Beitrag #1
13.01.2014, 17:26
hallo liebe foris,
bin ganz frisch hier gelandet und möchte mich euch vorstellen. aber erstmal tausend dank dafür, daß es diesen ort hier gibt. habe schon fleißig mitgelesen und möchte euch allen für eure offenheit danken. ihr seid sehr inspirierend.
tja, wo fange ich an? biologisch betrachtet bin ich eine frau. ich bin mitte 30 und lebe mit zwei partnern, unserem kind und ein paar katzen in der nähe von karlsruhe auf dem land. ich bin künstlerin und schreibe, nähe, male und drücke mich überhaupt gern kreativ aus. außerdem mache ich trotz meiner gehbehinderung yoga, photographiere und bin wahnsinnig gern in der weltgeschichte unterwegs. ich mag kultur, historisches, filme (am liebsten thriller, horror und splatter) und musik (tool, a perfect circle, diorama, ...).
soweit also meine "eckdaten". um meine trans-queere-irgendwie-dazwischen-geschichte zu schildern, muß ich wohl etwas ausholen. ich entschuldige mich schon mal dafür, falls das alles etwas wirr und unsortiert klingt - aber das spiegelt dann wohl nur meine gefühle wider...
vor meinem 10. lebensjahr hatte ich keinen namen für das, was ich in bezug auf meine geschlechts- und genderzugehörigkeit fühlte. ich war ich und ende, obwohl mir klar war, daß ich in einem binären system lebte, in dem es männer und frauen und sonst nichts gab. ich habe mich damals schon sehr oft als junge gefühlt und ich denke, ich muß euch nicht erklären, woher man eben einfach weiß, wie man sich fühlt ich war aufgeklärt und mir war bewußt, daß ich offenbar einen weiblichen körper besaß und daß ich eines tages brüste und meine mens bekommen würde.
bereits im kindergartenalter spürte ich, daß ich anders bin als die anderen, die sich scheinbar so ganz easy in ihre genderrollen einfügten - das habe ich nie hinbekommen. ich hatte ab meinem 3. oder 4. lebensjahr phantasiefreunde. heute vermute ich, daß diese - allesamt männlich - einfach nur ein weg waren, meinen männlichen anteil auszudrücken.
mit 7 oder 8 ließ ich mir meine langen haare abschneiden, was dazu führte, daß meine familie mich mit der männlichen variante meines geburtsnamens anredete. ich war empört. ich spürte, daß ich nicht die weibliche variante war, aber die männliche schon gar nicht - für den männlichen teil hatte ich einen ganz anderen namen. aber das kommunizierte ich nicht.
als es mit 11 soweit war und ich tatsächlich meine mens bekam, brach ich heulend zusammen. meine mama mißdeutete das als angst vor dem blut, aber das war es überhaupt nicht. es war nur so, daß ich dachte "scheiße - ich bin zu einem leben als frau verurteilt!".
ungefähr im selben alter wuchsen mir sehr zu meinem schreck dann auch noch brüste. da sie mir beim sport wehtaten, ging meine mama mit mir einem bustier kaufen. ich bin fast gestorben, so peinlich war mir das. und wieder dachte ich, ich sei zu einem leben als frau verurteilt.
wenn ich photos von damals angucke, fällt mir auf, daß ich bis 13 (fast 14) in männlichen klamotten rumlief: dieseljeans, skaterpulli, airwalks. auf photos erkenne ich einen jungen, kein mädel. meine erste (übrigens wunderschöne) sexuelle erfahrung hatte ich mit meiner besten freundin - und es war in der situation klar, daß ich der kerl bin, sie die frau.
mit 14 änderte sich mein styling schlagartig, wie ich heute vermute durch mein stark genderbewußtes umfeld. bis dato hatte ich in der schule eigentlich nur jungs zu freunden, aber auf einmal lästerten die mädels darüber, daß ich ja mit den jungs gehen wollen würde (nope, wirklich nicht!), und die jungs lehnten mich ab, weil sie mich als mädel identifizierten (nope, auch nicht!). also ließ ich mir die haare wachsen und versuchte, ganz frau zu sein.
