DE: GNTM-Kandidatin wurde in männlichem Körper geboren

[chipsi]

(20.02.2017, 14:08)Eva_Tg schrieb: Nun, wenn du dich mit Modells vergleichen willst, egal ob Trans oder Cis, dann mach das. Dann ergeben deine Argumente auch Sinn.

Ich vergleich mich nicht mit Models, wie kommst du auf die Idee?

Zitat:Nur dann werden deine Zweifel an deiner Akzeptanz nie verschwinden. Das glaube ich zu mindestens.

Die Frage ist von welcher Akzeptanz du sprichst. Sich selbst zu akzeptieren, ist das eine. Von anderen akzeptiert zu werden, das andere. Wenn man von seiner Umgebung nicht akzeptiert wird und - um ein Beispiel zu nennen - gemobbt oder diskriminiert wird, dann hilft es wenig wenn man sich selbst akzeptiert, aber eben die anderen ein Problem mit einem haben und am liebsten hätten wenn man verschwindet.

Zitat:Hier ist der Unterschied am deutlichsten, ich habe weniger Ansprüche an mich und damit weniger Zweifel. 

Der Unterschied ist aber auch, dass bei dir aufgrund deiner Körpergrösse, der Statur und den Gesichtszügen niemand auf die Idee kommt, du könntest etwas anderes als eine Frau sein. Mit diesen Voraussetzungen, zu denen ich dir nur gratulieren kann, ist es leicht weniger Ansprüche und Zweifel an sich selbst zu haben.

Zitat:Warum so viele Transfrauen so einen Wert auf eine möglichst perfekte Anpassung legen, verstehe ich nicht. Woher kommt das?

Kurz gesagt, weil es davon abhängen kann ob man wie eine Aussätzige behandelt wird, oder als normale Frau.

Zitat:Aber ich muss dir wiedersprechen, Akzeptanzprobleme sind nicht davon abhängig, was die Leute wissen. Bei mir wissen sehr viele Leute, dass ich transident bin und ich werde nicht anders behandelt als die anderen Frauen. 

Das glaub ich dir auch, und zu einem guten Teil wird es auch damit zusammenhängen, da du ohnehin wie eine Frau aussiehst. Für viele Menschen ist es dann leichter TS zu akzeptieren, wenn sei ohnehin wie Frauen aussehen. Eine Transfrau mit maskulinen Gesichtszügen und Bartschatten sowie Geheimratsecken und sonstigen Merkmalen die gegen ein gutes Passing sprechen, wird vermutlich viel grössere Akzeptanzprobleme haben.

Zitat:Wie groß der Einfluss des Erscheinungsbilds ist, läßt sich aber nur schwer ermitteln.
Allein die Ermittelung der einzelnen Faktoren ist nicht einfach. Wie gut ist das Passing? Wie viele Menschen wissen, dass man transident ist? Ab wann ist man bereit über dieses Thema mit anderen zu reden? Was sind die Folgen? etc... etc.

Naja, wenn man wie ein Mann in Frauenkleidern aussieht, dann ist das Passing wohl nicht so gut, und die Reaktionen der Umwelt evtl. auch nicht so toll. Unterscheiden sollte man allerdings zwischen Alltagssituationen wo alleine das Passing ausschlaggebend ist, wie man wahrgenommen wird, und längerfristige Kontakte jeglicher Art, wie bspw. bei der Arbeit, und wo halt früher oder später etwas auffallen könnte.

Zitat:... 
Dein Bild mag realistisch sein, aber ich frage mich wie gehst du mit diesen ganzen Fakten um. Immer drauf hoffen nicht aufzufallen, mag ja ganz gut sein. Aber was machst du wenn du doch auffällst?

Wenn ich nicht mit vielen Dingen umgehen könnte, wäre ich jetzt auch nicht da wo ich bin. Ich fahr jetzt jeden Tag mit der Strassenbahn, und wenn man sich so umsieht, hat fast jeder Mensch irgendwas an sich das auffällt, positiv oder negativ. Die Durchschnittsfrau mag vielleicht irgendwo existieren, aber die Frauen die ich jeden Tag seh, schauen ja auch total unterschiedlich aus. Bei Jugendlichen fällt mir noch am ehesten eine gewisse Konformität in Bezug auf Kleidung und Frisur auf, bei älteren verliert sich das eher finde ich. 

Zitat:... Wenn man denkt solche Shows würden einen Maßstab festlegen, macht man sich das Leben irgendwie ziemlich schwer. ...

Natürlich legen Castingshows keinen Maßstab fest, weder für CIS- noch für Transfrauen. Aber sie vermitteln ein bestimmtes Idealbild, sonst würden ja auch nicht viele gerne wie ein Model aussehen wollen und dort mitmachen.

