Ein paar liebe Worte an Menschen auf ihrem Weg
Ein paar liebe Worte an Menschen auf ihrem Weg
Beitrag #1
Guten Tag,

zu Beginn dieses Jahres war ich hier etwas aktiv und habe mich dann zurückgezogen.

Einerseits deshalb, weil ich mich nicht als Teil einer Community oder fast schon Szene sehe. Ich möchte endlich die Frau werden die ich bin und dann nie wieder zurück schauen, sondern nur nach vorne. Deshalb werde ich mich weder irgendwo engagieren noch etwas Anderes tun, das mich mit dem Thema Transidentität in Kontakt bringt.

Anderseits veranlasste mich die Überheblichkeit von Menschen, die sich selber mir gegenüber als Vorbild - und mich als ihre Patientin bezeichnen. Dazu kann ich nur sagen, ich bin Patientin meiner Ärzte und Therapeuten, aber von niemandem auf diesem Forum hier!! Und jemand der ein Bild von seiner Vergangenheit als Mann ins Internet stellt, ist für mich kein Vorbild, weil meine Vorstellung meines zukünftigen Lebens fernab meiner Vergangenheit steht.

Dritte Sache, ich hatte genug oft gebeten, dass hier nicht irgendwelche Spaßvögel mit anderen psychiatrischen Problemen in Schutz genommen werden, auf Kosten derer, die hier wirklich Hilfe suchen. Und wie ich sehe hat sich nichts getan, ich fühle mich in meinem Abgang also bestätigt.

Nun denn, auf eine Bitte von manchen Menschen die mir durch diese Zeit helfen, möchte ich mich für einen letzten Beitrag melden. Er ist an all diese Leute gerichtet, von denen man hier wirklich erkennt, dass es ihnen ernst ist. Bisher ist mir so z.B. vor allem die Sandra aus Graz aufgefallen, von der man regelmäßig liest, wie es in ihrer Therapie weitergeht. Ich bin mir aber sicher, dass es einige mehr hier gibt, die ich aber nicht kenne weil ich hier nicht anwesend bin. Ich denke aber nicht, dass dieser Beitrag an Leute gerichtet ist, die sich nicht für einen einzigen Namen entscheiden konnten. Auch nicht an Leute, die nur teilweise als Frau leben, Transvestiten, CD oder andere die nicht in professioneller Therapie sind! Danke für das Verständnis, dass ich einmal von Frau zu Frau schreiben möchte.

Also. Ich möchte euch ein paar Dinge mitgeben, gerade den Menschen die im „Alltagstest“ sind. Es ist vielleicht etwas viel, aber wer wirklich sein Ziel erreichen will, muss viel investieren an Zeit!

Erstens: Schaltet euren Kopf aus! Ich lebe seit Jahren als pre-OP Frau aber traute mich nie ins öffentliche Bad oder so. Mittlerweile mehrmals wöchentlich. Es ist zu Beginn etwas komisch, man sieht sich erst mal vorsichtig um aber man merkt sehr schnell, niemandem fällt etwas auf! So lange ihr euch sicher gibt und nicht anfangt nervös herumzusehen, wird euch niemand „scannen“. Und bevor ihr nicht gescannt werdet, hat ein Blick zwischen eure Beine von niemandem etwas verloren! Und glaubt mir, im Freibad gibt es sehr viel hässlichere Menschen zu betrachten, als Frauen die einen Penis zwischen ihren Beinen fein säuberlich nach hinten gelegt haben. Ich trage keine Badekleider oder Badeanzüge, sondern wirklich Bikinis und niemand merkt etwas! Also verzichtet nicht länger auf euer Leben und macht das, worauf ihr als Frau Lust habt! Und habt ihr Angst davor, in Schwierigkeiten zu geraten, fragt eure Therapeuten nach irgendwelchen Ausweisen oder Papieren die euch zu Recht verschaffen.