mit 14 hatte ich auch meinen ersten freund und mit ihm meinen ersten sex. bis heute nenne ich das, was über ein jahr lang passierte, vergewaltigung - allerdings glaube ich inzwischen, daß es nicht an meinem ex lag, sondern an mir. ich versuchte, die weibliche rolle auszufüllen, und zwar sehr klischeehaft: die immer willige, dem mann zudienende frau. daß das zum scheitern verurteilt war, war mir damals nicht klar, aber es war eine rolle, die mir einfach nicht lag. und der sex war nicht schön, obwohl ich wollte, daß er es ist. rückblickend würde ich sagen, das war einfach nicht ich.
mit 15 oder 16 verliebte ich mich in meine damalige beste freundin. ich hatte ja schon was mit einer anderen freundin gehabt und dachte, ok, jetzt ist es amtlich, ich bin bi! damit hatte ich keine probleme, aber es irritierte mich zutiefst, daß ich für sie fühlte wie ein mann. wenn wir zusammen waren, nahm ich automatisch die "männerrolle" ein (achtung, klischees): beschützend, stark, der "macher", die "starke schulter zum anlehnen". meine freundin hat meine gefühle nie erwidert, aber gemerkt hat sie es doch, wie sie mir in der nacht unseres abiballs sagte (da war ich 19).
mit 17 lernte ich meinen mann kennen - den mann, den ich später auch heiratete und mit dem ich ein kind habe. drei jahre lang war mein gendertrouble kein thema für mich. ich fühlte mich als frau und lebte auch so, allerdings wurde mir ständig bewußt, daß ich sehr viel freier, forscher, direkter und "aggressiver" war als "normale" frauen, wobei ich halt nicht gewalttätig war, sondern einfach agierender und nicht so passiv. daß ich diejenige bin, die immer den ton angibt und nach deren nase es gehen soll.
mit 20 dann kam mein männlicher anteil mit wucht zurück. so heftig, daß ich dem ganzen nicht mehr mit phantasien herr werden konnte. das internet war damals noch ganz jung, aber es gab schon chatrooms. als ich mich das erste mal einloggte, verpaßte ich mir eine männliche identität. für mich fühlte sich das absolut natürlich an und daß ich damit möglicherweise andere verletzen könnte, hatte ich nicht auf dem schirm.
es kam, wie es kommen mußte: ich lernte eine frau kennen und lieben. sie hielt mich einige wochen lang für einen mann, bis wir miteinander telefonierten. meine stimme ist überhaupt nicht männlich. also gestand ich ihr mit herzklopfen, daß ich eine frau sein, während mein gefühl zweifel an dieser tatsache anmeldete. aber ich hatte glück: ihr war das wurscht und wir begannen eine beziehung. für meinen mann war das ok. er wußte, daß ich bi bin, und hat sie akzeptiert.
leider ging die beziehung zu dieser frau in die brüche, allerdings nicht wegen meines gendertroubles, sondern aufgrund der probleme, die sie mit einer poly-beziehung hatte. sehr schmerzhaft, die ganze sache.
im anschluß stürzte ich mich wieder als mann ins internet, achtete aber darauf, nicht wieder in so ein gefühls-chaos zu kommen. damals, 2001, ist auch die identität aufgeformt worden, unter der ich mich hier angemeldet habe: valo.
valo ist bi gewesen, aber ich glaube, heute ist er schwul. wie überhaupt männlich-schwule gefühle für mich seit x jahren thema sind. ich kann wieder nur sagen, daß es sich für mich ganz natürlich anfühlt, wie ein schwuler mann zu fühlen.
