Diagnose: F-64.0
Diagnose: F-64.0
Beitrag #1
Question 
Meine Frage ist, wie ein/e Psychiater/in, Psychologe/Psychologin oder Psychotherapeut/in nach den Regeln der Wissenschaft die im Betreff bezeichnete Diagnose (F-64.0 Transsexualismus laut ICD-10) eigentlich stellt?

Es ist bekanntlich ja nicht ganz unwichtig, objektiv zwischen Tivis und MzF-TS unterscheiden zu können. Man muss auch Menschen, die TS zu sein nur behaupten, etwa Menschen, die unter allgemeineren psychischen Problemen (Wahnvorstellungen etc.) leiden, herausfiltern, bevor man sie mit gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt.

Macht man das mit bestimmten Tests, durch Exploration im Gespräch, an Hand Beobachtung des Verhaltens des Menschen oder durch eine Kombination mehrerer Methoden? Gibt es verschiedene wissenschaftlich anerkannte Methoden?
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! Wave   -
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #2
Hallo Mike-Tanja

Soweit mir bekannt ist, ist diese Diagnose ,die einzigste Selbsdiagnose die medizinisch anerkannt ist und beachtet wird. Nicht der Arzt oder der Psychater stellt die Diagnose, sondern jede(r) der es für sich so empfindet, selbt.

So ist mir bekannt, bitte gern um eine Korrektur..

Laufmaschenfreie Grüße
Michaela
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #3
Also ich hatte vor kurzem, naja ist ja auch schon einen Monat her, meinen Termin beim Psychiater. Eigentlich waren es 2 Termine.

Beim ersten wurden diverse Tests gemacht. Wie das Freiburger Persönlichkeitsinventar FPI (den Test hab ich mir notiert, darum kenn ich noch den Namen^^) dann einen Intelligenztest, sowie ein Test auf Depressionen und dann sonst noch ein Persönlichkeitstest.

Am 2 Tag hatte ich dann ein persönliches Gespräch .... ging fast 2 Stunden. Aber ich denke der Psychiater stützt sich doch sehr auf das Schreiben der Psychologin. Ich glaube ned das sich ein Psychiater in 2 Stunden Gespräch ein Bild machen kann.

Ich muss auch noch dazu sagen das ich als Mann zum Psychiater gegenagen bin, da ich mein Bild gegenüber dem Psychiater nicht verzerren wollte. Er sollte optisch dass sehen was ich äusserlich bin. Und sich ohne Beeinflussung von aussen ein Bild machen. War mir persönlich sehr wichtig.

gruss

Chiara
I belive whatever doesn't kill you simply makes you ..........

stranger
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #4
Soweit mir bekannt ist TS eine Ausschlussdiagnose.
Also wenn es nicht Schizophrenie, Borderline, oder andere geistige Erkrankungen vorliegen UND die Patientin behauptet "im falschen Körper" zu stecken, dann ist es TS.

Und irren kann man sich immer. Da hilft auch kein Psychologe, oder Psychiater. Diese Therapeuten stützen sich nur auf das, was wir ihnen sagen. Wenn man genau weiß, was man sagen muss, dann kann man die ganz schön hinters Licht führen und bekommt eine OP Freigabe.

Ich bitte euch an dieser Stelle sehr sehr genau in euch hinein zu fühlen und alles abzuklopfen. Dazu Bedarf es leider Objektivität, die viele von uns nicht haben. Ich kenne leider auch TS, die heute ohne Pimmerling als Mann leben. Oder andere, die als Frau so gar nicht zurecht kommen, aber als Frau leben müssen, weil Mann irgendwie auch nicht mehr passt.

Die Therapie beim Psychologen dient dazu mit professioneller Hilfe über sich selbst zu reflektieren und Erfahrungen im anderen Geschlecht (Alltagstest) zu analysieren, damit am Ende die Patientin die richtige Entscheidung treffen kann.

Ich war 3 Jahre in Psychologischer Betreuung. Es kann also dauern, bis man bereit ist sein Leben um 180° zu ändern.

