15 Jahre Post-OP und die Folgen...
RE: 15 Jahre Post-OP und die Folgen...
Beitrag #7
Liebe Jenny,

Dein "Roman" hat mich sehr getroffen. Ich habe mich schon vor langer Zeit gegen eine OP entschieden, aber die Situation, die Du beschreibst, passt auch genau auf mich. Ich will das jetzt nicht so dramatisch klingen lassen, aber ja, ich lebe auch in dieser Lüge, eben nur anders herum. Mit der Zeit, bin ich zwar gewohnt, mit dieser Lüge zu leben, aber es gibt kein "sich fallen lassen können" bei einem anderen Menschen. Mit meinen Partnerinnen hatte ich zwar Sex, aber es war mir nie möglich meine männliche Rolle zu erfüllen. Ich hatte eine ganz andere Lust, wenn ich mit einer Frau zusammen war. Damit habe ich bestimmt große Irritationen hervorgerufen. Obwohl ich voller Liebe war, konnte die nie so richtig fließen!

Nun stehen wir beide an ganz verschiedenen Punkten der Welt und es kommt mir doch so ähnlich vor.
Inzwischen bin ich auch ganz weg vom Thema, noch eine Partnerin zu suchen (ich habe heute etwas unter Vorstellungen "Mal wieder hier!" gepostet.)
Es geht mir eigentlich gut, allein. Wenn ich, mir besonders sympathisch scheinende Frauen treffe, habe ich eher das Problem, Ihnen klar zu machen, daß ich sie zwar nett finde, aber eben auf gar keinen Fall mit Ihnen ins Bett will.

Meine lesbischen Bekanntschaften kamen damit übrigens auch nicht klar. (Der Begriff lesbisch passt hier vielleicht nicht ganz, denn wenn ein lesbischer Mensch heftig mit einem Mann flirtet, ist sie wahrscheinlich eher bi).

Jedenfalls habe ich zwar ein paar liebe Freundinnen, aber die wissen nur von meiner männlichen Fassade und es hat mit Ihnen allen eine schwierige Phase gegeben, wo ich deutlich machen mußte: "keinen Sex, bitte" (Und das während ich verheiratet war! Ich muß eben immer mit meiner Selbstwahrnehmung , nett zu sein, ausgestrahlt haben: ich wolle mehr; oder es wurde zumindest so interpretiert).

Liebe Jenny, hoffentlich erreichen Dich meine Zeilen überhaupt noch! Du hast das ja schon im September 20 geschrieben.
Es ist irgendwie  blöd, niemanden zu haben, dem man ganz und gar vertrauen kann, das sehe ich genauso. Aber es geschehen manchmal so Geschichten, da sieht man, daß es anderen ähnlich geht.

Kurz vor Weihnachten letztes Jahr bekam ich abends Überraschungsbesuch, (was ich nicht so liebe, denn meistens bin ich voll encased und wenn die Strumpfmaske vor kurzem ausgezogen wurde, ist mein Gesicht immer leicht verquollen) er hatte vorher aber noch rechtzeitig genug angerufen und so ging es wohl einigermaßen. Ich sah vielleicht eher etwas verpennt aus.

Jedenfalls kommt er an mit zwei Flaschen Wein und es hat  ziemlich lange gebraucht, bis er dann mit seinem Thema rausrückt:

er hatte vor Jahren mal eine Liebschaft und die Flamme im Herzen lodert immer noch, obwohl er inzwischen verheiratet ist und drei Kinder hat und seine alte Liebe auch inzwischen verheiratet ist.

Tja, da hat es mächtig in mir rumort.
Herzerweichend, wie voller Liebe er so dasaß und mir erzählte, er hätte sie heimlich angeschrieben und wäre bei ihr sofort auf die gleiche Situation gestoßen und sie hätte ihm gestanden, daß es ihr genauso ging. Einerseits so wunderschön von den beiden Liebenden zu hören und andererseits so traurig, in was für einem Käfig beide saßen.

Ich habe ihm daraufhin  zu Weihnachten die Trilogie von Kieslowski besorgt: blau, weiß rot.

Tja , wer die noch nicht kennt, versteht das jetzt nicht so ganz, aber die im Film geschilderten Situationen gehen auch sehr zu Herzen.

Ja, ich glaube auch an die Liebe, auch wenn sie manchmal nur in unserem Herzen wohnt und den Weg nicht zum Anderen findet.
Liebe Jenny, mach es gut. Du bist nicht allein, es gibt noch mehr Leute, denen es ähnlich (!) geht.

Und glaube mir, mit der Lüge nicht gut leben zu können, ist auch eine Form der (Nächsten)Liebe.
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Nachrichten in diesem Thema
15 Jahre Post-OP und die Folgen... - von Seiya - 26.07.2020, 20:07
RE: 15 Jahre Post-OP und die Folgen... - von Sunburst - 29.07.2020, 14:49
RE: 15 Jahre Post-OP und die Folgen... - von stella74 - 19.05.2021, 19:17

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