valo begleitet mich bis heute. das sind 13 jahre. er ist ein wichtiger, großer teil von mir, genau wie mein weiblicher teil wichtig (aber derzeit nicht ganz so groß) ist. ich weiß, daß ich nicht darüber schreiben kann, ohne irgendwie zu dissoziieren. ich schreibe also von valo und meinem weiblichen teil, als würden sie nicht zu mir dazugehören und als sei "ich" irgendwie was ganz anderes. total merkwürdig. ich kann nur vermuten, daß ich das tu, weil es mir extrem schwer fällt, meine empfindungen unter einen hut zu bekommen.
vor sieben jahren lernte ich als frau meinen zweiten mann kennen und seither leben wir polyamor zusammen. es gibt also keine geheimnisse, kein fremdgehen oder sowas.
seit zwei jahren nun ist valo in mir unglaublich aktiv. so aktiv, daß ich teilweise das gefühl habe, ich platze, wenn ich valo nicht leben kann. es tut weh, ihn nicht zu leben. und je mehr ich über die jahre hinweg versucht habe, ihn zu verdrängen oder mit mir selbst den deal abzuschließen, daß valo halt nur in meiner phantasie leben darf, desto mehr will er raus. er beeinflußt mich sehr und es fühlt sich verdammt gut an, ihn zu leben.
habe mitte 2013 mit meinem frauenarzt versucht, über meine gefühle zu reden. er sagt, das läge am gelbkörperhormon und sei ganz normal. tut mir leid, das fühlt sich überhaupt nicht normal und insgesamt sehr stark und intensiv an. glaube also nicht, daß jede frau das durchmacht.
ende 2013 fand ich dann einen begriff, der mir zu erklären schien, was ich bin: genderqueer. im grunde würde ich sagen, ja, das bin ich. aber es gibt auch dinge, die mich daran zweifeln lassen, ob ich echt "nur" genderqueer und nicht doch trans bin. diese gründe sind:
- seit ich im netz bin (2000) surfe ich immer wieder trans-seiten an. erfahrungsberichte, op-berichte etc.
- beim lesen des testosteron-artikels bei wikipedia mußte ich spontan und heftig losheulen, als ich von bartwuchs, brustschrumpfung und tieferer stimme las. und ich heule sonst nie spontan los. jedenfalls hat mich das heftig gepackt.
- seit 2000 gibt es diesen männlichen anteil sehr aktiv in mir und er läßt sich nicht als bloße phantasiefigur abtun
- ich empfinde wie ein schwuler mann und werde vorrangig von schwuler pornographie angeturnt
- ich identifiziere mich sehr stark mit männern, nicht mit frauen. orientiere mich an ihrem verhalten, ihrer redeweise, schaue männern hinterher
- ich möchte für einen mann gehalten werden und leide darunter, daß das nicht passiert
- ich identifiziere mich überhaupt nicht mehr damit, wenn ich als "frau dingenskirchens" angesprochen werde
seit kurzem habe ich mir den herzenswunsch erfüllt, männerkleidung zu tragen. zum ersten mal seit gefühlten 1000 jahren fühle ich mich in kleidung wohl und achte auch das erste mal seit bestimmt 10 jahren oder länger auf mein aussehen. in der zwischenzeit war mir das piepegal. es fühlt sich gut an, männerkleidung zu tragen - als würde etwas, das bislang nur in mir existierte, endlich nach draußen dürfen. gleichsam halte ich mich nicht für einen transvestiten, denn ich fühle mich nicht wie eine frau in männerklamotten, sondern eben wie ein mann, der endlich die richtige kleidung trägt.
