(01.02.2020, 23:03)Mike-Tanja schrieb: Ich bin nicht und war nie auf Facebook (oder YouTube).
- Haben die Anfeindungen einen spezifisch ungarischen Hintergrund, oder sind das die "üblichen" Facebook-Hintergrundgeräusche, mit denen man rechnen muss?
- Gegen Facebook-Hasspostings mit klar strafbarem Inhalt (also z.B. Verhetzung im Sinne von Aufforderungen zu strafbaren Handlungen wie gewaltsamen Angriffen) kann man mit Strafanzeigen vorgehen, vorzugsweise am Wohnort der oder des Tatverdächtigen. Ich kann nicht einschätzen, wie eifrig die ungarische Polizei in solchen Fällen einschreitet.
- Bei Facebook sollte man wiederholt auf die Löschung regelwidriger Postings drängen. Es kann gut sein, dass sie es erst bei der zweiten oder dritten Beschwerde ernst nehmen. Unter Umständen könnte aber auch die Beendigung der Präsenz auf Facebook eine Option sein. Ist es den Stress wirklich wert? Denn, machen wir uns nichts vor, Facebook ist so groß und unüberschaubar, dass man Hasspostings nie ganz verhindern wird können.
Unbefriedigende Antwort, wie ich befürchte.
Liebe Mike-Tanja,
danke für die Anregungen, nur leider wie du ja schon selbst vermutet hast, da sind leider keine Lösungen dabei.
ad 1.) die Anfeindungen muss man meiner Einschätzung nach als ungarnspezifisch verstehen, meiner Meinung nach verschlimmert sich dort die Situation seit Jahren, das hat damit zu tun dass die Regierung das Volk nicht mit Leistung zufriedenstellen kann, insofern arbeitet sie für erfolgreiche Wahlergebnisse vermehrt mit Feindbildern.
Die Quelle ist das Nationalbewusstsein der Ungarn und alles was den Fortbestand "gefährdet" die Feindbilder.
Flüchtlinge, aber die traditionelle Familie, die man schützen muss etc... Da ist der liberalisierte Westen das Gefahrbringende, mitsamt eben den Einwanderern und aber auch alles was die Regenbogenbewegung umfasst.
Mithilfe der Kirche versteht sich, wobei das auch irgendwie skurril abläuft weil bpws bei Pädophilie kaum die Kirche in der Kritik steht, dafür aber Homosexuelle, bzw auch die erwähnte 19 jährige Transfrau wurde als pädophil beschimpft.
Es soll also bei alledem ein Kinder im höchsten Masse gefährdendes Bild entstehen.
Und während hasskommentare für Flüchtlinge zwar äußerst häufig sind, würde ich sagen so relativ betrachtet, trifft es - insbesondere männliche Homo- bzw Transsexuelle, 10x schlimmer.
Also zB ganz frisch, vl ne Woche alt, in den Medien Berichterstattung über eine Familie die aus Kanada wieder nach Ungarn zurück gehekrt ist, die Frau schrieb auch ein Buch darüber, der Grund der Rückkehr soll explizit der sein, dass in Kanada 5 jährige Kinder vom Kindergarten aus, wenn Mädchen mit Autos oder Buben mit Puppen spielen, gegengeschlechtliche Hormonbehandlungen und Operationen erhalten. In der Sendung war also Moderatorin, diese Mutter und ein meinungsäussernder katholischer Pfarrer eingeladen...
https://youtu.be/QIDGdSU_q2M
ok ja, schon klar wir schmunzeln über soetwas und empfinden höchstbestenfalls etwas Mitleid über so viel Dummheit aber wenn die Ungarn mit solcherlei Informationen torpediert werden vermehrt, dann entsteht ein falsches Bild im ganzen Volk, daher ist es ein politisches Grundproblem...
ad2.) das weiss ich auch nicht, aber alleine das Melden, wenn man als User sowas wollte, pro Meldung wären das ca 2 Minuten, bei 5000 Hasskommentaren müsste man da schon eine Woche (166 Stunden) ohne Pause problematische Kommentare melden und löschen lassen, bei der Anzahl wird es technisch unmöglich.
Aber ich habe aus dem Grund absolut gar nix gemeldet, weil wenn Facebook die Kommentare löschen würde, wir nicht schwarz auf weiss vor Augen hätten, klar sichtbar, was los ist.
