Beitrag #3
22.08.2014, 23:38
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28.08.2018, 07:12 von Bonita.
Bearbeitungsgrund: Anmerkung
)
Nach langer Zeit poste ich hier mal wieder was, da ich hier aus aktuellem Grund gut etwas dazu sagen kann.
In Deutschland und auch Österreich heißt es ja eigentlich immer "JA keine Stimm-OP" und "unbedingt NUR Logopädie", sobald dieses Thema aufkommt. Ich möchte eine etwas andere Perspektive aufzeigen. Gleich vorweg: Ich möchte hier keine Werbung für eine Operationstechnik machen, sondern von meiner Erfahrung berichten. Jeder muss sich selbst überlegen, was für ihn gut ist!
Ich habe vor fast 5 Jahren angefangen, meine Stimme zu trainieren. Das war mir von Anfang an sehr wichtig, weil ich der Meinung bin, dass bei Transfrauen für ein erfolgreiches Passing und damit Leben im Alltag vor allem die Faktoren Gesicht und Stimme wichtig sind. Außerdem habe ich beruflich mit Musik und Ton zu tun und habe mir daher ein sehr feines Gehör antrainiert, welches sich letztendlich als Fluch herausstellte. Mit einer permanent überkritischen Kontrollinstanz, die die eigene Stimme analysiert und mit "echten" Frauenstimmen vergleicht, kann man sich einfach nicht selbst als Frau wahrnehmen! Daher trainierte ich äußerst motiviert und diszipliniert; zunächst selbständig unter Zuhilfenahme von so ziemlich sämtlichen Anleitungen und Kursen, die das Internet damals hergab (Andrea James, Melanie Anne Phillips, Kathe Perez, etc. etc.). Später nahm ich auch die Hilfe zweier verschiedener Logopädinnen in Anspruch, die Expertinnen auf diesem Gebiet sind. Und es trug Früchte - meine Stimme funktionierte im Alltag, sogar am Telefon, Therapeuten und andere Experten lobten mich für meine gut trainierte Stimme, ich wurde sogar Vorbild für manch andere Transfrauen und hielt auch einen Vortrag in einer therapeutischen Gruppe zum Thema Stimme. Das half mir im Endeffekt aber wenig, denn:
- Das Aufrechterhalten einer für mich wirklich weiblich klingenden Stimmlage war mir zwar bei logopädischen Übungen oder dem kurzen Vorlesen von Texten möglich, aber für den Alltag war es bei meiner tiefen Ausgangsstimmlage viel zu anstrengend.
- Die Stimme, die ich bei der täglichen Konversation aufrechterhalten konnte (und auch das war anstrengend), nahm ich selbst nicht als wirklich weiblich wahr (siehe oben bei "Gehör"), obwohl sie meine Mitmenschen nicht weiter zu stören schien.
Diese beiden Faktoren machten für mich jedes Gespräch zu einer anstrengenden Tortur - sowohl physisch als auch psychisch. Das musste ich ändern, aber wie? Eine herkömmliche Stimmoperation (Cricothyroidopexie) kam für mich nicht in Frage, denn die Resultate sind sehr schwer vorhersehbar und die Risiken groß.
Eher zufällig stieß ich auf eine andere Operationstechnik, die zwar alles andere als neu ist, aber erst jetzt langsam dabei zu sein scheint, auszureifen und populärer zu werden. Sie heißt nach ihrem Erfinder "Glottoplastik nach Wendler" oder je nach Operateur auch "anterior web formation", "advancement of the anterior commissure" oder bekommt schicke Abkürzungen wie schlicht VFS (voice feminization surgery). Das Prinzip ist einfach: Anstatt wie bei anderen Operationstechniken die Stimmbänder zu spannen (wobei der Kehlkopf geöffnet und an den Stellknorpeln gearbeitet werden muss), wird die Tonhöhe gesteigert, indem der schwingende Anteil der Stimmbänder einfach verkürzt wird. Das wird dadurch erreicht, dass man sie im vorderen Drittel (dort wo sie zu einem "V" zusammenlaufen, miteinander vernäht. Man kann diesen Eingriff ohne Narben endoskopisch durch den Mund durchführen. Dabei wird entweder ein CO2-Laser oder Mikroskalpelle verwendet, um den zu verbindenden Teil zu deepithelisieren, und danach wird eine Naht gesetzt. Diese muss bis zur Heilung sehr fest halten, weil die Stimmbänder ständig unter Zug sind und kann daher mit Fibrinkleber verstärkt werden. Zumindest ein Operateur in Südkorea setzt aus demselben Grund überhaupt gleich eine permanente Naht. Nach dem Eingriff (der recht schnell vonstatten geht, aber einer Vollnarkose bedarf) darf man einige Zeit überhaupt nicht sprechen, um die Naht nicht zu belasten. Danach kann man nur sehr langsam und allmählich wieder mit dem Sprechen beginnen. Eine akzeptable Stimme ist frühestens nach 2 Monaten zu erwarten, und auch danach verbessert sie sich erst langsam weiter. Wenn die Verbindung der Stimmbänder (diese wird "anterior web" genannt) während der Heilung gut hält, ist das Ergebnis permanent. Die Stimmhöhe (F0) kann mit dieser Methode durchschnittlich um 75Hz erhöht werden, was bei den meisten Transfrauen ausreichend ist, um sie in den durchschnittlichen weiblichen Sprechbereich (200Hz) zu bringen. Allerdings kann auch diese Methode nicht die Resonanz ändern, denn diese ist durch die Größe des Kehlkopfs und der Resonanzräume im Schädel bedingt. Die Risiken sind gering - außer (seltenen) Entzündungen im Heilungsprozess und dem vorzeitigen Lösen der Naht kann nicht viel passieren.