es gibt aber auch dinge, die mich daran zweifeln lassen, ob ich trans bin. diese sind:
- ich hasse meinen weiblichen körper nicht. zwar finde ich meine mens ziemlich lästig (obwohl das durch den gebrauch von naturschwämmchen besser geworden ist), aber meine weibliche anatomie fühlt sich vertraut an. ich mag auch die sexuellen gefühle, die ich habe, obwohl ich keinen vaginalverkehr mehr habe (der mir auch nicht fehlt)
- durch lange, schwere krankheit, die rund 70 op's und fast zwei jahre im krankenhaus umfaßte, stehe ich chirurgischen eingriffen absolut ablehnend gegenüber. für mich käme eine brustentfernung und die ausformung eines penoids nicht in frage. bin mir übrigens sicher, daß es anders wäre ohne meine krasse medizinische vorgeschichte. dazu kommt, daß ich schilddrüsenkrank bin und daher eine hormontherapie wohl ziemlich riskant wäre, da ich halt auch sehr sensibel auf den ganzen hormonkram reagiere (morbus basedow, z.b. radio-jod-therapie)
kurz und gut, mein männlicher anteil ist mir extrem wichtig und er ist verdammt groß geworden, aber ich weiß nicht, ob ich genderqeer oder trans bin. das thema beschäftigt mich schon ewig und berührt mich tief und nachhaltig.
die nächsten drei schritte auf meinem plan:
1. arztgespräch am 23.1. mit meiner allgemeinmedizinerin. möchte sie eigentlich auch um überweisung zu einem psych bitten, weil ich das gefühl habe, mit meinem gendertrouble allein nicht fertig zu werden, obwohl meine partner sehr unterstützend sind
2. arztgespräch am 22.5. (ging nicht früher) mit meiner endokrinologin. möchte rausfinden, wie mein hormonspiegel aussieht und ob der grund für meine gefühle möglicherweise auf hormoneller ebene zu suchen ist
3. den männlichen anteil leben und ausprobieren, wie es sich anfühlt, als mann zu leben. vielleicht etwas kompliziert, da mich niemand mit zwei augen im kopf und einem iq, der größer ist als der einer durchschnittlichen haselnuß, für einen mann halten würde, so von optik und stimme her. aber ich glaube, dieser schritt ist extrem wichtig für meine standortbestimmung.
ja...phew! ich habe das gefühl, ich habe eine ganze menge relevanter dinge vergessen, aber irgendwie ist das thema ja auch sehr komplex und nicht so leicht.
falls ihr gedanken dazu habt oder auch fragen, gern her damit jedenfalls freue ich mich, hier zu sein.
liebe grüße,
valo
bin ganz frisch hier gelandet und möchte mich euch vorstellen. aber erstmal tausend dank dafür, daß es diesen ort hier gibt. habe schon fleißig mitgelesen und möchte euch allen für eure offenheit danken. ihr seid sehr inspirierend.
tja, wo fange ich an? biologisch betrachtet bin ich eine frau. ich bin mitte 30 und lebe mit zwei partnern, unserem kind und ein paar katzen in der nähe von karlsruhe auf dem land. ich bin künstlerin und schreibe, nähe, male und drücke mich überhaupt gern kreativ aus. außerdem mache ich trotz meiner gehbehinderung yoga, photographiere und bin wahnsinnig gern in der weltgeschichte unterwegs. ich mag kultur, historisches, filme (am liebsten thriller, horror und splatter) und musik (tool, a perfect circle, diorama, ...).
soweit also meine "eckdaten". um meine trans-queere-irgendwie-dazwischen-geschichte zu schildern, muß ich wohl etwas ausholen. ich entschuldige mich schon mal dafür, falls das alles etwas wirr und unsortiert klingt - aber das spiegelt dann wohl nur meine gefühle wider...
vor meinem 10. lebensjahr hatte ich keinen namen für das, was ich in bezug auf meine geschlechts- und genderzugehörigkeit fühlte. ich war ich und ende, obwohl mir klar war, daß ich in einem binären system lebte, in dem es männer und frauen und sonst nichts gab. ich habe mich damals schon sehr oft als junge gefühlt und ich denke, ich muß euch nicht erklären, woher man eben einfach weiß, wie man sich fühlt ich war aufgeklärt und mir war bewußt, daß ich offenbar einen weiblichen körper besaß und daß ich eines tages brüste und meine mens bekommen würde.