Es nutzt ja nix wenn Facebook oder Youtube die Inhalte löscht, aber diese ihr auf der Strasse zugerufen werden, weil sie sichtbar als Transfrau erkennbar unterwegs ist.
hierbei wird dann Punkt 3 auch höchst problematisch, weil ich als Transmann mit einem relativ guten Passing kann mich ja vl dafür entscheiden, mein Outing nicht dem ganzen Universum mit zu teilen, sie hat diese Entscheidung aber nicht, man sieht dass sie transident ist. Und wenn man ihr raten würde, ihre Sichtbarkeit so weit einzuschränken dass sie keine Beschimpfungen erhält, dann dürfte sie am Ende nicht Mal mehr dem Postboten die Tür öffnen und den Rest ihres Lebens sich in einem Keller verstecken (wobei dieser sicherlich kurz ausfallen würde dann, weil sie ja dann verhungern würde, um das Ziel der Unsichtbarkeit, um zu erreichen dass keiner sie beschimpft und bedroht). Das wäre also nicht die richtige Botschaft, ausserdem, da sie ansonsten keine Freunde hat, ist für sie Facebook und Youtube eine Art Sprachrohr, sie kann dort ihre Gedanken und Gefühle aus und zu Ende sprechen, ihre Geschichte erzählen.
Ich denke, ich bzw wir wüssten gar nichts über sie, über ihre Probleme nicht Mal über ihre Existenz, wenn sie diese Medien nicht nutzen würde.
Aber ich wechsle mal zu meinen zwei Punkten, weil mir stellen sich hierbei folgende Fragen:
1. Was würde passieren wenn man für sie in Österreich Asyl beantragen würde
2. Ich habe mit ihr darüber schon geschrieben dass sie gerne Nach Österreich kommen würde, aber sie sich das Ganze nicht realistisch vorstellt, weil sie ja keinerlei Sprachkenntnisse hat, also wegen Job etc.
Ich weiss zB von Mc Donalds dass dort auch Menschen ohne Sprachkenntnisse bspw in der Küche angestellt werden.
Soetwas würde ihr für einen Neustart schon reichen.
Von Lieferantenjobs habe ich auch gehört dass auch die ohne Sprachkenntnisse funktionieren sollen. Von anderen, so man auch keine Ausbdilug benötigt, habe ich ebenso gelesen aber oft ist es so dass da ein Grüppchen Ungarn in einer Fabrik beieinander ist und es dann einen Sprecher gibt der dann Anleitungen weiterleitet an die ohne Sprachkenntnisse, das aber würde bei ihr nicht funktionieren weil dann wieder Ungarn involviert wären und die Gefahr des erneuten Mobbings bestehen würde.
Die Idee wegen Asyl kam mir darum, weil wenn jemand explizit aufgrund seiner Transidentität vom Bildungssystem ausgeschlossen wird, und ebenfalls menschenwürdiges Wohnen nicht möglich ist und keine Therapie, wenn ein Staat einen Menschen vor Diskriminierung nicht schützt, in der Summe aller Details halte ich die Situation für passive Exekution, man lässt jemanden so weit und lang verkommen, bis er die Lösung des Problems -früher oder später per Suizid- selbst in die Hand nimmt. Oder halt irgendwann Mal von irgendwem erschlagen wird, der nicht nur droht, sondern seine Worte auch in die Tat umsetzt....
ca 10% der Ungarn sind bereits in den Westen ausgewandert, aus finanziellen Gründen
(Das ist ja mitunter auch der Grund warum die Regierung mit Schauergeschichten über den Westen das Volk so weit verängstigen will, dass die Menschen aus Angst vor Flüchtlingen und Regenbogeneinfluss zu Hause bleiben, weil Ungarn sie vor alledem Bösen nur beschützen kann)
Aber dieser übliche Weg, wo Ungarn Ungarn raushelfen, per Job und Unterstützung, ist bei ihr schwierig, weil man eben nicht mit Verständnis und Empathie rechnen kann, sondern im Gegenteil, Hass und Ablehnung.
Aber also so ein Job wo man anfänglich keine Deutsch- oder Englischkenntnisse braucht, könnte ihre Situation grundlegend positiv verändern.
Liebe Grüße, newt