Laden gar nicht unangenehm, aber insgesamt hat es mich doch ziemlich runtergezogen und das "ich-schaffe-das-nie"-Gefühl bzw. die Dysphorie weiter verstärkt.
Immerhin habe ich es mittlerweile geschafft mich bei meiner Mutter zu outen, die positiver reagiert hat als ich es zu träumen gewagt hätte. Damit wäre ich zumindest bei allen derzeit relevanten Personen geoutet.
So, das war jetzt eine ziemliche "Wall-of-text"...
Liebe Grüße
Hina