bereits im kindergartenalter spürte ich, daß ich anders bin als die anderen, die sich scheinbar so ganz easy in ihre genderrollen einfügten - das habe ich nie hinbekommen. ich hatte ab meinem 3. oder 4. lebensjahr phantasiefreunde. heute vermute ich, daß diese - allesamt männlich - einfach nur ein weg waren, meinen männlichen anteil auszudrücken.
mit 7 oder 8 ließ ich mir meine langen haare abschneiden, was dazu führte, daß meine familie mich mit der männlichen variante meines geburtsnamens anredete. ich war empört. ich spürte, daß ich nicht die weibliche variante war, aber die männliche schon gar nicht - für den männlichen teil hatte ich einen ganz anderen namen. aber das kommunizierte ich nicht.
als es mit 11 soweit war und ich tatsächlich meine mens bekam, brach ich heulend zusammen. meine mama mißdeutete das als angst vor dem blut, aber das war es überhaupt nicht. es war nur so, daß ich dachte "scheiße - ich bin zu einem leben als frau verurteilt!".
ungefähr im selben alter wuchsen mir sehr zu meinem schreck dann auch noch brüste. da sie mir beim sport wehtaten, ging meine mama mit mir einem bustier kaufen. ich bin fast gestorben, so peinlich war mir das. und wieder dachte ich, ich sei zu einem leben als frau verurteilt.
wenn ich photos von damals angucke, fällt mir auf, daß ich bis 13 (fast 14) in männlichen klamotten rumlief: dieseljeans, skaterpulli, airwalks. auf photos erkenne ich einen jungen, kein mädel. meine erste (übrigens wunderschöne) sexuelle erfahrung hatte ich mit meiner besten freundin - und es war in der situation klar, daß ich der kerl bin, sie die frau.
mit 14 änderte sich mein styling schlagartig, wie ich heute vermute durch mein stark genderbewußtes umfeld. bis dato hatte ich in der schule eigentlich nur jungs zu freunden, aber auf einmal lästerten die mädels darüber, daß ich ja mit den jungs gehen wollen würde (nope, wirklich nicht!), und die jungs lehnten mich ab, weil sie mich als mädel identifizierten (nope, auch nicht!). also ließ ich mir die haare wachsen und versuchte, ganz frau zu sein.
mit 14 hatte ich auch meinen ersten freund und mit ihm meinen ersten sex. bis heute nenne ich das, was über ein jahr lang passierte, vergewaltigung - allerdings glaube ich inzwischen, daß es nicht an meinem ex lag, sondern an mir. ich versuchte, die weibliche rolle auszufüllen, und zwar sehr klischeehaft: die immer willige, dem mann zudienende frau. daß das zum scheitern verurteilt war, war mir damals nicht klar, aber es war eine rolle, die mir einfach nicht lag. und der sex war nicht schön, obwohl ich wollte, daß er es ist. rückblickend würde ich sagen, das war einfach nicht ich.
mit 15 oder 16 verliebte ich mich in meine damalige beste freundin. ich hatte ja schon was mit einer anderen freundin gehabt und dachte, ok, jetzt ist es amtlich, ich bin bi! damit hatte ich keine probleme, aber es irritierte mich zutiefst, daß ich für sie fühlte wie ein mann. wenn wir zusammen waren, nahm ich automatisch die "männerrolle" ein (achtung, klischees): beschützend, stark, der "macher", die "starke schulter zum anlehnen". meine freundin hat meine gefühle nie erwidert, aber gemerkt hat sie es doch, wie sie mir in der nacht unseres abiballs sagte (da war ich 19).
mit 17 lernte ich meinen mann kennen - den mann, den ich später auch heiratete und mit dem ich ein kind habe. drei jahre lang war mein gendertrouble kein thema für mich. ich fühlte mich als frau und lebte auch so, allerdings wurde mir ständig bewußt, daß ich sehr viel freier, forscher, direkter und "aggressiver" war als "normale" frauen, wobei ich halt nicht gewalttätig war, sondern einfach agierender und nicht so passiv. daß ich diejenige bin, die immer den ton angibt und nach deren nase es gehen soll.