[Ирина]

(20.02.2017, 14:08)Eva_Tg schrieb: Bei mir wissen sehr viele Leute, dass ich transident bin und ich werde nicht anders behandelt als die anderen Frauen.

Kannst du das wirklich immer mit absoluter Sicherheit sagen? Nachdem niemand von uns zu 100 % in andere Menschen hineinschauen kann und sich viele heutzutage gut verstellen können, kannst du gar nie so sicher sein, ob sie alle immer ehrlich zu dir sind.

Das ist das gleiche wie mit den s.g. Anstands- bzw. Höflichkeitsbesuchen, wo man sich halt 2-3 Stunden zusammenreißt, einen Smiley aufsetzt und so tut, als würde man sich wahnsinnig freuen, die Leute endlich wiedersehen zu können, dabei aber die ganze Zeit nur denkt "ich halte das nicht mehr aus, wann kann ich endlich wieder abhauen".

Deshalb halte ich es für leicht möglich, dass da auch bei dir jemand dabei ist, der dich immer anlächelt und sagt, wie sehr er deine Gegenwart schätzt, sich in Wahrheit aber insgeheim dauernd denkt "diese geisteskranke Transenmissgeburt soll doch endlich elendig verrecken" - und je mehr Leute dich regelmäßig sehen, desto wahrscheinlicher wird sowas ...

[Eva_Tg]

(20.02.2017, 21:08)Ирина schrieb:

(20.02.2017, 14:08)Eva_Tg schrieb: Bei mir wissen sehr viele Leute, dass ich transident bin und ich werde nicht anders behandelt als die anderen Frauen.

Kannst du das wirklich immer mit absoluter Sicherheit sagen? Nachdem niemand von uns zu 100 % in andere Menschen hineinschauen kann und sich viele heutzutage gut verstellen können, kannst du gar nie so sicher sein, ob sie alle immer ehrlich zu dir sind.

Natürlich bin ich mir sicher, weil ich von Verhalten rede, nicht davon was Leute sagen.
Und das wären dann schon oscarreife Vorstellungen.
Lass mich mal sehen... Küssen und umarmen, macht man ja auch so gerne, wenn ein Problem damit hätte, dass ich eine Transfrau. Das ist alles nur Tarnung.
Oder mich fragen, ob ich im Pub etwas trinken möchte und mir es nicht nur bringen, sondern auch noch für mich bezahlen. Das macht man alles nur um die Abneigung zu verbergen.
Oder wenn Männer mir ihren Sitzplatz anbieten.
Oder wenn andere einschreiten, wenn ich belästigt werde.

Respekt was Leute so alles machen, nur um nicht ehrlich zu mir zu sein und ihre Abneigung nur nicht zu zeigen.

(20.02.2017, 21:08)Ирина schrieb: Das ist das gleiche wie mit den s.g. Anstands- bzw. Höflichkeitsbesuchen, wo man sich halt 2-3 Stunden zusammenreißt, einen Smiley aufsetzt und so tut, als würde man sich wahnsinnig freuen, die Leute endlich wiedersehen zu können, dabei aber die ganze Zeit nur denkt "ich halte das nicht mehr aus, wann kann ich endlich wieder abhauen".

Deshalb halte ich es für leicht möglich, dass da auch bei dir jemand dabei ist, der dich immer anlächelt und sagt, wie sehr er deine Gegenwart schätzt, sich in Wahrheit aber insgeheim dauernd denkt "diese geisteskranke Transenmissgeburt soll doch endlich elendig verrecken" - und je mehr Leute dich regelmäßig sehen, desto wahrscheinlicher wird sowas ...

Ah, ok, meine Freunde halten es also nur aus reinem Anstand 48 Stunden und länger mit mir zusammen aus? Muss ja eine echte Quälerei sein ein ganzes Wochenende mit mir zu verbringen und dann noch zusammen mit mir in einem Zelt schlafen oder zusammen mit mir duschen zu müssen.
Und das ganze dann noch so 10 mal pro Jahr, also die haben alle wirklich viel zu ertragen und das ohne  das ich es merke.

Also erkläre mir nochmal, was Leute, die sich so verhalten in Wahrheit über mich denken?
Auf die Theorien bin ich echt gespannt.

[Ирина]

Ganz ehrlich, Eva, ich bewundere deine Menschenkenntnis! Es freut mich für dich, wenn du stets nur von ehrlichen, anständigen Leuten umgeben bist, bzw. dir von vorn herein nur solche als Freunde ausgesucht hast und das meine ich nicht sarkastisch, sondern total ehrlich!

Allem Anschein nach wurdest du im Gegensatz zu mir noch nie belogen, hintergangen, ausgenutzt, geschlagen, öffentlich gedemütigt oder bestohlen und es hat auch noch nie jemand gewagt, ein böses Wort über dich hinter deinem Rücken zu verlieren.

