TG und die schwierige Arbeitswelt
RE: TG und die schwierige Arbeitswelt
Beitrag #12

Eine wegen offengelegter TS verweigerte Anstellung oder eine nach einem Coming-Out erfolgte Kündigung ist eine rechtswidrige Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (respektive der Geschlechtsidentität/der sexuellen Orientierung). Man könnte also Schadenersatz fordern bzw. die Kündigung erfolgreich anfechten.

Soweit die Theorie.

In der Praxis sind nur selten Unternehmen strohdumm genug, solche Motive auch zu kommunizieren. Also gibt es keinen Beweis für unlauteres Handeln, eventuell nur die aus der Erfahrung des Transmenschen schon bekannte, immer gleiche Mauer des Missbehagens und der emotionalen Ablehnung.

Und selbst wenn man z.B. eine Kündigung vor Gericht erfolgreich wieder wegbiegen sollte, Chefinnen/Chefs vergessen so eine Niederlage selten, und irgendeine andere "weiche" Stelle gibt es in jedem Personalakt oder Leistungsprofil. Man kauft also u.U. nur etwas Zeit bis zum nächsten blauen Brief. Und angenehmer wird das Betriebsklima nach so einer Sache sicher nicht!

Was man daher aus meiner Sicht raten und anmerken kann:
  • Nach PÄ konsequent im Identitätsgeschlecht leben.
  • Der Komplex TS/PÄ hat eigentlich als Thema in einer Bewerbung nichts verloren. Er kann als vergangenes Ereignis im CV erwähnt werden - mehr aber nicht! Um es bewusst überspitzt, hart und brutal zu sagen: Jammertransen, die den Eindruck vermitteln, immer noch voll auf dem Selbstfindungstrip zu sein (weil sie ellenlang über ihre Gender-Identität schreiben), werden nur sehr schwer einen Job finden.
  • Einen Job bekommt man (von Sonderfällen abgesehen) auf Grund der Trias Qualifikation, Referenzen und persönlicher Eindruck. TS kann man höchstens unter "Persönliches" buchen.
  • Wenn man es nicht schaffen sollte, alle Unterlagen (insbesondere Arbeitszeugnisse) auf das Identitätsgeschlecht umschreiben zu lassen, kommt man um eine Offenlegung der TS-Vergangenheit sowieso nicht herum (Lücken im CV bzw. fehlende Zeugnisse erwecken idR sofort Verdacht und provozieren Fragen!).
  • Nach erfolgreicher Etablierung in einem Job halte ich persönlich ein Coming-Out dennoch für sinnvoll (Stichwort: Vertrauensaufbau), egal ob PÄ und/oder gaOP schon hinter oder noch vor einem liegen. Bei nicht-optimalem Passing oder leicht zu entdeckenden Spuren der früheren Lebensphase halte ich es sogar für ein Muss. Besser selbst rauskommen, als am Ende von neidischen Kolleg/inn/en durch den Tratschfunk geoutet zu werden.
  • Nein, eine PÄ muss nicht zwingend gemacht werden. Man darf auch als Pro-Forma-Mann mit dem Inneren und Äußeren einer Frau (und vice versa) leben. Aber wenn das äußere Erscheinungsbild erst einmal dauerhaft nicht (mehr) zum amtlichen Geschlecht passt (und z.B. Kunden verwirren könnte), sehe ich keinen Sinn darin, weiter zu zögern. Dann muss ein Coming-Out eben sein. Überraschen wird es dann wahrscheinlich eh niemanden mehr.
  • Ein Coming-Out am Arbeitsplatz sollte unbedingt möglichst von oben nach unten erfolgen. Vorgesetzte sollten keinesfalls den Eindruck erhalten, dass sie "es" als Letzte in der Firma erfahren. Gleich nach den Vorgesetzten sollten Betriebsrat oder Personalvertretung kommen, da man je eventuell deren Unterstützung brauchen wird.
  • Als Faustregel kann man sagen, dass die Probleme generell geringer sein werden, wenn eine Arbeit zum Produktions- oder Back-Office-Bereich gehört. Wer das Unternehmen repräsentiert oder repräsentieren soll (z.B. Verkauf, Kundenbetreuung, Empfang, Management) wird es immer schwerer haben als eine Buchhalterin oder ein IT-Admin, von Fällen perfekten Passings und äußerer Attraktivität mal abgesehen. Denn leider möchte (fast) jeder Arbeitgeber möglichst attraktive, "normale" und Vertrauen erweckende Menschen als seine "Gesichter" haben.
  • Es stimmt, dass man im öffentlichen Dienst (im weiteren Sinne) besser abgesichert ist, auch bei einem Coming-Out am Arbeitsplatz. Ganz einfach, weil es in diesem Sektor prinzipiell keine Tradition von "hire & fire" und eine strengere Bindung an Gesetze (z.B. Anti-Diskriminierungsvorschriften) gibt. Das gilt aber nicht, was die Chancen bei einer erstmaligen Bewerbung oder bei weiteren Karriereschritten (z.B. internen Bewerbungen) angeht. Da stößt man wohl auf die gleichen Probleme wie anderswo.
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