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Beziehung zu Forum/Thema: Weiblich
Land: Deutschland
RE: Vorstellung
Nun, bei mir war es so, dass ich schon mit 5 oder 6 Jahren wußte, dass ich lieber ein Mädchen wäre. Ich war damals auch immer heimlich am Kleiderschrank meiner Mutter und hab ihre Sachen angezogen, oder ihr Make-up ausprobiert.
In dem Alter kann natürlich noch nicht wirklich wissen, was eigentlich los ist, aber ich hab schon gemerkt, dass ich anders bin. Deswegen habe ich auch niemanden davon erzählt und es hat ja auch keiner was gemerkt, weil ich mich auch nicht anders verhalten habe als Jungen in meinem Alter. Ich konnte zwar mit vielen Dingen, die Jungs gemacht haben, nichts anfangen, aber da hat sich keiner was bei gedacht. Meine Eltern sagten immer: "Der Kleine ist einfach schüchtern, da kann man auch nichts machen."
In der Schule wurde es dann auffälliger, dass ich bei den Jungs nicht so reinpaßte. Ich hatte wenig Freunde, mit den Jungs konnte ich nicht und die Mädchen wollten mich nicht. Mädchen zwischen 8 und 12 Jahren finden Jungs meistens einfach nur doof.
Na ja und ich selbst war da auch schon in der Pubertät und habe auch eher darüber nachgedacht, was mit mir los ist, als darüber wie andere mein Verhalten bewerten.
In dem Alter so mit 12 - 14 Jahren habe ich dann von dem Thema Transvestiten und so weiter erfahren, sowas kam damals ja durchaus schon mal im Fernsehen. Außerdem gab es damals auch schon Internet, da kriegt man dann auch mehr Informationen. Leider war damals der Wissensstand nicht so hoch wie heute. Die allgemeine Auffassung war, dass Transvestiten alle schwul sind und Menschen, die noch weiter gehen und ihren Körper verändern lassen sind megaschwul und geisteskrank. Um es mal mit harten Worten auf den Punkt zu bringen.
Nun, da durch wurde ich auch nicht schlauer, weil keine der gängigen Beschreibungen auf mich paßte. Die beiden größten Widersprüche waren eben, dass ich auf Frauen stand und nichts gegen meine Geschlechtsteile hatte.
Also selbst, wenn ich mit jemanden über mich hätte sprechen wollen, ich hatte ja nicht mal einen Anhaltspunkt, wo ich anfangen sollte.
Nebenbei erwähnt, inzwischen kaufte ich mir meine eigenen Klamotten und Make-up. Also hatte wirklich niemand in der Familie eine Ahnung was in mir vor sich ging. Meine Eltern sahen nur das offensichtliche, dass ich fast keine Freunde hatte, mit niemanden sprach und meistens alleine war. Die hatten eher Drogen oder okkulte Sekten im Verdacht, als das ich Probleme mit meinem Geschlecht hätte.
Nun, irgendwann so mit 19 bis 21 Jahren ist man dann ja auch aus den Pubertät raus und zu mindestens ich hatte zwischenzeitlich auch noch die Hoffnung, dass das alles nur eine Phase war. Anderseits kam auch zu dieser Zeit der Sammelbegriff Transgender auf, um irgendwie alle zu bezeichnen, die zwischen den Geschlechtern stehen. Also habe ich mir gedacht, gut ich bin eigentlich ein normaler Mann, aber eben mit diesem komischen Tick mich manchmal wie ein Frau anzuziehen und zu schminken.
Damit konnte ich zu mindesten erstmal etwas anfangen, besonders weil das bei mir immer nur Phasenweise war.
Gerade wenn ich eine Beziehung mit einer Frau hatte, hab ich das mehr oder weniger unterdrückt. Deswegen sage ich ja, der Wunsch einem gewissen Rollenbild zu entsprechen bzw. als "normal" zu erscheinen ist meistens stärker als der Wunsch ehrlich zu sein.
Tja, mit Mitte 20 lernte ich dann meine jetztige Ehefrau kennen und nachdem wir 3 Jahre zusammen waren, sagte ich mir, sagte ich zu mir, es geht nicht, dass du vor deiner Freundin Geheimnisse hast. Also war sie der erste Mensch, dem ich jemals davon erzählt hatte. Ich dachte zwar sie macht Schluss mit mir, aber sie sagte solange es nur Phasenweise ist und heimlich zu hause, hat sie kein Problem damit. Das Thema Transidentiät/Transsexualität stand damals nicht im Raum, weil ich selbst der Meinung war, das ich es nicht bin.