Ich habe mich dazu entschieden, eine Glottoplastik durchführen zu lassen, aber mit realistischen Erwartungen:
- Ohne Stimmtraining macht so eine Operation wenig Sinn, denn für die erhöhte Stimmlage braucht man die richtige Resonanz. Man sollte schon vor der OP wissen, wie man diese erzeugt, sonst kann man mit der neuen Stimme wenig anfangen.
- Die Stimme klingt im Vergleich zur physiologischen (Männer-)Stimme natürlich sehr anders, aber im Vergleich zu einer gut antrainierten Frauenstimme sind die Unterschiede recht subtil (klar, denn die Resonanz ändert sich nicht).
- Das Schöne (und für mich Ausschlaggebende) daran ist aber, dass man sich nach der OP nicht mehr bewusst anstrengen muss, um die weibliche Stimmlage zu erreichen. Außerdem kann man einen Großteil der tiefen Männerstimmlage gar nicht mehr erzeugen.
Weltweit scheinen gerade zwei Operateure führend auf diesem Gebiet zu sein: Prof. Marc Remacle am UCL Mont-Godinne in Belgien sowie Dr. Kim vom Yeson Voice Center in Seoul (Südkorea). Nach langem Überlegen habe ich mich für die europäische Variante entschieden.
Die Operation wurde am 18. Juli durchgeführt; sie ist gut verlaufen und ich habe im selben Eingriff auch gleich eine Chondrolaryngoplastik (Abschleifen des Schildknorpels) vornehmen lassen. Nun bin ich gerade mitten in der Heilungsphase (1 Monat und 4 Tage) und bisher recht zufrieden. So richtig sprechen kann ich erst seit Mitte letzter Woche, aber meine Stimme ist noch recht heiser und schwach. Außerdem ist sie noch tiefer als das voraussichtliche Endresultat, da im Moment die Stimmbänder noch etwas geschwollen sind. Auch Teile der selbstauflösenden Nähte und Fibrinkleber habe ich noch an meinen Stimmlippen; diese sollten aber in nächster Zeit verschwinden.
Hier nun zur Veranschaulichung einige Stimmaufnahmen:
- Physiologische Männerstimme (vor HRT und Fulltime), durchschnittl. 120Hz: http://vocaroo.com/i/s0QFbtWn8PfA
- Männerstimme (nach 2 Jahren HRT und Fulltime), durchschnittl. 177Hz: http://vocaroo.com/i/s18GGGXZ9K65
- Trainierte weibliche Alltagssttimme, durchschnittl. 210Hz: http://vocaroo.com/i/s1wU59uqwwF4
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
- Stimme ca. 1 Monat nach der Glottoplastik, durchschnittl. 212Hz: http://vocaroo.com/i/s0Cb3VwDeTbr
ANMERKUNG: die Dateien sind ab hier anzuhören: http://community.transgender.at/showthre...0#pid50960
Der Unterschied im Klang ist im Vergleich zur antrainierten Frauenstimme subtil, aber für mich sehr befriedigend. Am besten finde ich es aber, dass ich mich überhaupt nicht anstrengen muss, um diesen Klang zu erreichen. Ich bin gespannt, wie sich meine Stimme in den nächsten Wochen weiterentwickelt. So sehen meine Stimmbänder 1 Monat nach dem Eingriff aus:
Das Bild ist aufgrund der transnasalen Aufnahmetechnik nicht sehr hochauflösend, aber man kann gut erkennen, dass die Stimmlippen im vorderen Drittel vernäht sind. Die Naht ist noch teilweise mit Fibrinkleber (grau) bedeckt.