Ach ja, ich habe mich nicht geirrt, obwohl es Situationen gibt, wo ich den Pimmerling gerne wieder hätte Wink.
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #5
Ich neige auch eher zu der Ansicht, daß man das im Grunde selber weiß - sofern man nicht wirklich eine ernste, "handfeste" psychische Krankheit hat und das festzustellen oder auszuschließen sollte die moderne Psychiatrie meiner Meinung nach nicht wirklich überfordern. Ich glaube weiters, daß Zweifel an der Realisierbarkeit bzw. am langristigen Ergebnis berechtigt sind und daß es nicht in erster Linie auf die Frage ankommt, wo man sich auf der Skala von Wunsch - Sehnsucht - Verlangen - Zwang - Notwendigkeit befindet, sondern es vor allem auf die Beantwortung der Frage hinausläuft, ob man - nach besten Wissen und Gewissen, Bauchgefühl, Erfahrung, Beratung durch Erfahrene - davon ausgehen kann, daß man insgesamt im gefühlten Geschlecht mehr Freude am Leben (bzw. weniger Leiden) haben wird oder nicht. Statt einer vermutlich ohnehin unmöglich von außen stellbaren Diagnose (bin ich wirklich transsexuell oder nicht?) sollte man sich also vielleicht besser mit der Beantwortung der entscheidenden Frage "soll ich oder soll ich nicht?" ...begnügen.

Eine Diagnose im Sinne von "ist wirklich eine Frau im Männerkörper" oder "würde es nur geil finden, einen Frauenkörper zu haben" ist meiner Meinung nach nicht nur nicht möglich, sondern im Grunde auch sinnlos, weil auch mit einer "zweifelsfrei feststehenden" Diagnose in diesem Sinne noch immer nicht gesagt wäre, ob eine somatische, irreversible Therapie nun gemacht werden sollte oder nicht. Das ist wohl nur am Rande eine Frage der Psychiatrie, sondern auch eine finanzielle Frage, eine Frage des beruflichen Umfelds, des Elternhauses, eine Frage des Alters, der körperlichen Voraussetzungen, der Resistenz schiefen Blicken von Fremden, Verwandten und Bekannten gegenüber, der aktuellen Beziehung, des aktuellen körperlichen Gesundheitszustandes usw.
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #6
Den FPI-Test kann man auch online machen...und sich über die Ergebnisse wundern. Dient wohl eher dazu, den Grad an Labilität in der eben stattfindenden Krise schnell zu bestimmen. Aber ob der aussagekräftig ist? Denn es hängt wohl davon ab, in welchem Bewusstseinszustand ich mich gerade befinde und wohl nur genau für diesen einen Moment gültig...hmmm

http://www.psychomeda.de/online-tests/pe...stest.html
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #7
Wie die Diagnose wirklich zustande kommt? Das weiß wohl nur die Kristallkugel Wink

Es geht eigentlich nur darum, alles Gefährliche (psychotischer Schub o.Ä.) auszuschließen; Trans* diagnostizieren können nur die betreffenden Menschen selber.

Und gerade die Abgrenzung .0 und .1 scheint sich um die Frage zu drehen, ob es der Mensch denn auf körperliche Anpassung abgesehen hat.

Als ich die Zulassung zur HRT bekommen habe, war ich z.B.: vom Kleidungsstil her höchstens Teilzeit- und Gelegenheitsfrau. Die volle Transition kam dann in den Monaten danach; dass ich das wirklich von Anfang an wollte war nur aus meinen eigenen Formulierungen abzuleiten.
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #8
(08.02.2015, 23:41)Martha-Sophie schrieb: Wie die Diagnose wirklich zustande kommt? Das weiß wohl nur die Kristallkugel Wink

Es geht eigentlich nur darum, alles Gefährliche (psychotischer Schub o.Ä.) auszuschließen; Trans* diagnostizieren können nur die betreffenden Menschen selber.
heisst das im klartext:jeder mensch kann ts 'sein' oder 'werden'?wenn er nur will und grips genug hat ein paar fachtexte zu lesen und zu verstehen?
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #9
Genau aus diesem Grunde wirst Du über einen variablen Zeitbereich in der s.g. Differential-Diagnostik begleitet. Der Sinn darin sollte wohl sein, dass aus verschiedenen Blickwinkeln von verschiedenen Spezialisten Deine Situation "bewertet" wird, um genau das auszuschließen, was Du da andeutest.

Aber schlussendlich könnte man wohl alles irgendwie hintergehen, wenn nur genügend Energie in Dein Vorhaben steckst...denn wenn jemand unbedingt von der Brücke springen will, wird er es wohl irgendwann schaffen, je länger er es probiert...oder nicht? ;-)

Mia
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RE: Diagnose: F-64.0
Beitrag #10
Soviel ich weiß, ist das die ICD-10-Definition und damit auch die Diagnosekriterien:

Zitat:F64.0 Transsexualismus
Der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.

