Beitrag #23
13.06.2014, 11:31
(12.06.2014, 16:58)Cappuccetto schrieb: Was wiederum nur eines beweist: Shit sells!
Ja...nein! Man sollte meiner bescheidenen Meinung nach nicht den Fehler machen, heutige Maßstäbe von Gruppen(selbst)bewusstsein und, ähem, political correctness an eine gut hundert Jahre alte Boulevardkömödie anzulegen! Das kann nicht gutgehen!
Ich glaube, viele Hosenrollen und die ganz wenigen "Rock"-Rollen am Theater haben schon oft damit zu tun, an Tabus zu kratzen. Abgesehen davon, dass bei vielen dieser Sujets unglaubwürdig schnelle Rollenwechsel vorkommen, waren Anspielungen auf männliche wie weibliche Homosexualität im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert einfach nicht anders auf die Bühne zu bringen. Darstellerinnen durften in "Hosenrollen" als Mann auftreten (eine Tradition, die im Musiktheater auch auf die Kastratensänger des 18. Jahrhunderts zurückgeht, die eine weibliche Stimmlage hatten), Männer durften in "Travestierollen" auch mal als Frau auf die Bühne (mir fällt spontan allerdings nur eine Opernpartie für einen Sänger ein, der auf der Bühne eine Frau - also nicht nur einen als Frau verkleideten Mann! - darstellt).
Natürlich hat das Publikum sich damit auch über Schwule, Lesben und Bisexuelle amüsiert (dass es so etwas wie Trans*Menschen überhaupt gibt, ist eine erst nach 1950 aufgekommene und erst nach 1980 zum Allgemeinwissen zählende Erkenntnis!). Ohne den Hinweis "Es ist doch nur Spaß!" wäre man an Verboten gescheitert. Als z.B. "Some Like It Hot" gedreht wurde (1959), galt noch der Hays Code, und ohne die Zustimmung der Zensoren des Branchenverbandes MPPDA hätte der Film in keinem Kino gezeigt werden dürfen. Überlegt doch einmal, die allein durch Verkleidung bedingte Situationskomik ( --> Charlies Tante) ist oft nur platt! Der eigentliche Reiz geht von der Vorstellung aus, dass da z.B. ein Mann im Wissen um die Verkleidung einen Mann küsst, weil ihm die äußere Erscheinung seines Gegenübers den sozialen Vorwand liefert ("Bitte, ich habe es nicht bemerkt!"), oder es ihm, wie Osgood Fielding III. in Billy Wilders "Some Like It Hot", schlicht und einfach wurscht ist.
Das Publikum konnte sich also zur größeren Hälfte auf die Schenkel klopfen ("Huch, diese Perversen!"), zur kleineren Hälfte ins Fäustchen lachen, es trotz Zensur in irgendeiner Form auf die Bühne oder Leinwand geschafft zu haben. Und diese Präsenz ist meines Erachtens immer auch ein kleines Stück des Wegs in Richtung Anerkennung und Normalität!
Noch zwei Zitate aus den "Trivias" auf IMDB, nur um zu zeigen, welche Probleme selbst eine harmlose Komödie wie "Some Like It Hot" ihren Produzenten einst machen konnte:
Zitat:One of the few American movies ever given a "Condemned" rating by the Roman Catholic Legion of Decency.
Upon its original release, Kansas banned the film from being shown in the state, explaining that cross-dressing was "too disturbing for Kansans".
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