In Deutschland und auch Österreich heißt es ja eigentlich immer "JA keine Stimm-OP" und "unbedingt NUR Logopädie", sobald dieses Thema aufkommt. Ich möchte eine etwas andere Perspektive aufzeigen. Gleich vorweg: Ich möchte hier keine Werbung für eine Operationstechnik machen, sondern von meiner Erfahrung berichten. Jeder muss sich selbst überlegen, was für ihn gut ist!
Ich habe vor fast 5 Jahren angefangen, meine Stimme zu trainieren. Das war mir von Anfang an sehr wichtig, weil ich der Meinung bin, dass bei Transfrauen für ein erfolgreiches Passing und damit Leben im Alltag vor allem die Faktoren Gesicht und Stimme wichtig sind. Außerdem habe ich beruflich mit Musik und Ton zu tun und habe mir daher ein sehr feines Gehör antrainiert, welches sich letztendlich als Fluch herausstellte. Mit einer permanent überkritischen Kontrollinstanz, die die eigene Stimme analysiert und mit "echten" Frauenstimmen vergleicht, kann man sich einfach nicht selbst als Frau wahrnehmen! Daher trainierte ich äußerst motiviert und diszipliniert; zunächst selbständig unter Zuhilfenahme von so ziemlich sämtlichen Anleitungen und Kursen, die das Internet damals hergab (Andrea James, Melanie Anne Phillips, Kathe Perez, etc. etc.). Später nahm ich auch die Hilfe zweier verschiedener Logopädinnen in Anspruch, die Expertinnen auf diesem Gebiet sind. Und es trug Früchte - meine Stimme funktionierte im Alltag, sogar am Telefon, Therapeuten und andere Experten lobten mich für meine gut trainierte Stimme, ich wurde sogar Vorbild für manch andere Transfrauen und hielt auch einen Vortrag in einer therapeutischen Gruppe zum Thema Stimme. Das half mir im Endeffekt aber wenig, denn:
- Das Aufrechterhalten einer für mich wirklich weiblich klingenden Stimmlage war mir zwar bei logopädischen Übungen oder dem kurzen Vorlesen von Texten möglich, aber für den Alltag war es bei meiner tiefen Ausgangsstimmlage viel zu anstrengend.
- Die Stimme, die ich bei der täglichen Konversation aufrechterhalten konnte (und auch das war anstrengend), nahm ich selbst nicht als wirklich weiblich wahr (siehe oben bei "Gehör"), obwohl sie meine Mitmenschen nicht weiter zu stören schien.
Diese beiden Faktoren machten für mich jedes Gespräch zu einer anstrengenden Tortur - sowohl physisch als auch psychisch. Das musste ich ändern, aber wie? Eine herkömmliche Stimmoperation (Cricothyroidopexie) kam für mich nicht in Frage, denn die Resultate sind sehr schwer vorhersehbar und die Risiken groß.
Eher zufällig stieß ich auf eine andere Operationstechnik, die zwar alles andere als neu ist, aber erst jetzt langsam dabei zu sein scheint, auszureifen und populärer zu werden. Sie heißt nach ihrem Erfinder "Glottoplastik nach Wendler" oder je nach Operateur auch "anterior web formation", "advancement of the anterior commissure" oder bekommt schicke Abkürzungen wie schlicht VFS (voice feminization surgery). Das Prinzip ist einfach: Anstatt wie bei anderen Operationstechniken die Stimmbänder zu spannen (wobei der Kehlkopf geöffnet und an den Stellknorpeln gearbeitet werden muss), wird die Tonhöhe gesteigert, indem der schwingende Anteil der Stimmbänder einfach verkürzt wird. Das wird dadurch erreicht, dass man sie im vorderen Drittel (dort wo sie zu einem "V" zusammenlaufen, miteinander vernäht. Man kann diesen Eingriff ohne Narben endoskopisch durch den Mund durchführen. Dabei wird entweder ein CO2-Laser oder Mikroskalpelle verwendet, um den zu verbindenden Teil zu deepithelisieren, und danach wird eine Naht gesetzt. Diese muss bis zur Heilung sehr fest halten, weil die Stimmbänder ständig unter Zug sind und kann daher mit Fibrinkleber verstärkt werden. Zumindest ein Operateur in Südkorea setzt aus demselben Grund überhaupt gleich eine permanente Naht. Nach dem Eingriff (der recht schnell vonstatten geht, aber einer Vollnarkose bedarf) darf man einige Zeit überhaupt nicht sprechen, um die Naht nicht zu belasten. Danach kann man nur sehr langsam und allmählich wieder mit dem Sprechen beginnen. Eine akzeptable Stimme ist frühestens nach 2 Monaten zu erwarten, und auch danach verbessert sie sich erst langsam weiter. Wenn die Verbindung der Stimmbänder (diese wird "anterior web" genannt) während der Heilung gut hält, ist das Ergebnis permanent. Die Stimmhöhe (F0) kann mit dieser Methode durchschnittlich um 75Hz erhöht werden, was bei den meisten Transfrauen ausreichend ist, um sie in den durchschnittlichen weiblichen Sprechbereich (200Hz) zu bringen. Allerdings kann auch diese Methode nicht die Resonanz ändern, denn diese ist durch die Größe des Kehlkopfs und der Resonanzräume im Schädel bedingt. Die Risiken sind gering - außer (seltenen) Entzündungen im Heilungsprozess und dem vorzeitigen Lösen der Naht kann nicht viel passieren.
