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Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
Vorbemerkung: Das Folgende interessiert mich nicht so sehr aus persönlicher Betroffenheit sondern aus rechtswissenschaftlicher Perspektive.
Eines der Probleme im Verfahren betreffend die Personenstandsänderung von TG in Österreich sind Sachverständigengutachten als Beweismittel.
Braucht man sie, welche braucht man, wer macht sie, wer muss sie bezahlen?
Mich würde vor allem interessieren, ob österreichische Personenstandsbehörden in jüngerer Zeit (seit etwa 2009) Antragstellerinnnen und Antragstellern die Kosten für Gutachten von Nicht-Amtssachverständigen, die die Behörde in Auftrag gegeben hat (also nicht Gutachten, die man selbst machen hat lassen), vorschreiben, und um welche Beträge es da geht?
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
Liebe Tanja,
Ich habe 2009 eingereicht, gleich etwa 9 sachdienlich aussagefähige Dokumente beigebracht (Epi, Therapien, Hormone, ein psychiatrisches war nicht dabei) und habe die Personenstandsänderung ohne weitere Gutachten bestätigt bekommen. Insofern hat's auch nichts gekostet.
LG
Eva
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
(11.10.2011, 09:54)Eva schrieb: Liebe Tanja,
Ich habe 2009 eingereicht, gleich etwa 9 sachdienlich aussagefähige Dokumente beigebracht (Epi, Therapien, Hormone, ein psychiatrisches war nicht dabei) und habe die Personenstandsänderung ohne weitere Gutachten bestätigt bekommen. Insofern hat's auch nichts gekostet.
Danke für die Antwort! Und das war in Wien, oder?
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
(11.10.2011, 13:22)Angelika schrieb: Nun, das ist einfach erklärt. [hier gekürzt, danke für die Schilderung der praktischen Erfahrungen!]
In Wien war es eine Zeit lang üblich alle Betroffenen ins AKH zu Dr. Praschak-Rieder zu schicken. Diese fungiert als Amtssachverständige für die MA 35. Hier erwachsen den Betroffenen keine Kosten, da diese von der Stadt Wien übernommen werden.
Gleich vorab "pardon", wenn ich mich hier eventuell wiederhole, aber frühere Diskussionen haben halt keine Spuren in diesem Forum hinterlassen!
Die Wiener Lösung ist die, einen Amtssachverständigen zu bestellen, der beim Amt (Magistrat der Stadt Wien als Apparat aller Wiener Behörden) angestellt ist oder durch einen Rahmenvertrag ständig als solcher beschäftigt wird.
Die Kosten eines Amtssachverständigen trägt die Behörde, die sind für den/die Antragsteller/in mit den allgemeinen Verfahrensgebühren (früher hätte man gesagt: "den Stempelmarken") bezahlt. Das ist natürlich eine von der Kostenseite für die Antragsteller/innen günstige Lösung. Der Nachteil ist, dass es keinen Spielraum gibt, wenn der Sachverständige eine bestimmte, vorgefasste wissenschaftliche Meinung vertritt. An ihm kommt man nicht vorbei, man kann höchstens versuchen, ihn mit einem Privatgutachten zu widerlegen, wenn er Unsinn verzapft.
Zitat: [hier gekürzt] In den anderen Bundesländern unterscheidet sich die Vorgehensweise oftmals zwischen den einzelnen Standesämtern. So habe ich z. B. die Erfahrung gemacht, dass das Standesamt Bruck/Mur rein auf Grund der vorgelegten Gutachten positiv entschieden hat, während das Standesamt Leoben den Antragsteller, trotz vorliegender Gutachten, zu einer gerichtlich beeideten Psychiaterin geschickt hat, und die daraus entstehenden Kosten dem Antragsteller auferlegt hat. [Rest gekürzt]
Das ist die andere rechtlich vorgezeichnete Lösung: die Heranziehung eines Privatsachverständigen. Das hat immer dann, und nur dann zu geschehen, wenn der Behörde kein Amtssachverständiger zur Verfügung steht (in der Praxis des Personenstandswesens außerhalb Wiens dürfte das heißen: wenn es weder bei der Gemeinde, noch bei der BH, noch beim Amt der Landesregierung jemanden gibt, der sich so ein Gutachten zutraut).
Hier sucht grundsätzlich immer die Behörde den Sachverständigen aus und bestellt ihn für das Verfahren (d.h. gibt ein Gutachten in Auftrag). Der kriegt dafür kein frei vereinbartes Honorar sondern gesetzliche Gebühren, die nach den Regeln des Gebührenanspruchsgesetzes für Gerichtssachverständige bemessen werden. Diese Gebühren sind für die Behörde Barauslagen und als solche zwingend der Partei (= Antragsteller/in) aufzuerlegen.
