Beitrag #42
11.06.2012, 15:08
(11.06.2012, 14:03)Mike-Tanja schrieb:
Ich schlage einfach vor, den Sachverständigenbeweis möglichst auf Fälle zu beschränken, in denen den Standesbeamt/inn/en das Bauchgefühl nicht reicht, um dem Antrag sofort stattzugeben, bei einem Antrag von Conchita Wurst etwa.
Bevor Angelika jetzt gleich wieder vor "Beamtenwillkür" warnen wird, ein Wort einer praxiserfahrenen Juristin: das kontroversielle Ergebnis eines Augenscheinsbeweises kann man relativ leicht (etwa in einer Berufung) in Zweifel ziehen. Außerdem sitzt man dabei der/dem Betreffenden gegenüber, was psychologisch zum Konsens animiert, denn eine Niederschrift sollte die Partei ja auch unterschreiben. Wenn ein/e Amtssachverständige/r dagegen (in einem später irgendwann, husch-husch, schnell schriftlich diktierten Gutachten) einmal den Daumen gesenkt hat (und dabei nicht gerade gestümpert hat), ist ein Antrag in der Regel mausetot - und das durch alle Instanzen! Man tauscht lediglich das einfache Risiko von "Beamtenwillkür" gegen das viel größere von "wissenschaftlich verbrämter Beamtenwillkür" (denn auch die/der Amtsärztin/Amtsarzt arbeitet bei der oder für die Behörde).
Angelika wähnt sich hier sicher und setzt wohl auf den Sachverständigenbeweis, weil sie in Wien mit Dr.in Praschak-Rieder jemanden zur Verfügung hat, der tg-freundlich zu sein scheint. Das würde aber etwa den Landeshauptmann von Tirol (ÖVP) nicht daran hindern, jemanden mit starker TG-Skepsis namhaft zu machen - und das Innenministerium würde ihm dabei derzeit sicher nicht in die Parade fahren!
Zum Abschluss ein letztes Statement von mir zu diesem Thema.
Fakt ist, dass eine Änderung des Gesetzes, zum Zweck einer gewissen Absicherung der Betroffenen vor politischer Willkür einer etwaigen anders zusammengesetzten rechtskonservativen Bundesregierung. einer Einstimmigeit im Minisgterrat, sowie einer Mehrheit im Nationalrat bedarf.
Fakt ist, dass das ÖVP-geführte BMI in all den bisherigen Diskussionen keinerlei bereitschft gezeigt hat das Namensrecht zu liberalisieren und im Personenstandsrecht sich gerade soviel bewegt, wie es vom VwGH vorgegeben wurde. Die Versuche einer Aushebelung dieser VwGH-Erkenntnisse, bzw. einer massiven Kostenerhöhung für die AntragstellerInnen konnten bisher, dank der für das Thema von SPÖ-Seite zuständigen Frauenministerin, verhindert werden.
Fakt ist aber auch, dass es innerhalb der Regierungfskoalition eines Kompromisses bedarf um zu einer gesetzlichen Festschreibung zu kommen.
Und dieser Kompromiss verlangt eben die Vorlage fachärztlicher Gutachten.
Und ja, ich stehe zu diesem Kompromiss. Vor allem, da hier keine zusätzlichen Gutachten, als jene, die Betroffene auch für die Kostenübernahme der HRT durch die KK benötigen, angesprochen werden.
Und wenn das BMI gerne gewisse Formulierungen lesen will, so sollte es für die behandelnden Fachleute doch ein leichtes Sein, diese Formulierungen zu verwenden, wenn die Diagnose TS lautet und sie mit einer HRT einverstanden sind, bzw. diese sogar befürworten.
Wir können uns jede weitere Liberalisierung wünschen, nur mehr ist eben derzeit nicht umsetzbar.
Ich habe es schon mehrfach erwähnt. Gebt der SPÖ eine absolute Mehrheit, oder sorgt dafür, dass SPÖ und GRÜNE gemeinsam eine Regierungsmehrheit im Nationalrat haben, und dann wird es möglich sein viele Dinge, wie z. B. auch eine Liberalisierung im Namensrecht, umzusetzen, die derzeit eben nicht umsetzbar sind.
Politik ist die Kunst des Möglichen. Und dieses Mögliche habe ich stets versucht auszuschöpfen.
Unter den derzeitigen Gegebenheiten unerfüllbare Forderungen zu stellen, ist zwar erlaubt, trägt aber nicht unbedingt dazu bei ernst genommen zu werden und etwas zu erreichen. Es sei denn, man wäre ohnehin nicht an einer Lösung interessiert, da einem diese die Möglichkeit des Jammerns und des Selbstmitleides nehmen würde.
Ach ja, und im Übrigen gibt es bei uns auch noch das Prinzip der freien Arzt- bzw. Gutachterwahl. Werden also bereits entsprechende Gutachten vorgelegt, die den Sachverhalt klar darlegen, ist die Behörde nicht bereichtigt auf Kosten der ANtragstellerInnen weitere Gutachten zu fordern. Siehe dazu das VfGH-Urteil vom Dezenber 2009.
Und damit habe ich zu diesem Thema alles gesagt und ziehe mich auch aus dieser Diskussion zurück.