Wenn du aber all das erlebst, wird es dir bestimmt genauso ergehen wie mir, dass du irgendwann niemandem mehr vertrauen kannst und hinter allen Freundlichkeiten eine böse Absicht vermutest - und sei es nur eine unbedeutende kleine Gegenleistung, die sich jemand vielleicht dadurch erhofft, dass er dir etwas Nettes gesagt oder getan hat.

Ich muss zugeben, das Vertrauen zu anderen Menschen selbst erst wieder mühsam lernen zu müssen, aber ich gebe dir ein kurzes Beispiel von vielen aus meinem Leben, warum das so ist:

Weißt du, was die Kinder zu mir gesagt haben, als sich ein Schulkollege von mir in der Parallelklasse das Leben genommen hat? Sie fragten mich laut und deutlich in der Pause: "Wieso er und nicht du?"

Würdest du es bis zum Schulabschluss aushalten, jeden Tag diesen Drecksäuen und ihren hinterhältigen Gemeinheiten mit stoischer Gelassenheit und Gleichgültigkeit entgegenzutreten und alles über dich ergehen zu lassen oder hättest du dich zur Wehr gesetzt und die Gewalt-Spirale zwischen Täter und Opfer selbst mit Gegenangriffspunkten befeuert, bis du irgendwann zusammengeschlagen im Straßengraben landest?

Ich war zu dem Zeitpunkt glücklicherweise schon klüger, nachdem ich bei meinen Eltern hautnah miterlebt habe, wie Streit, Hass und blinde Zerstörungswut ihre Kreise zieht und am Ende restlos eskaliert, sodass für den Schwächeren (in diesem Fall meine Mutter) nur noch Selbstmord übrig bleibt.

Zitat erwachsener "Vertrauenspersonen" dazu hinter meinem Rücken: "Aber das alles hat sich ja bloß der schlimme kleine Bengel ausgedacht, weil er anscheinend zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, nicht?"

[Eva_Tg]

Wie gesagt, es geht wirklich um ganz andere Dinge als um ein paar überdurchschnittlich gut aussehende Transfrauen im Fernsehen.

(21.02.2017, 00:53)Ирина schrieb: Ganz ehrlich, Eva, ich bewundere deine Menschenkenntnis! Es freut mich für dich, wenn du stets nur von ehrlichen, anständigen Leuten umgeben bist, bzw. dir von vorn herein nur solche als Freunde ausgesucht hast und das meine ich nicht sarkastisch, sondern total ehrlich!

Ob es sarkatisch war oder nicht, ist egal... Meine Antwort darauf wäre so oder so die gleiche.
Ja, wenn ich das Gefühl habe jemand ist nicht aufrichtig mit mir, dann halte ich mich von der Person fern und sehe sie weder als Freund, noch als Bekannten an.
Wenn mich mein Gefühl getäuscht hat und die Person hat ein Interesse daran die Dinge aus der Welt zu schaffen, wird sie mich darauf ansprechen.
Und Heuchler machen sich nicht die Mühe sowas zu klären.
Eigentlich ganz einfach.

Und das ist mir schon öfters passiert, dass ich jemanden ganz in Ordnung fand, bis ich merkte das da kein netter Charakter dahinter steckt. Zum Beispiel ein ehemaliger Bekannter, die andauernd Frauen angräbt und bei allen die ihn abblitzen lassen erzählt rum, das wären Schlampen. Das typische gekränkte, männliche Ego, sorry aber das geht gar nicht.
Genau war zwischen gewissen Freunden und mir monatelang Funkstille war, bis sich jemand ein Herz gefasst hat und sagte die Dinge müssen geklärt werden, weil sich Freunde gegenseitig so nicht behandeln. Und dann kam raus das es letztlich alles nur Kleinigkeiten waren, die sich hochgeschaukelt hatten.
Also man kann schon unterscheiden, wer ehrlich ist und wer nicht, das ist keine besondere Kunst.

(21.02.2017, 00:53)Ирина schrieb: Allem Anschein nach wurdest du im Gegensatz zu mir noch nie belogen, hintergangen, ausgenutzt, geschlagen, öffentlich gedemütigt oder bestohlen und es hat auch noch nie jemand gewagt, ein böses Wort über dich hinter deinem Rücken zu verlieren.

Wenn du aber all das erlebst, wird es dir bestimmt genauso ergehen wie mir, dass du irgendwann niemandem mehr vertrauen kannst und hinter allen Freundlichkeiten eine böse Absicht vermutest - und sei es nur eine unbedeutende kleine Gegenleistung, die sich jemand vielleicht dadurch erhofft, dass er dir etwas Nettes gesagt oder getan hat.

