Beitrag #41
03.12.2015, 14:08
Es scheint, dass die Mehrheit hier kein Coming-out von Trans-Menschen am Arbeitsplatz befürwortet.
Für diese Position gibt es natürlich gute Argumente.
Trotzdem möchte ich noch ein paar Argumente für ein Coming-Out liefern:
- Ein Verschweigen des Lebensabschnitts im falschen Geschlecht heißt, dass man sich Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en nicht restlos anvertrauen kann. Man muss eine gewisse Distanz wahren. Bei Fragen muss man u.U. sogar lügen.
- Man wird sich immer vor einer Aufdeckung der eigenen Vergangenheit fürchten müssen. Bei jedem Flüstern wird man innerlich zusammenzucken.
- Im Extremfall wird das eigene Passing zu einer Besessenheit oder zu einem dauernden Stressfaktor (Stimme!), weil es ja "um etwas geht".
- Es kann sein, dass man sich vom betrieblichen Sozialleben (Kaffeepause, Feiern, Betriebsausflüge) distanzieren muss oder es, aus Sorge vor einem Outing, nicht voll genießen kann.
- Sollte man doch geoutet oder - etwa durch eine direkte, ungenierte Frage - zum Coming-Out gezwungen werden, ist die eigene Position psychologisch viel schlechter als bei Freiwilligkeit. Da könnte glatt jemand fragen: "Was hat sie/er noch verheimlicht?"
- Zu glauben, dass man unter einem perfekten Tarnschirm, mit für das Radar unsichtbarer Vergangenheit fliegt, halte ich, wie schon geschrieben, selbst bei erstklassigem Passing für eine (gefährliche) Illusion. Man kann immer durch Zufall, Verrat oder nicht vorhersehbare technische Entwicklungen auffliegen; einer gezielten oder gar professionellen Recherche wird der beste Tarnschirm nicht standhalten. Da muss man gar nicht an so etwas Gravierendes wie eine behördliche Sicherheitsüberprüfung denken.
Ein sicheres Kochrezept, das stets gelingt, gibt es in dieser Situation einfach nicht. Aber man sollte auch die Pro-Argumente kennen und erwägen.
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! -