Ich spare mir jetzt mal die Details das man sowas nicht über Jahre vor der Familie und Freunden geheimhalten kann. Entweder man macht Fehler oder verquascht sich, oder sowas eben. Also war es im engeren Familien- und Freundeskreis kein Geheimnis, dass ich manchmal als Frau rumlaufe.
Aber ich muss sagen, das es da niemals Probleme gab, alle haben mich unterstützt. Das einzige was dumm gelaufen ist, ich konnte es meinem Vater nicht selbst erzählen, weil meine Mutter so doof war, dem besten Freund meines Vater zu erzählen, was mit mir los ist. Und beste Freunde haben selten Geheimnisse unter einander. Das von einem Freund zu hören war für meinen Vater, der damals schon schwer krank war, ein ganz schön Schock. Leider hat er dann den Kontakt abgebrochen und er ist gestorben, bevor ich das klären konnte. Na ja, manche Fehler kann man nicht beheben, weil man keine zweite Chance bekommt.
Jedenfalls lief es einige Jahre so, ich war ganz ganz zufrieden, ich war mehr oder weniger normal und im Privaten konnte ich mich ausleben. Allerdings ging es dann im Winter 2012, inzwischen war ich 33 Jahre alt, los das ich massive Depressionen entwickelte. Das ganze fing recht harmlos an, erst hatte ich schlechte Laune, wenn ich ein Wochenende mal nicht meine Frauen-Klamotten anziehen konnte. Dann gab es mit meiner Freundin Streit darüber, warum ich ich deswegen schlechte Laune kriegte. Dann war es soweit das ich geheult habe, wenn mich auch der Arbeit mit "Herr" angesprochen hat. Und der Höhepunkt war erreicht als ich zu den Weihnachtsfeiertagen psychisch zusammen gebrochen bin. Da sagten dann Freunde und Familie dann, denen das natürlich nicht verborgen blieb, das jetzt Ende ist, ich solle mir therapeutische Hilfe suchen, weil solche Probleme nicht alleine zu bewältigen sind.
Und ich sage mal, es war auch mehr als offensichtlich, dass hinter der Sache mehr steckte, als nur die Neigung "sich als Frau zu verkleiden", dass hat jeder gesehen. Privat lebte ich ja fast nur noch als Frau, ich hab mich praktisch nur noch für die Arbeit als Mann hergerichtet.
Das war so zusagen die Vorgeschichte, im Jan. 2013 habe ich mir dann gleich eine Therapeutin gesucht, die sich mit dem Thema auskannte und schon nach den ersten paar Gesprächen wurde die Diagnose Transsexualität gestellt. Mir wurde da auch dirket auf den Kopf zugesagt: "Sie kommen nur mit sich selbst und ihrem Leben klar, wenn sie nur noch als Frau leben."
Also habe ich mich dann im Frühling 2013 dazu entschieden, dass ich wirklich nur noch so lebe, wie ich mich fühle. Also mich auch offiziell oute, meine Ausweise ändern lasse und mich auch um die medizinisch-körperliche Behandlung kümmere. Wie das gelaufen ist bzw. immernoch läuft, kann ich später erzählen.
Interessant ist erstmal, ich war 3 Jahre lang in Therapie, bei mehrenen Fachleuten und die Meinung war immer die gleiche, das mein Fall mehr als eindeutig ist.
Es spielt keine Rolle, dass ich mich als Kind nicht wie ein Mädchen benommen habe oder das 20 bis 30 Jahre niemand etwas bemerkt hat. Genauwenig ist meine Vorliebe für Frauen für die Diagnose wichtig. Oder das ich jahrelang selbst nicht wußte, dass ich transident bin und mich gute 10 Jahre halbwegs erfolgreich mit Crossdressing über die Runden gebracht habe. Oder der eher seltene Fall, dass man als Frau keine Probleme damit hat einen Penis zu haben.
Es gibt kein Schema F wie Transidentität sich äußert oder abläuft. Sogar solche verwickelten Lebensläufe wie meiner sind für Therapeuten typische Entwicklungen.
Ich weiß nicht, wie viel von meinen Erzählungen dir vertraut vorkommt, dass ist auch nicht wichtig, ob du dich da irgendwo wiederfinden kannst. Wichtig ist eigentlich nur die Zweifel sind nicht wichtig, es ist auch nicht wichtig was andere dazu sagen. Wichtig ist nur dein Gefühl, wenn das sagt du bist eine Frau bzw. du wärst lieber so wie die Frauen, die du siehst, dann solltest du mit einem Therapeuten reden. Dann könnt ihr in Ruhe ergründen was dahinter steckt und jeden Zweifel ausräumen.
Über alles andere kannst du dir später noch Gedanken machen, wichtig ist erstmal zu wissen, was du willst und das du dir sicher bist.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.