Ich habe mich dazu entschieden, eine Glottoplastik durchführen zu lassen, aber mit realistischen Erwartungen:
- Ohne Stimmtraining macht so eine Operation wenig Sinn, denn für die erhöhte Stimmlage braucht man die richtige Resonanz. Man sollte schon vor der OP wissen, wie man diese erzeugt, sonst kann man mit der neuen Stimme wenig anfangen.
- Die Stimme klingt im Vergleich zur physiologischen (Männer-)Stimme natürlich sehr anders, aber im Vergleich zu einer gut antrainierten Frauenstimme sind die Unterschiede recht subtil (klar, denn die Resonanz ändert sich nicht).
- Das Schöne (und für mich Ausschlaggebende) daran ist aber, dass man sich nach der OP nicht mehr bewusst anstrengen muss, um die weibliche Stimmlage zu erreichen. Außerdem kann man einen Großteil der tiefen Männerstimmlage gar nicht mehr erzeugen.
Weltweit scheinen gerade zwei Operateure führend auf diesem Gebiet zu sein: Prof. Marc Remacle am UCL Mont-Godinne in Belgien sowie Dr. Kim vom Yeson Voice Center in Seoul (Südkorea). Nach langem Überlegen habe ich mich für die europäische Variante entschieden.
Die Operation wurde am 18. Juli durchgeführt; sie ist gut verlaufen und ich habe im selben Eingriff auch gleich eine Chondrolaryngoplastik (Abschleifen des Schildknorpels) vornehmen lassen. Nun bin ich gerade mitten in der Heilungsphase (1 Monat und 4 Tage) und bisher recht zufrieden. So richtig sprechen kann ich erst seit Mitte letzter Woche, aber meine Stimme ist noch recht heiser und schwach. Außerdem ist sie noch tiefer als das voraussichtliche Endresultat, da im Moment die Stimmbänder noch etwas geschwollen sind. Auch Teile der selbstauflösenden Nähte und Fibrinkleber habe ich noch an meinen Stimmlippen; diese sollten aber in nächster Zeit verschwinden.
Hier nun zur Veranschaulichung einige Stimmaufnahmen:
- Physiologische Männerstimme (vor HRT und Fulltime), durchschnittl. 120Hz: http://vocaroo.com/i/s0QFbtWn8PfA
- Männerstimme (nach 2 Jahren HRT und Fulltime), durchschnittl. 177Hz: http://vocaroo.com/i/s18GGGXZ9K65
- Trainierte weibliche Alltagssttimme, durchschnittl. 210Hz: http://vocaroo.com/i/s1wU59uqwwF4
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- Stimme ca. 1 Monat nach der Glottoplastik, durchschnittl. 212Hz: http://vocaroo.com/i/s0Cb3VwDeTbr
ANMERKUNG: die Dateien sind ab hier anzuhören: http://community.transgender.at/showthre...0#pid50960
Der Unterschied im Klang ist im Vergleich zur antrainierten Frauenstimme subtil, aber für mich sehr befriedigend. Am besten finde ich es aber, dass ich mich überhaupt nicht anstrengen muss, um diesen Klang zu erreichen. Ich bin gespannt, wie sich meine Stimme in den nächsten Wochen weiterentwickelt. So sehen meine Stimmbänder 1 Monat nach dem Eingriff aus:
Das Bild ist aufgrund der transnasalen Aufnahmetechnik nicht sehr hochauflösend, aber man kann gut erkennen, dass die Stimmlippen im vorderen Drittel vernäht sind. Die Naht ist noch teilweise mit Fibrinkleber (grau) bedeckt.
*** Bitte keine Anfragen mehr bezüglich OP-Bilder von Dr. Schaff. Ich versende diese schon lange nicht mehr. Vielen Dank! ***