Zweitens: Die Welt ist nicht mehr so hart wie ihr glaubt. Es gibt viele Stories, gerade von Leuten aus früherer Generation, die praktisch nur auf Unmissverständnis stoßen in ihrem Umfeld. Freunde, Familie, Job… ich habe viel gehört und ich möchte mein absolutes Mitgefühl darlegen! Gleichzeitig möchte ich euch aber auch eine Geschichte erzählen, wie es anders sein kann. Ganz ehrlich… ich denke jede/r von uns hat auf ihrem/seinen Weg einen Menschen verloren, den sie/er sehr geliebt hat. Das blieb auch mir nicht erspart und ich denke, niemandem der diesen Weg ehrlich beschreitet, wird um einen solchen Verlust herum kommen, egal in welchem Alter die Anpassung geschieht. Aber generell möchte ich sagen, nebst dem, dass all meine Freunde mich sowieso nur als Frau kannten, hat jede einzelne Person in der Arbeit überaus herzlich reagiert! Die Menschen behandeln mich nicht anders als meine Kolleginnen. Da muss man sich schon einiges an Anmachsprüchen anhören oder mal aufn Hintern klopfen lassen Smile Aber andersrum wird man dann auch wieder zum Essen und Trinken eingeladen und der Koffer wird einem abgenommen. Als Frau habe ich eine höhere Position im Unternehmen erhalten und bekomme Unterstützung bis in die alleroberste Etage! Meine Mutter akzeptierte mich sofort als ihre Tochter. Seitdem ich sie damals anrief und ihr das sagte, nannte sie mich nie wieder bei meinem Geburtsnamen!
Ich möchte euch einfach zeigen, wie gut ein Umfeld reagieren kann, um euch auch etwas die Angst zu nehmen. Wichtig ist, dass ihr den Leuten zeigt, wer ihr seid. Und ganz, wirklich außerordentlich wichtig finde ich, dass ihr eine klare Linie fährt! Das bedeutet, ich würde es nicht akzeptieren, wenn mich jemand bei meinem alten Namen nennt. Da wäre der Kontakt weg! Dafür gebe ich den Menschen auch Zeit, zu verstehen. Ich beantworte ihnen alle, alle Fragen. Aber nur eine gewisse Zeit lange. Sie können nicht in einem halben Jahr noch immer mit Fragen daher kommen. Dann müssen sie dann halt alleine damit klarkommen. Ich habe genug andere Sorgen, als dass ich jedem einzelnen in meinem Umfeld noch dabei helfen könnte, seine Sorgen die er mit mir hat zu verarbeiten.

Letztens: Ich habe hier einen Link gesehen wo irgendeine Person vor der OP warnt oder es bereut hat oder was weiß ich. Halte ich für absoluten Schwachsinn. Es gibt einige Gründe dafür, dass Leute aus falschen Anlässen eine OP machen lassen. Dazu geht man ja auch in Therapie und all das, damit – auch wenn eben nie 100% - doch irgendwie sichergestellt sein kann, dass es bei euch nicht aus so einem Grund passiert. Wenn ich in meinem Kopf ein Typ bin, der sich am liebsten auf ne Tussi drauf legt und so richtig losknallt, ja dann brauche ich sicher keine OP. Aber wenn man bei der Selbstbefriedigung schon alles versucht, um das „Teil“ herum zu mastubieren (auch da kann man sehr kreativ werden) oder es versucht so weit herunterzudrücken, dass es so aussieht als wäre gar nichts da, dann glaube ich wird ne OP doch eher Bestand haben. Wer glaubt nach der OP wird alles anders sein, der sollte einfach erst mal noch auf den Boden der Tatsachen zurück kommen. So wie ich in der Vergangenheit Menschen wegen diesem Thema verloren habe, genauso kann es mir wieder geschehen, auch wenn ich operiert bin. Das wichtigste für mich ist aber, dass ich den Menschen die ich gerne habe nicht mehr eine Person vorspielen muss, die ich ihnen eigentlich gar nicht bieten kann. Mein OP Termin nächstes Jahr ist fix und ich zahle privat. Nicht zuletzt durch dieses Forum und den Fakt, wie „viele“ OPs in Österreich jährlich verteilt auf die Chirurgen durchgeführt werden, habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Keine Lust für Experimente.

Ja das war’s jetzt. Ich wünsche all jenen, die ihren Weg auf gesunde Weise gehen sehr viel Kraft und vor allem Geduld. Ich weiß wie hart es ist, wie alleine man damit ist. Es geht vorbei, es geht alles vorbei. Heute in einem Jahr, heute in zwei Jahren vielleicht. Und dann steht ihr da und könnt endlich, endlich anfangen euer echtes Leben zu leben. Ich werde mich nicht wieder einloggen. Alles Gute!
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Ein paar liebe Worte an Menschen auf ihrem Weg - von Tanja-123 - 05.08.2012, 18:43

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