Beitrag #32
10.10.2015, 13:49
(25.09.2015, 13:10)Mike-Tanja schrieb:(24.09.2015, 23:38)Ann Lie schrieb: Hallo
Das ist das was mir auch gegen den Strich geht diese stumpfsinnige und behinderte Begutachterei. Das braucht man doch bei anderen Behandlungen auch nicht das man vom GA des GA noch eins braucht um die Richtigkeit des vorvorletzten zu bestätigen. Reuefälle wird's immer geben, oft nicht weil die Diagnose falsch ist oder der Weg als solcher prinzipiell verkehrt war sondern der/die Betroffene vielleicht etwaige Konsequenzen wie z.B. Ende der Beziehung oder Jobverlust vorher nicht berücksichtigte. [hier gekürzt]
Ich glaube nicht, dass jemand sagen würde: "Ich wäre gerne wieder ein Mann, weil ich es dann im Beruf und in der Familie leichter (gehabt) hätte." Das kommt sicher so gut wie nie vor.
Und wenn jemand das sagt, dann deutet meiner bescheidenen Meinung nach wirklich sehr viel auf eine Fehldiagnose hin. Und auch einiges darauf, dass die vielen diagnostischen und therapeutischen Hürden auf dem TS-Parcours leider doch einen gewissen Sinn machen. Denn nach meinem Wissen ist es eine der fundamentalen Aufgabenstellungen der Diagnose von TS bzw. Gender-Dysphorie, die psychisch-emotionale Unwiderruflichkeit des inneren Rollenwechsels zu bestätigen. Diese Unwiderruflichkeit ist ja auch sinngemäß einer der rechtlichen Tatbestände, um die PÄ bewilligt zu erhalten. Oder, um es salopp zu sagen, die "Wackelkandidat/inn/en" an der Grenzlinie zwischen F-64.0 und F-64.1 sollen herausgefiltert werden.
Es gibt aus meiner Sicht zwei Hauptmotive für den behördlich aufgestellten TS-Parcours. Das unredliche ist, dass möglichst viele Interessengruppen geschäftlich am Kuchen beteiligt werden sollen (durch Privat- oder Kassen-Honorare, Sachverständigengebühren, etc.). Das redliche ist, dass der Chirurg, der für den massiven körperlichen Eingriff der gaOP die Verantwortung übernehmen muss, die größtmögliche Sicherheit haben soll, dass er nachher nicht wegen einer schweren, verstümmelnden Körperverletzung mit Dauerfolgen straf- und zivilrechtlich belangt werden kann.
In diesem Sinne war die Intention der "kleinen Lösung" nach dt. TSG, den Betroffenen zumindest ein einigermaßen diskriminierungsfreies Leben mit neuem Namen zu ermöglichen. Dem dt. TSG und seinem Gesetzgeber kann man aber sicher nicht nachsagen, dass sie die PÄ erleichtern oder sogar dazu ermutigen wollten. U.a. deswegen wurde ja sogar ursprünglich die gaOP zur Bedingung für die vollständige Anerkennung als Frau gemacht. Da stand sozusagen früher ein für Betroffene unübersehbares, riesengroßes Warnschild mitten auf dem TS-Parcours: "Achtung! Ab hier nur weiter nach Schwanz-ab & Eier-ab! Rückstufung zur Frau dann unvermeidlich. Willst Du das wirklich? Überleg' es dir noch einmal!" Sagt m.E. indirekt auch einiges über die (damalige) soziale Bewertung der Geschlechtsrollen. Der Wunsch, sich derart zu "degradieren", musste die (psycho-) pathologisch begründete Ausnahme bleiben.
Nun, diese Ansichten sind m.M.n. zum einen antiquiert und zum anderen schlicht falsch.
Eine medizinische Diagnose ist nicht Bestandteil eines Verfahrens nach dem TSG. Das Gericht kann diese Diagnose nicht erstellen und die Gutachter, die wohl die fachliche Kompetenz für eine Diagnose hätten, sollen auch nicht diagnostizieren, sondern nur klären, ob irgendetwas der Annahme man sei transsexuell widerspricht.
Und genau diese Fehleinschätzung, dass die Gutachter dem Gericht eine "wasserdichte" Diagnose vorzulegen hätten, hat in der Vergangenheit zu vielen Fehlern in der Begutachtung geführt. Schlimmer noch, einige Gutachter fühlten sogar dazu berufen die zu begutachteten Personen zu therapieren.
Auch die Auffassung es handelt sich um einen TS-Parcours, führte dazu, dass der Richter bzw. das Gericht als die Gegenseite im Verfahren gesehen wurde. Das ist aber falsch, die Gegenseite ist die Vertretung des Landes, die in noch keinem Verfahren in Erscheinung getreten ist, Gericht und Richter sind neutral.
Die sind dafür da, die Fakten zu sichten, ob es Dinge gibt dem Antrag widersprechen.
Und um mal konkrete Beispiele zu geben, die GAOP ist keine Bedingung mehr für die Änderung des Personenstandes, also wird während der Anhörung zwar die Frage nach OPs gestellt, aber nur um das Gesamtbild zu vervollständigen, juristisch hat das keinerlei Bedeutung mehr.
Ich habe z.B. ausführlich dagelegt, dass ich der GAOP sehr kritisch gegenüberstehe, da es sich um eine komplizierte OP mit ungewissen Ausgang und möglichen, jahrelangen bis lebenslangen, medizinischen Problemen handelt und diese ganzen Risiken erscheinen mir sehr hoch.
Ähnlich habe ich mich auch zum Brustaufbau geäußert, wenn die HRT genügend Brust erzeugt, würde ich mich freuen, ansonsten würde ich chirugische Massnahmen in Anspruch nehmen, da ich sehr unter meinen zu kleinen Oberweite leide.
Genauso spielt es für das Verfahren keine Rolle mit wem ich in einer Beziehung bin oder wie meine sexuelle Orientierung ist.
Theoretisch wäre es sogar noch möglich, dass ich, solange das Verfahren noch läuft, meine Lebensgefährtin als "noch juristischer Mann" heirate, ohne das diese Heirat das Verfahren beeinflussen würde. Die Ehe würde bestehen bleiben und wäre nach ergangener Entscheidung eine gleichgeschlechtliche Ehe (etwas was es eigentlich gar nicht gibt). Aber die doofen Fragen und komplizierten Erklärung (inklusive Outing als Transfrau), die zwangsläufig kommen würden, wenn die Leute merken das wir zwei Frauen in einer echten Ehe sind, sind dann unser persönliches Problem und kein juristisches mehr.
Gerade in Hinblick auf Familienplanung und Kinderwunsch wäre die Ehe sowieso die praktischere Lösung. Denn als Transfrau in einer eingetragenen Partnerschaft müßte ich meine leiblichen Kinder (wenn es denn welche geben sollte) adoptieren, als Transfrau in einer rechtskräftigen Ehe nicht.
Bezüglich der Details in diesem Punkt muss ich nochmal genauer nachharken, aber das alles sind keine Kirtierien mehr für den Ausgang des Verfahrens.
Und jetzt erklär mir mal wie das von dir angeführte, mittelalterliche Weltbild mit der aktuellen Rechtsauslegung zusammenpasst?
Ich kann es auch gerne nochmal zusammenfassen:
Die Frage, ob ich vor dem Gesetz eine Frau bin, wird nicht an meinen Geschlechtsteilen fest gemacht oder daran, dass ich mit einer Frau verheiratet bin oder daran, dass ich vorhabe Kinder zu kriegen. Es geht darum, wie definiere ich mich selber und wie verhalte ich mich in der Gesellschaft.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.