Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
Beitrag #4
(11.10.2011, 13:22)Angelika schrieb: Nun, das ist einfach erklärt. [hier gekürzt, danke für die Schilderung der praktischen Erfahrungen!]
In Wien war es eine Zeit lang üblich alle Betroffenen ins AKH zu Dr. Praschak-Rieder zu schicken. Diese fungiert als Amtssachverständige für die MA 35. Hier erwachsen den Betroffenen keine Kosten, da diese von der Stadt Wien übernommen werden.
Gleich vorab "pardon", wenn ich mich hier eventuell wiederhole, aber frühere Diskussionen haben halt keine Spuren in diesem Forum hinterlassen!

Die Wiener Lösung ist die, einen Amtssachverständigen zu bestellen, der beim Amt (Magistrat der Stadt Wien als Apparat aller Wiener Behörden) angestellt ist oder durch einen Rahmenvertrag ständig als solcher beschäftigt wird.

Die Kosten eines Amtssachverständigen trägt die Behörde, die sind für den/die Antragsteller/in mit den allgemeinen Verfahrensgebühren (früher hätte man gesagt: "den Stempelmarken") bezahlt. Das ist natürlich eine von der Kostenseite für die Antragsteller/innen günstige Lösung. Der Nachteil ist, dass es keinen Spielraum gibt, wenn der Sachverständige eine bestimmte, vorgefasste wissenschaftliche Meinung vertritt. An ihm kommt man nicht vorbei, man kann höchstens versuchen, ihn mit einem Privatgutachten zu widerlegen, wenn er Unsinn verzapft.


Zitat: [hier gekürzt] In den anderen Bundesländern unterscheidet sich die Vorgehensweise oftmals zwischen den einzelnen Standesämtern. So habe ich z. B. die Erfahrung gemacht, dass das Standesamt Bruck/Mur rein auf Grund der vorgelegten Gutachten positiv entschieden hat, während das Standesamt Leoben den Antragsteller, trotz vorliegender Gutachten, zu einer gerichtlich beeideten Psychiaterin geschickt hat, und die daraus entstehenden Kosten dem Antragsteller auferlegt hat. [Rest gekürzt]
Das ist die andere rechtlich vorgezeichnete Lösung: die Heranziehung eines Privatsachverständigen. Das hat immer dann, und nur dann zu geschehen, wenn der Behörde kein Amtssachverständiger zur Verfügung steht (in der Praxis des Personenstandswesens außerhalb Wiens dürfte das heißen: wenn es weder bei der Gemeinde, noch bei der BH, noch beim Amt der Landesregierung jemanden gibt, der sich so ein Gutachten zutraut).

Hier sucht grundsätzlich immer die Behörde den Sachverständigen aus und bestellt ihn für das Verfahren (d.h. gibt ein Gutachten in Auftrag). Der kriegt dafür kein frei vereinbartes Honorar sondern gesetzliche Gebühren, die nach den Regeln des Gebührenanspruchsgesetzes für Gerichtssachverständige bemessen werden. Diese Gebühren sind für die Behörde Barauslagen und als solche zwingend der Partei (= Antragsteller/in) aufzuerlegen.

Das steht hier drin, im V. Teil des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG (Auszüge):


Zitat:
V. Teil: Kosten

Kosten der Beteiligten

§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. [...]

Kosten der Behörden

§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.

(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig. [...]

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. [...]
(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.

Unter Beweis gestellt werden muss bei der TG-Personenstandsänderung laut VwGH Folgendes:
  1. die Dauerhaftigkeit des Wechsels der Geschlechtsrolle und
  2. eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des Nicht-Geburtsgeschlechts.
Man sollte sich als Betroffene/r vor allem vor Augen halten, dass das Verwaltungsverfahren vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel geprägt ist. Alles, wirklich alles, was die Behörde von einem Sachverhalt überzeugen kann, ist geeignet, also - siehe Evas Posting - auch Urkunden aller Art (Rechnungen vom Epilieren, Honorarnoten vom Stimm- und Sprachtherapeuten, schriftliche Befunde und Privatgutachten von behandelnden Ärzten und Therapeuten etc.), Zeug/inn/en, die über die Entwicklung und das Verhalten des/der Betroffenen betreffend Genderwechsel aussagen können, Fotos, die die äußere Veränderung dokumentieren. Denkbar wäre auch ein Augenschein, also ein Erscheinen des Trans*Menschen vor dem zuständigen Beamten der Personenstandsbehörde, der seine Eindrücke in einer Niederschrift festhält, eventuell verbunden mit der Aussage des/der Betroffenen.
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! Wave   -
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten - von gertrud_desch - 06.06.2012, 20:13

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