Das steht hier drin, im V. Teil des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG (Auszüge):
Zitat:V. Teil: Kosten
Kosten der Beteiligten
§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. [...]
Kosten der Behörden
§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.
(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig. [...]
§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. [...]
(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.
Unter Beweis gestellt werden muss bei der TG-Personenstandsänderung laut VwGH Folgendes:
- die Dauerhaftigkeit des Wechsels der Geschlechtsrolle und
- eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des Nicht-Geburtsgeschlechts.
Man sollte sich als Betroffene/r vor allem vor Augen halten, dass das Verwaltungsverfahren vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel geprägt ist. Alles, wirklich alles, was die Behörde von einem Sachverhalt überzeugen kann, ist geeignet, also - siehe Evas Posting - auch Urkunden aller Art (Rechnungen vom Epilieren, Honorarnoten vom Stimm- und Sprachtherapeuten, schriftliche Befunde und Privatgutachten von behandelnden Ärzten und Therapeuten etc.), Zeug/inn/en, die über die Entwicklung und das Verhalten des/der Betroffenen betreffend Genderwechsel aussagen können, Fotos, die die äußere Veränderung dokumentieren. Denkbar wäre auch ein Augenschein, also ein Erscheinen des Trans*Menschen vor dem zuständigen Beamten der Personenstandsbehörde, der seine Eindrücke in einer Niederschrift festhält, eventuell verbunden mit der Aussage des/der Betroffenen.
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
Liebe Tanja,
Deiner Auffassung ...
(11.10.2011, 19:42)Mike-Tanja schrieb:
Unter Beweis gestellt werden muss bei der TG-Personenstandsänderung laut VwGH Folgendes:
- die Dauerhaftigkeit des Wechsels der Geschlechtsrolle und
- eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des Nicht-Geburtsgeschlechts.
... kann ich mich nicht anschließen. Abgesehen davon, dass du die weisen Worte des Gerichts etwas salopp zitierst, handelt es sich hier um ein Urteil, in dem begründet wird, welche Kriterien auf jeden Fall ausreichend sein sollten. Es ist keine Anweisung für das BMI oder die Standesämter.
Schwächere Kriterien (z.B.: ein Bemühen um geschlechtskonformes Auftreten) könnten de Jure ebenso reichen. Stärker Kriterien (maximal 42er Schuhgrüße und Hormonstatus a la Superfrau) könnten leider ebenso herangezogen werden.
Tatsächlich haben wir in Österreich überhaupt keine Rechtssicherheit bezüglich der Personenstandsänderung.
eVa
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
12.10.2011, 19:48
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.10.2011, 07:26 von Mike-Tanja.)
(12.10.2011, 16:38)Eva schrieb: Liebe Tanja,
Deiner Auffassung ...
(11.10.2011, 19:42)Mike-Tanja schrieb:
Unter Beweis gestellt werden muss bei der TG-Personenstandsänderung laut VwGH Folgendes:
- die Dauerhaftigkeit des Wechsels der Geschlechtsrolle und
- eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des Nicht-Geburtsgeschlechts.
... kann ich mich nicht anschließen. Abgesehen davon, dass du die weisen Worte des Gerichts etwas salopp zitierst, handelt es sich hier um ein Urteil, in dem begründet wird, welche Kriterien auf jeden Fall ausreichend sein sollten. Es ist keine Anweisung für das BMI oder die Standesämter.
Es ist rechtlich eine zwar nicht für andere Einzelfälle bindende aber sehr wohl verbindliche Auslegung, wann gemäß § 16 Personenstandsgesetz eine Eintragung im Geburtenbuch unrichtig geworden und daher zu ändern ist.
Ich zitiere gerne den entsprechenden Rechtssatz aus dem VwGH-Erkenntnis vom 27. Februar 2009, 2008/17/0054, vollständig, damit keiner sagt, ich würde mit den "weisen Worten" eines Höchstgerichts "salopp" umgehen :
Zitat: Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner bereits im Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/01/0061, zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht fest, dass für den Bereich des österreichischen Personenstandsrechts in Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierenden Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird, die betreffende Person als Angehörige des Geschlechts anzusehen ist, das ihrem äußeren Erscheinungsbild entspricht. Sollte diese Voraussetzung gegeben sein, hat die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Geburtenbuch zu ändern, weil sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.
(12.10.2011, 16:38)Eva schrieb: [hier gekürzt]
Tatsächlich haben wir in Österreich überhaupt keine Rechtssicherheit bezüglich der Personenstandsänderung.
