Intersexualität & Non-Binary: Verfahren zu Anerkennungen eines dritten Geschlechts
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts
Beitrag #57
Aus dem Rechtspanorama der "Presse":
Zitat:Was ein drittes Geschlecht bedeutet
Nach einem Beschluss des Höchstgerichts könnte es künftig mehr als nur männlich und weiblich geben, vielleicht sogar ein Ende jeglicher Geschlechtereinteilung. Was wären die rechtlichen Folgen für Ehe, Wehrpflicht oder Pensionsantrittsalter?

Für die Eintragung eines dritten Geschlechts fehle die Software, sagte das Standesamt. Die Rechtsordnung gehe nur von zwei Geschlechtern aus, meinte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Doch Alex Jürgen (Jahrgang 1976), dessen Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind und der sich weder als Mann noch als Frau fühlt, ging darauf vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Und das Höchstgericht beschloss nun, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Am Ende könnte sogar stehen, dass von gar keinem Bürger mehr ein Geschlecht amtlich vermerkt wird. Doch was bedeutet die VfGH-Entscheidung genau?

1 Wie sicher ist es, dass die bisherige Rechtslage gekippt wird?
Es ist recht wahrscheinlich. Nicht nur, weil es zur Frage des dritten Geschlechts schon bejahende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des deutschen Bundesverfassungsgerichts gibt. Auch der VfGH lässt in seinem Prüfungsbeschluss klare Argumente für eine Ausweitung der Geschlechter erkennen. So dürfte aus dem Recht auf Privatleben ableitbar sein, dass „Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität“ vor einer „fremdbestimmten Geschlechtszuweisung“ zu schützen seien, meint der VfGH.

Vor der Entscheidung, ob man das Gesetz kippt, wird aber noch einmal abgestimmt. Und da die Gesetzesprüfung ein neues Verfahren ist, wird sich die Richterbesetzung gegenüber dem jetzigen Prüfungsbeschluss ändern. So stoßen die (realpolitisch von der FPÖ nominierten) Richter Andreas Hauer und Michael Rami dazu. Der von der ÖVP jüngst nominierte Wolfgang Brandstetter war schon beim jetzigen Prüfungsbeschluss dabei.

2 Welche Entscheidung des VfGH könnte es am Ende geben?
Der VfGH hat drei Möglichkeiten:
Er könnte zum Schluss kommen, dass die bisherige Rechtslage doch in Ordnung ist.
Er könnte finden, dass es nicht nötig ist, das Gesetz zu kippen, aber dass es künftig anders interpretiert werden muss. So steht im Personenstandsgesetz nur, dass das „Geschlecht“ einer Person einzutragen ist. Eine Beschränkung auf männlich oder weiblich ist aber nicht vorgesehen. Man könnte das Gesetz also so interpretieren, dass weitere Geschlechtsbezeichnungen zugelassen werden.
Der VfGH könnte aber auch jene Gesetzespassage, laut der bei einer Person das Geschlecht angegeben werden muss, kippen. Diese Gesetzespassage ist vom jetzigen Prüfungsbeschluss umfasst.
Möglicherweise würde der VfGH das Kippen der Gesetzesstelle mit einer Übergangsfrist versehen. Während dieser könnte der Gesetzgeber sich eine neue, verfassungskonforme Regel ausdenken. Handelt die Politik nicht, würde die bisherige Norm außer Kraft gesetzt. Und dann dürfte von gar keinem Bürger mehr ein Geschlecht vermerkt werden.

3 Welche Folgen hätte es, wenn es keine Geschlechterangabe gibt?
Eine Aufhebung der Registrierung von Geschlechtern wäre kein großes Problem, meint Rechtsanwalt Helmut Graupner, der Alex Jürgen vertritt. Die Ehe bzw. Eingetragene Partnerschaft stehe ab 2019 ohnedies allen offen. Das unterschiedliche Pensionsalter von Männern und Frauen sei ein „Auslaufmodell“, das 2033 endet. Und bei der Wehrpflicht gebe es gute Gründe, sie aufzugeben oder auf alle anzuwenden, meint der Anwalt. Sonst müsste der Staat im Einzelfall anhand der Geschlechtsmerkmale prüfen, wer männlich und daher wehrpflichtig ist.
Zum Heer müssten Personen mit einem dritten Geschlecht nicht. Nur Männer sind wehrpflichtig. Das niedrigere Pensionsalter (60 statt 65) ist wiederum explizit nur für Frauen vorgesehen.

4 Falls neue Geschlechtsangaben kommen, welche darf man wählen?
Ein Staat darf, wenn er will, das Geschlecht seiner Bürger registrieren. Möglicherweise muss er nach dem VfGH-Erkenntnis aber neben männlich und weiblich noch weitere Optionen (x, inter) anbieten. Der Betroffene sollte selbst eine Bezeichnung wählen können, die zu ihm passt, sagt Graupner. Sie müsse aber zum Thema Geschlechteridentität passen und dürfe keine Fantasiebezeichnung sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)
Zitat



Nachrichten in diesem Thema
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - von SingingComet - 19.03.2018, 23:17
(m/w/d) -> "d" schon möglich? - von mike. - 05.04.2019, 21:21

Gehe zu: