Beitrag #8
01.06.2016, 13:53
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 01.06.2016, 14:06 von j-unique.)
(01.06.2016, 12:32)Eva_Tg schrieb: Kommt immer drauf an wie man Transidentität sehen will: Als Lifestyle oder als psychologischen Zustand bzw. psychologisches Phänomen.
Auf die Möglichkeit der "sonstigen medizinischen Umstände" bist du nicht eingegangen. Wieso sollte sowas nicht möglich sein? Es ist evident, dass es sich bei Nicht-cisgender-Identität nicht um eine ästhetische Entscheidung handelt.
Die Frage ist, ob die Kasse zur Aufgabe hat, durch die Finanzierung notwendiger (als Abgrenzung zur ästhetischen Behandlung; siehe nächster Absatz) medizinischer Maßnahmen die Lebensqualität zu erhöhen und für die Menschen da zu sein, oder (aus Selbstzweck? oder wozu?) "Krankheitsheilung" zu finanzieren. Wozu finanziert die Krankenkasse bitte ärztliche Maßnahmen, wenn nicht für die Erhöhung der Lebensqualität (und -dauer)? Genau darum geht's, das muss nicht zwangsläufig über Stigmatisierung durch Geisteskrankheit laufen.
Eine Schwierigkeit ist wohl die oben erwähnte Grenze zwischen "Notwendigkeit" und ästhetischen Behandlungen. Die ist zwar vielleicht schwieriger zu ziehen als es ausschauen mag, aber es ist eben schon fundiert feststellbar, dass bei den meisten TG-Menschen die Nichtdurchführung der medizinischen Maßnahmen zu deutlichen Beeinträchtigungen der Lebensführung führt (was man als Abgrenzungskriterium zu ästhetischen Behandlungen sehen kann).
Das Problem sehe ich vor allem darin, dass "Geisteskrankheit" (auch wenn "Transsexualismus" [was für ein Wort] als [nicht-psychotische] Persönlichkeitsstörung klassifiziert wird) halt eben keine "normale" Krankheit ist. Eine Infektion braucht man nicht zu "definieren", man identifiziert die Erreger und fertig. Niereninsuffizienz braucht man auch nicht erst zu "definieren", damit sie existiert und die Lebensqualität spürbar einschränkt. Geisteskrankheiten existieren hingegen erst per Definition, und definiert werden sie letztlich über deviantes Verhalten. Und damit hab ich ein Problem: dass Verhalten, das nicht "normal" ist, stigmatisiert und je nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zur behandlungswürdigen Krankheit erklärt wird. Einmal ist Homosexualität geisteskrank und muss therapiert werden, dann ist es plötzlich wieder keine Geisteskrankheit…
Zitat:Also ich lasse mich gerne als "geisteskrank" betiteln, wenn ich weiß das dadurch die Kosten für meine Behandlung durch die Kassen übernommen werden.
Für alles andere reicht mein Einkommen nicht.
Dass du dich gerne so betiteln lässt, glaube ich dir nicht. Wieso lässt du dich gerne stigmatisieren und unterwirfst dich gerne der Autorität von Psychiatern, die dann durch ihre Einschätzung, ob du eh trans genug bist oder nicht, bestimmen, was du bekommen darfst und was nicht?
Ich lege jedenfalls keinen Wert darauf, von narzisstischen Psychiatern als geisteskrank begutachtet zu werden.
Einen einkommensabhängigen Selbstbehalt fände ich nicht unbedingt schlecht (und auch sozial gerecht, wenn er gestaffelt ist), und er würde das "Bezahlproblem" kleiner machen. Aber das hat eher mit sozialer Gerechtigkeit als TG zu tun, und wir wissen ja, dass es stattdessen Höchstbeitragsgrundlagen gibt.
PS: Auch Aspies/Autist*innen (ICD-10: F84) wehren sich gegen Pathologisierung (und damit Stigmatisierung). »Andere sagten, sie fühlten sich wie Außerirdische auf dem falschen Planeten – sie seien nicht defekt, aber die Kommunikation mit den Erdlingen sei schwierig.« So fühl ich mich auch oft
Das Leben ist eine Komödie und wir sind die Clowns.