Kontakt via Internet
RE: Kontakt via Internet
Beitrag #31
(16.11.2011, 15:10)ChrissieWien schrieb: So, jetzt darfst du wieder das letzte Wort übernehmen. Big Grin

...das vorläufig vorletzte, aber jetzt geht es richtig los:

Benutzt zu werden ist in Belangen von Beziehungen zwar eine typisch weibliche Formulierung ("Er hat mich nur benutzt"), in erotischer Hinsicht aber ein Ausdruck des Masochismus und der ist bei Frauen ein größeres Tabuthema als bei Männern.

Grundsätzlich kann jede und jeder dominant, neutral, submissiv oder mal dies mal jenes sein, oder Frauen für höhere Wesen halten, für gleichwertig oder für die Rückkehr der traditionellen Rollenverteilungen eintreten. Das eine in erotischer, das Gegenteil in politischer Hinsicht denken, oder das gleiche. Wir können uns für Männer, für Frauen oder für beide interessieren oder für niemanden. Auch extreme politische Einstellungen, Armut, Reichtum, glückliche oder harte Kindheiten, mutige oder vorsichtige Naturen - all diese Faktoren sind kein Schutz vor unserer Krankheit. Daher findet sich die ganze Palette der Menschen auch unter den transsexuellen Menschen - und deswegen ist Transsexualität eine Krankheit und ihre Depathologisierung fachlich meines Erachtens falsch. Wäre es ein Lifestyle, würde es ja nur oder besonders überwiegend Leute betreffen, die sich halt mal eben gern verkleiden oder ein grundsätzliches Problem mit gesellschaftlichen Zwängen aller Art haben. Also tendenziell eher "Linke" oder besonders extrovertierte, "schrille" Leute.

Dabei haben diese Dinge außer einer wie auch immer gearteten Bewegung von einem Geschlecht in das andere (oder dem anderen in das eine) vielleicht überhaupt nichts miteinander gemeinsam, außer daß wir z.B. gemeinsame praktische Probleme in Bezug auf das Passing haben. Gleichzeitig wirkt es allerdings wie ein und das selbe, mit der Transsexualität nur als schwerste Form der gleichen Sache. Das liegt nun aber meiner Meinung nach zum Teil wohl auch darin, daß Transvestitismus von einer Partnerin zunächst leichter zu "verkraften" ist als Transsexualität. Und so dienen Besuche z.B. von entsprechenden Clubbings usw. oft als erste Möglichkeit (abseits von Faschingsfesten), zumindest in einer eingeschränkten Öffentlichkeit die ersten Schritte als Frau zu machen. Es ist dann also die Travestie eine Art Tarnung für die Transsexualität und dadurch entsteht der - irreführende - (womöglich sogar für den Betroffenen selbst irreführende) Eindruck, daß manche Leute eine "Karriere" vom "DWT" zum TV usw. bis hin zur TS durchlaufen und dies daher eben das im Grunde Gleiche in unterschiedlicher Intensität sein könnte.

Nun zu dem, was mir dann zu Angelikas deutlicher Ablehnung eingefallen ist, als ich mir gedacht habe, daß sie dafür wohl einen Grund hat. Vielleicht den, daß die Frauen ja in der Vergangenheit besonders stark und in der Gegenwart immer noch "benutzt" werden - zumindest im Sinne von ausgenutzt. Und das sowohl in alltäglicher als auch sexueller Hinsicht und daß es nur eine dünne zivilisatorische Schicht ist, die die beide Bereiche "privat" und "öffentlich" voneinander trennt.

Es ist auch nicht so, daß die totale Unterdrückung der Frau gar so lange her wäre und es ist auch nicht für die Frauen unerheblich, wie sich eine einzelne Frau verhält, ob sie die eine oder andere Art der Unterdrückung zuläßt. Die Frauen haben da sehr wohl eine Verantwortung ihrem gesamten Geschlecht gegenüber, so wie "Streikbrecherinnen" eben die Streikenden und deren Position natürlich schwächen. Alle Frauen zu zwingen, sich nicht dem Manne unterzuordnen, wäre zwar ein zu großer Eingriff in die persönliche Freiheit der einzelnen Frau; sie zu kritisieren, oder sie zu überzeugen, sich nicht versklaven zu lassen, ist aber aus dieser Sicht legitim. Denn wenn zu viele Frauen das zulassen, ist es denen, die das nicht wollen, ebenfalls faktisch nicht mehr möglich, sich effektiv zu wehren, weil es dann eben gesellschaftliche Norm wird.

Außer in exotischen Ländern, wo "umoperierte Männer" (also nicht unbedingt Transsexuelle, wie wir sie definieren würden) einen finanziellen Anreiz haben und als Prostituierte oder Ehefrau bessere wirtschaftliche Aussichten haben können als als Mann, ist der Weg M2F ein Weg von einem privilegierten zu einem unterprivilegierten Geschlecht. Dennoch gibt es mehr M2F als F2M. Angelika würde jetzt vielleicht vermuten, daß die unsensiblen Männer sich der Benachteiligung der Frauen eben nicht bewußt wären und ihnen ein böses Erwachen prophezeien. Ich hab darüber noch nicht weiter nachgedacht (...allgemeines Aufatmen in der Runde? ;-) ), also belasse ich es bei der Feststellung oder werte es als weiteres Indiz dafür, daß Transidentität eine Krankheit ist und keine Methode, die eigenen Lebensumstände in unseren Breiten wegen des Pensionsalters oder der Wehrpflicht zu verbessern. Was es auf alle Fälle als etwas qualifiziert, das eine Unterstützung der Krankenkasse qualifiziert, ist daß a) die Therapie größere psychische oder selbst zugefügte körperliche Schäden verhindern kann, sich also insgesamt auszahlt und b) daß man es sich nicht aussucht.

Ebenfalls interessant finde ich die Widersprüche, die sich aus feministischer Sicht in Bezug auf die Transsexualität ergeben. Die ersten Erklärungen - so auf Sigmund-Freud-Niveau - waren, glaube ich, daß TS Männer sind (F2M war offenbar gar kein Thema), die sich lieber "unterwerfen" würden, weil die Unterlegenheit und Untergeordnetheit der Frau damals als so selbstverständlich hingenommen wurde. Will also ein Macho durch den Abstieg zur Frau eine Art Buße tun? Will sich ein Femdom-Anhänger verbessern, indem sie sich dem vermeintlich überlegenen Geschlecht annähert? Fühlen sich Feministinnen beleidigt, wenn ein Mann sich scheinbar freiwillig dem unterdrückten, schwachen Geschlecht anschließen will?
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