mit 20 dann kam mein männlicher anteil mit wucht zurück. so heftig, daß ich dem ganzen nicht mehr mit phantasien herr werden konnte. das internet war damals noch ganz jung, aber es gab schon chatrooms. als ich mich das erste mal einloggte, verpaßte ich mir eine männliche identität. für mich fühlte sich das absolut natürlich an und daß ich damit möglicherweise andere verletzen könnte, hatte ich nicht auf dem schirm.
es kam, wie es kommen mußte: ich lernte eine frau kennen und lieben. sie hielt mich einige wochen lang für einen mann, bis wir miteinander telefonierten. meine stimme ist überhaupt nicht männlich. also gestand ich ihr mit herzklopfen, daß ich eine frau sein, während mein gefühl zweifel an dieser tatsache anmeldete. aber ich hatte glück: ihr war das wurscht und wir begannen eine beziehung. für meinen mann war das ok. er wußte, daß ich bi bin, und hat sie akzeptiert.
leider ging die beziehung zu dieser frau in die brüche, allerdings nicht wegen meines gendertroubles, sondern aufgrund der probleme, die sie mit einer poly-beziehung hatte. sehr schmerzhaft, die ganze sache.
im anschluß stürzte ich mich wieder als mann ins internet, achtete aber darauf, nicht wieder in so ein gefühls-chaos zu kommen. damals, 2001, ist auch die identität aufgeformt worden, unter der ich mich hier angemeldet habe: valo.
valo ist bi gewesen, aber ich glaube, heute ist er schwul. wie überhaupt männlich-schwule gefühle für mich seit x jahren thema sind. ich kann wieder nur sagen, daß es sich für mich ganz natürlich anfühlt, wie ein schwuler mann zu fühlen.
valo begleitet mich bis heute. das sind 13 jahre. er ist ein wichtiger, großer teil von mir, genau wie mein weiblicher teil wichtig (aber derzeit nicht ganz so groß) ist. ich weiß, daß ich nicht darüber schreiben kann, ohne irgendwie zu dissoziieren. ich schreibe also von valo und meinem weiblichen teil, als würden sie nicht zu mir dazugehören und als sei "ich" irgendwie was ganz anderes. total merkwürdig. ich kann nur vermuten, daß ich das tu, weil es mir extrem schwer fällt, meine empfindungen unter einen hut zu bekommen.
vor sieben jahren lernte ich als frau meinen zweiten mann kennen und seither leben wir polyamor zusammen. es gibt also keine geheimnisse, kein fremdgehen oder sowas.
seit zwei jahren nun ist valo in mir unglaublich aktiv. so aktiv, daß ich teilweise das gefühl habe, ich platze, wenn ich valo nicht leben kann. es tut weh, ihn nicht zu leben. und je mehr ich über die jahre hinweg versucht habe, ihn zu verdrängen oder mit mir selbst den deal abzuschließen, daß valo halt nur in meiner phantasie leben darf, desto mehr will er raus. er beeinflußt mich sehr und es fühlt sich verdammt gut an, ihn zu leben.
habe mitte 2013 mit meinem frauenarzt versucht, über meine gefühle zu reden. er sagt, das läge am gelbkörperhormon und sei ganz normal. tut mir leid, das fühlt sich überhaupt nicht normal und insgesamt sehr stark und intensiv an. glaube also nicht, daß jede frau das durchmacht.
ende 2013 fand ich dann einen begriff, der mir zu erklären schien, was ich bin: genderqueer. im grunde würde ich sagen, ja, das bin ich. aber es gibt auch dinge, die mich daran zweifeln lassen, ob ich echt "nur" genderqueer und nicht doch trans bin. diese gründe sind:
- seit ich im netz bin (2000) surfe ich immer wieder trans-seiten an. erfahrungsberichte, op-berichte etc.
- beim lesen des testosteron-artikels bei wikipedia mußte ich spontan und heftig losheulen, als ich von bartwuchs, brustschrumpfung und tieferer stimme las. und ich heule sonst nie spontan los. jedenfalls hat mich das heftig gepackt.
