Beitrag #24
17.02.2014, 18:21
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 17.02.2014, 18:28 von Mike-Tanja.)
(16.02.2014, 16:06)Eva_Tg schrieb: Ich weiß das ich jetzt perntrant bohre, aber mich würde die juristische Antwort echt interessieren.
Was passiert, wenn das Recht mit meiner Würde zusammenstößt?
Fakt ist, so wie ich jetzt aussehe und lebe, kann ich unmöglich aufs Männerklo ohne mich zwangsläufig als transsexuell zu outen. Also müßte ich mich praktisch so herrichten das ich wie ein Mann aussehe (soweit das überhaupt noch möglich ist), um unbehelligt das Männerklo benutzen zu können. Das wäre aber ein massiver Eingriff in mein Leben und meine Persönlichkeit, wenn ich das tun müßte.
Was sagt man juristisch dazu? [hier gekürzt]
Die österreichische Verfassungsrechtsordnung kannte die "Würde des Menschen" bisher nicht als zentralen Begriff. Nach der neuesten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, der die EU-Grundrechtecharta (GRC) gleichsam als Teil in den nationalen Grundrechtekanon integriert hat, gilt Artikel 1 GRC ("Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen"), der klar erkennbar dem Bonner Grundgesetz (GG) nachempfunden ist, auch in Österreich. Ob das praktische Auswirkungen haben wird, kann ich nicht sagen. Rechtsprechung dazu gibt es aber bisher keine. Jedenfalls hat der von mir im Eingangsposting zitierte erste Satz des § 16 des ABGB (aus der Stammfassung von 1811/1812) in der rechtlichen Praxis ähnliche Wirkungen.
Für die genaue Erläuterung der Rechtslage in Deutschland halte ich mich nicht für ausreichend kompetent. Ich kenne etwa die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 1 Abs. 1 GG nicht im Detail.
Ich glaube aber nicht, dass die Menschenwürde mit rechtlichen Regelungen im Konflikt steht, die dychotomisch zwischen "Mann" und "Frau" unterscheiden, obwohl es eine klare Tendenz dahin gibt, diese Unterscheidung aufzuweichen. Daraus folgt, dass rein rechtlich eben im Zweifelsfall das Registergeschlecht zählt.
Wäre das nicht so, hätte ich mir meine Abhandlung sparen können. Ich setze daher u.a. beim Begriff der "Schicklichkeit" an. Würde man die Gleichung "amtlicher Mann am Damenklo" = "schickt sich keinesfalls" aufstellen, dann würde sich jede/r der Verletzung des öffentlichen Anstands schuldig machen, der bei einer Beanstandung nicht einen Ausweis mit dem entsprechenden Eintrag herzeigen kann. Wie schon gesagt, ich vertrete aber nicht diese Ansicht! Man könnte sogar sagen, dass durch die von mir vertretene Ansicht, dass eine TG, die sich auf der Damentoilette sozial korrekt benimmt, unabhängig vom Geschlechtseintrag in ihrem Ausweis, nicht den öffentlichen Anstand verletzt, die entsprechenden Gesetze (wie die §§ 11 ff des Tiroler Landes-Polizeigesetzes) verfassungskonform (--> Art 1 GRC) ausgelegt werden, da die umgekehrte Lösung ("Ab aufs Herrenklo!") gegen die Menschenwürde wäre. Mag sein, dass manche oder sogar viele Menschen dies zwar immer noch als unschicklich empfinden, auf keinen Fall ist es aber m.E. der vom Gesetz zur Strafbarkeit geforderte grobe Verstoß "gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit".
Das Problem von Eva_Tg ist aber aus meiner Sicht weder das Gerichts- noch das Verwaltungsstrafrecht (das, was in Deutschland afaik als "Ordnungswidrigkeitenrecht" bezeichnet wird) sondern das komplizierte Verfahren nach dem deutschen TSG, das die Anerkennung des Identitätsgeschlechts erschwert, verzögert und unnötig teuer macht.
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! -