Das würde ich nicht sagen. Die Handlungsanweisung steht nicht im Gesetz, ja, aber im Verbund mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (der VwGH, der allgemein ein sehr zurückhaltendes, um nicht zu sagen leisetreterisches Höchstgericht ist, sagt unmissverständlich: "hat die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Geburtenbuch zu ändern") haben wir uns dadurch etwa das deutsche Dilemma erspart, wo ein ausgefeiltes TSG zwar früher "Rechtssicherheit" aber auch einen gesetzlich festgeschriebenen Operationszwang gebracht hat.
Ich halte nicht viel von "Rechtssicherheit", die auf (einfache) Gesetze aufbaut. Das ist aus meiner Sicht ein höchst trügerisches Sicherheitsgefühl. Ich unterstütze bedenkenlos jede Initiative, das Personenstands- und Namensrecht in Richtung freier Wahl von Geschlecht und Vornamen zu liberalisieren. Aber jede Änderung wird auch eine Vielzahl neuer Fragen aufwerfen, "sicherer" wird durch ein paar mehr oder weniger "weise Worte" des Gesetzgebers gar nix. Leider.
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
(12.10.2011, 16:10)Angelika schrieb: [hier gekürzt]
Du hast natürlich Recht. Allerdings "Wien ist anders", und daher stellt die Stadt Wien die Kosten der Amssachverständigen den AntragstellerInnen nicht in Rechnung. [hier auch]
Wien ist dabei nicht "anders" als Neusiedl am See oder Innsbruck, das ist einfach die geltende Rechtslage, die Kosten eines Amtssachverständigen dürfen der Partei nicht vorgeschrieben werden.
Was in Wien bei einer Personenstandsänderung anders und günstiger für Antragsteller/innen ist, ist die Tatsache, dass der Personenstandsbehörde ein/e Amtssachverständige/r zur Verfügung steht. Das dürfte aber vor allem darauf zurückzuführen sein, dass Wien eine Großstadt und gleichzeitig als Träger des KAV größter Arbeitgeber für Mediziner/innen im Land ist. Ökonomisch nennt man so etwas auch "Nutzung von Synergien". In Leoben oder Zell am Ziller dürfte die Auswahl an Sachverständigen für Transsexualität einfach etwas beschränkter sein, und da geht das halt ned.
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
Wenn ich das alle so lese, hab ich ja richtig Glück gehabt und einen Standesbeamten, welcher das schnellstmöglichist vom Tisch haben wollte. Ich denke es braucht einfach eine österreichweite Regelung, weil es kann ja nicht so sein - wenn man in Vorarlberg oder Niederösterreich lebt anders behandelt wird als anderswo. Hier lebt immer noch die Willkür einzelner beamteten "Staatsdienern"!
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
(16.10.2011, 11:13)Ulli schrieb: [hier gekürzt] Ich denke es braucht einfach eine österreichweite Regelung, weil es kann ja nicht so sein - wenn man in Vorarlberg oder Niederösterreich lebt anders behandelt wird als anderswo. [hier auch]
Derzeit gelten von Parndorf bis Lochau, von Aigen im Mühlkreis bis Faak am See genau dieselben Gesetze. Bloß in der Vollzugspraxis gibt es, da das Innenministerium auf einen entsprechenden Erlass verzichtet (siehe Angelikas erstes Posting), ein paar Unterschiede. Das hat Nach- aber auch Vorteile. Würde das Ministerium z.B. auf die Einholung verschiedenster Gutachten bestehen, könnte es die Personenstandsänderung auch in Wien zum Spießrutenlauf machen. Und - und das ist derzeit der wesentliche Punkt - die personelle Ausstattung der Personenstandsbehörden ist halt sehr verschieden. Wien kann für praktisch jede Frage eine/n Amtssachverständige/n aus dem Ärmel schütteln, während man in Leoben, wie wir gelesen haben, für die anscheinend gleiche ts-relevante Frage zu einem Privatsachverständigen geschickt wird (und dessen Kosten tragen muss).
Aber Ähnliches kann einem Antragsteller in einer Baurechtssache auch passieren.
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RE: Personenstandsänderung/Gutachten/Kosten
16.10.2011, 16:46
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.10.2011, 16:51 von Ulli.)
Dazu kommt kommt noch - wenn man nicht an den/die richtige GutachterIn kommt, welche/r nicht mit der Materie vertraut ist kann es sicher zu Problemen kommen. Ich war ja eine der allerersten und Angelika kennt die Story. Vielleicht wäre es sinnvoll, Adressen für kompetente Gutachter/innen hier rein zu stellen, oder auf Anfrage zu vermitteln. Just for Info: Bei mir war das am Standesamt in 10 Minuten erledigt, incl. Ausstellung der neuen Geburtsurkunde
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