standard.at: Kerosin 95: "Das ist verinnerlichte Arroganz"
RE: standard.at: Kerosin 95: "Das ist verinnerlichte Arroganz"
Beitrag #8
An mir selber bemerke ich gerade, dass es leichter ist, von anderen zu fordern, sie mögen doch einmal über ihren Tellerrand schauen, als selber über den eigenen Tellerrand, der doch schon so viel weiter ist als der von den Kritisierten, hinauszugehen.
Die Forderung, auf gendernde Pronomen zu verzichten, verursachen so viel Verwunderung in mir, dass ich nun endlich an mir selber erleben kann, wie sich cis Menschen fühlen können, die von trans Menschen gesagt bekommen, sie möchten in Zukunft mit „sie“ oder „er“ angeredet werden, obwohl das Äußere dem augenscheinlich widerspricht.
 
Dabei ist die Situation bei trans Frauen und trans Männern recht einfach.
Sie wurden lange Zeit mit einem falschen Pronomen betitelt, das ihrem eigenen Erleben nicht entspricht.
Wenn nach der Transition das als richtig erlebte Pronomen verwendet wird, ist das für diese Personengruppe eine Genugtuung und Bestätigung, den richtigen Weg gegangen zu sein.
 
Eine ganz andere Lage ist es bei Genderfluiden oder Nicht-Binären.
Sie werden ihr Leben lang mit falschen Pronomen bezeichnet.
Nicht (nur) aus böser Absicht, sondern (auch) weil die deutsche Sprache für sie kaum adäquate Bezeichnungen hat.
 
Ob es mir persönlich gefällt oder nicht – wenn ich von anderen verlange, dass sie allen trans Menschen das Geschlecht zugestehen, welches sie für sich als richtig erachten, dann kann ich nicht den Nichtbinären und Genderfluiden ihr Recht auf genderneutrale Benennung verweigern.
 
 
Das frustriert mich ein wenig.
Mir den Status als „sie“ zu verweigern, nachdem ich die Ochsentour mit Alltagstest, Zwangstherapie, Indikation, zwei selbst bezahlten überteuerten Gutachten, Gerichtsverhandlung, MDK-Untersuchung und GAOP durchgemacht habe, fühlt sich an, als würde ich bei einem Marathonlauf kurz vor dem Ziel von einem Mofafahrer überholt werden, der dafür den Siegespokal bekommt.
 
Bei diesem Gedanken kann ich dem „Standard“ nur „Danke“ sagen.
Er hat mich mit diesem Interview und dem Video daran erinnert, dass mein Leben im richtigen Geschlecht mit dem so gut wie möglich richtigen Körper keine Trophäe ist.
Es ist keine Belohnung für erlittenes Unrecht.
 
Es ist einfach mein Leben, mein richtiges Leben, ganz egal, ob das von anderen anerkannt wird oder nicht.

Andere dabei zu unterstützen, ihr richtiges Leben zu leben, erscheint mir richtig.

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Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
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RE: standard.at: Kerosin 95: "Das ist verinnerlichte Arroganz" - von Rabenmädchen - 09.03.2021, 23:17

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