Natürlich wurde ich belogen, ausgenutzt und gedemütigt. Vielleicht sogar mehr als du.
Und das ging Jahrelang so.
Aber nur weil mich gewisse Menschen in der Vergangenheit schlecht behandelt haben, brauche ich nicht glauben, dass andere Menschen mich in der Gegenwart oder Zukunft auch schlecht behandeln.

(21.02.2017, 00:53)Ирина schrieb: Ich muss zugeben, das Vertrauen zu anderen Menschen selbst erst wieder mühsam lernen zu müssen, aber ich gebe dir ein kurzes Beispiel von vielen aus meinem Leben, warum das so ist:

Vertrauen in andere Menschen ist immer ein Kredit, den man gewährt und manchmal kriegt man nichts zurück. Wenn man Angst hat, dass könnte passieren, dann vergibt man ihn nicht. Aber letztlich kann es immer passieren, auch wenn man das Risiko eingeht.

Letztlich braucht man nicht nur Vertrauen in andere, sondern auch in sich selbst, das man jemand anders richtig eingeschätzt hat. Wenn ich nicht mal meiner eigenen Urteilskraft trauen kann, wem soll ich dann trauen?
Und wie lernt man sich selbst zu vertrauen? Indem man bemerkt, dass das Vertrauen in andere richtig war. Und jetzt sind wir bei der berühmten Frage nach dem Huhn und dem Ei angelangt: Was kam zuerst?

Ich weiß es nicht, weil ich das in kleinen Schritten über Jahre in der Therapie gelernt habe, bis ich gemerkt habe, dass ich das kann.
Der Aufbau von Vertrauen ist ein wichtiger Bestandteil der Therapien von transidenten Menschen, aber der scheint oft zu kurz zu kommen. Warum sonst würde man es als beinahe selbstverständlich ansehen, dass so viele so extreme Selbstzweifel haben. Ich würde ja schon fast behaupten die Therapeuten machen es sich schön einfach und überlassen das alles allein den Endokrinologen und Chirugen. Die dabei dann mehr oder weniger erfolgreich sind.

Außerdem muss man auch lernen zwischen Selbstzweifel und Selbstkritik zu unterscheiden. Solange man beides verwechselt wird man nie voran kommen. Selbstzweifel behindern und lähmen, bis zu dem Punkt an dem man gar nicht mehr handeln kann oder sogar die Realität anzweifelt. Ist das was ich gesehen habe wirklich so, oder steckt irgendetwas anderes dahinter?
Selbstkritik hingegen macht stärker, weil man sehr gut vorhersagen kann, was man kann und was man nicht kann. Die ganzen abgedroschen Sprüche wie "Erkenne dich selbst." oder "Kenne deine Schwächen und nutze sie." sind nicht anderes als Selbstkritik.
Dann kann man immer sagen, das wird gut gehen und dies wird nicht gut gehen und das da könnte vielleicht gut gehen. Also macht man das wo man sich sicher ist und das andere läßt man. Außer man ist in Spielerlaune und ist bereit auch einen Misserfolg in Kauf zu nehmen.

Ich selbst bin lieber auf der sicheren Seite, aber manchmal zwingen einen die Umstände dazu gewisse Risiken einzugehen. Selbstvertrauen und Risikobereitschaft treten zwar oft gemeinsam auf, aber gehören nicht zwangsläufig zusammen. Ich mache oft nur das, was mir sicher erscheint oder die Folgen eines Scheiterns überschaubar sind.


Natürlich beeinflußen negative Erlebnisse immer die Psyche, genauso wie positive.
Möchtest du wissen was ich erlebt habe?
Ich wurde jahrelang von anderen Transfrauen verspottet, beleidigt und gedemütigt, ich wurde als pervers, geisteskrank und Möchtegern-Transe beschimpft.
Wie gesagt, das kam alles von Leuten, die unter den selben Problemen leiden wie ich und nicht von irgendwelchen transphoben Deppen.
Das hat doppelt so weh getan und das tut es auch heute noch. Nach deinen Ausführungen müßte ich inzwischen jede Transfrau auf der Welt abgrundtief hassen, nachdem mir einige solche schrecklichen Dinge angetan haben.
Trotzdem versuche ich einen normalen Umgang, auch wenn ich über die Jahre immer wieder enttäuscht wurde.
Aber wie ich sagte, Vertrauen ist ein Kredit denn man vergibt und manchmal kriegt man ihn nicht zurück.

[Mike-Tanja]

Moderationshinweis: Da die Diskussion derzeit ins (zu) Persönliche abzurutschen droht (--> Thema beachten!), verordne ich dem Thread hiermit 24 Stunden Sendepause, auch als Sperre bekannt.

Dann geht's hoffentlich wieder entspannter weiter!