- seit 2000 gibt es diesen männlichen anteil sehr aktiv in mir und er läßt sich nicht als bloße phantasiefigur abtun
- ich empfinde wie ein schwuler mann und werde vorrangig von schwuler pornographie angeturnt
- ich identifiziere mich sehr stark mit männern, nicht mit frauen. orientiere mich an ihrem verhalten, ihrer redeweise, schaue männern hinterher
- ich möchte für einen mann gehalten werden und leide darunter, daß das nicht passiert
- ich identifiziere mich überhaupt nicht mehr damit, wenn ich als "frau dingenskirchens" angesprochen werde
seit kurzem habe ich mir den herzenswunsch erfüllt, männerkleidung zu tragen. zum ersten mal seit gefühlten 1000 jahren fühle ich mich in kleidung wohl und achte auch das erste mal seit bestimmt 10 jahren oder länger auf mein aussehen. in der zwischenzeit war mir das piepegal. es fühlt sich gut an, männerkleidung zu tragen - als würde etwas, das bislang nur in mir existierte, endlich nach draußen dürfen. gleichsam halte ich mich nicht für einen transvestiten, denn ich fühle mich nicht wie eine frau in männerklamotten, sondern eben wie ein mann, der endlich die richtige kleidung trägt.
es gibt aber auch dinge, die mich daran zweifeln lassen, ob ich trans bin. diese sind:
- ich hasse meinen weiblichen körper nicht. zwar finde ich meine mens ziemlich lästig (obwohl das durch den gebrauch von naturschwämmchen besser geworden ist), aber meine weibliche anatomie fühlt sich vertraut an. ich mag auch die sexuellen gefühle, die ich habe, obwohl ich keinen vaginalverkehr mehr habe (der mir auch nicht fehlt)
- durch lange, schwere krankheit, die rund 70 op's und fast zwei jahre im krankenhaus umfaßte, stehe ich chirurgischen eingriffen absolut ablehnend gegenüber. für mich käme eine brustentfernung und die ausformung eines penoids nicht in frage. bin mir übrigens sicher, daß es anders wäre ohne meine krasse medizinische vorgeschichte. dazu kommt, daß ich schilddrüsenkrank bin und daher eine hormontherapie wohl ziemlich riskant wäre, da ich halt auch sehr sensibel auf den ganzen hormonkram reagiere (morbus basedow, z.b. radio-jod-therapie)
kurz und gut, mein männlicher anteil ist mir extrem wichtig und er ist verdammt groß geworden, aber ich weiß nicht, ob ich genderqeer oder trans bin. das thema beschäftigt mich schon ewig und berührt mich tief und nachhaltig.
die nächsten drei schritte auf meinem plan:
1. arztgespräch am 23.1. mit meiner allgemeinmedizinerin. möchte sie eigentlich auch um überweisung zu einem psych bitten, weil ich das gefühl habe, mit meinem gendertrouble allein nicht fertig zu werden, obwohl meine partner sehr unterstützend sind
2. arztgespräch am 22.5. (ging nicht früher) mit meiner endokrinologin. möchte rausfinden, wie mein hormonspiegel aussieht und ob der grund für meine gefühle möglicherweise auf hormoneller ebene zu suchen ist
3. den männlichen anteil leben und ausprobieren, wie es sich anfühlt, als mann zu leben. vielleicht etwas kompliziert, da mich niemand mit zwei augen im kopf und einem iq, der größer ist als der einer durchschnittlichen haselnuß, für einen mann halten würde, so von optik und stimme her. aber ich glaube, dieser schritt ist extrem wichtig für meine standortbestimmung.
ja...phew! ich habe das gefühl, ich habe eine ganze menge relevanter dinge vergessen, aber irgendwie ist das thema ja auch sehr komplex und nicht so leicht.
falls ihr gedanken dazu habt oder auch fragen, gern her damit jedenfalls freue ich mich, hier zu sein.
liebe grüße,
valo