Also erstens "Der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden"

Meiner Meinung nach leidet schon dieser erste Satz der Definition unter dem schweren Mangel, dass ein "anderes" Geschlecht postuliert wird, ohne hier zwischen den verschiedenen Geschlechtsbegriffen (genetisch / hormonell / sozial usw) zu unterscheiden. In der Definition wird angenommen, dass es nur "Mann" und "Frau" gibt, das soziale Geschlecht bei "Nicht-F64.0" immer dem genetischen entspricht und es weiters nur 2 biologische, streng unterscheidbare Geschlechter gibt (Intersexualität ist dann wohl Behinderung, oder wie?).

Preisfrage: Ist ein intersexueller Mensch (sagen wir mal der Einfachheit halber ein Mensch, der von Geburt an weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale besitzt) transsexuell, wenn er "Mann" sein will?

Preisfrage 2: Ist ein Mensch, der sich nicht als männlich oder weiblich identifiziert und auch nicht den Wunsch danach hat, sondern den "Wunsch, als Transgender-Person zu leben und anerkannt zu werden" hat, transsexuell? Beispielsweise mit einem veränderten Körper ohne verändertes soziales Geschlecht?

Der zweite Satz ("Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher.") führt den Begriff "anatomisches Geschlecht" ein. Auch hier wieder Preisfrage: Was ist das anatomische Geschlecht? Bekommt man durch HRT und Op im besten Fall ein anderes "anatomisches Geschlecht" und ist dann plötzlich nicht mehr F64.0? Oder bleibt das eigene "anatomische Geschlecht" zB auch männlich, wenn man Vagina und Brüste statt Penis hat? Auch das wäre wohl etwas zweifelhaft. Weiters wieder: Wie ist das anatomische Geschlecht von Hermaphroditen?

Satz drei ("Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.") ist bekanntermaßen sowieso zu einer (meiner bescheidenen Meinung nach) menschenverachtenden Farce geworden, da er chirurgische UND hormonelle Behandlung fordert. Hat man alle "Symptome" ohne den Wunsch nach Op, ist man nach F64.0 nicht transsexuell. Langsam langweilig, aber auch hier wieder: es wird nur Mann/Frau im "reinen" Sinn als Geschlechtswahl "angeboten", d.h. dass man sich zB mit einem ursprünglich "rein" männlichen Körper und dann halt zusätzlich HRT wohl fühlen und dabei als Weder-Mann-Noch-Frau identifizieren kann, liegt nicht in der Vorstellungskraft der Autor*innen.

Mein Fazit: Definition und Kriterien leiden unter falschem Kategorisierungswahn (evtl krankhaft? sollte man dafür eine ICD-Diagnose einführen?), faktisch falschen Annahmen (dass es nur 2 Geschlechter gibt, die streng trennbar sind), ungenauer Begrifflichkeit ("Geschlecht" als ein Wort ohne weitere Differenzierung), und Vernachlässigung von Menschen, die HRT, aber keine Op wollen. FOLGLICH ist auch die Diagnose dieser "Störung der Geschlechtsidentität" mehr oder weniger vom Gutdünken der beurteilenden Person abhängig. Die gleichen Tatsachen (zB Identifikation als drittes Geschlecht) können einmal als F64.0 interpretiert werden und einmal kann dies mangels formaler Erfüllung der Kriterien abgelehnt werden.

Was man draus macht, wenn man diese "Diagnose" aus praktischen Gründen haben will, bleibt wohl jedem/jeder selber überlassen. Meiner Meinung nach sollte man sich von derartigem Schwachsinn (auch wenn er vermutlich gute Absichten dahinterstecken und man ja auch in Forschung und Praxis Bestrebungen sieht, die Situation zu verbessern) aber nicht in der Identitätsfindung beeinflussen lassen. Und da beginnt der wirklich schwierige Teil: Wer bin ich? Was will ich? Wie will ich leben? Diese Fragen wird leider und irgendwie auch glücklicherweise kein klinische-psychologischer Test und keine psychiatrische "Begutachtung" von oben herab beantworten können…
Das Leben ist eine Komödie und wir sind die Clowns.
Zitat



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