Beitrag #15
25.08.2013, 13:11
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 25.08.2013, 18:32 von Mike-Tanja.)
(24.08.2013, 18:04)jennybabe schrieb: Dennoch sind 35 Jahre spürbar zu lang und es würden weniger Jahre ebenfalls Strafe genug sein. Mir gehts nicht um Moral, sondern um die psychologische Seite und wir bestehen nunmal aus viel Psyche.
Nur weil im Gesetzbuch 35 steht, braucht man deswegen nicht einfach ja und amen zu allem sagen. [Rest gekürzt]
(25.08.2013, 07:58)Granada schrieb: Also da komm ich ja aus der Schnappatmung gar nicht mehr raus! Das Maß an Intoleranz und Arroganz, das hier direkt und zwischen den Zeilen Chelsea Manning gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, übersteigt fast alles, was wir selbst erleben oder erlebt haben und zu recht als unangemessen anprangern. [hier gekürzt]
Chelsea Mannings Geschlechtsidentitätsstörung war bereits während der Verhandlung Thema. Das schwarz-weiße Foto, das sie mit Perücke ihres Autos zeigt, hatte sie schon vor sehr viel längerer Zeit an ihren Vorgesetzten gemailt und damit begonnen, sich der militärischen Führung gegenüber zu outen. Da muß der psychische Druck enorm sein, wenn ich so ein Foto meinem militärischen Vorgesetzten zukommen lasse.
[hier gekürzt]
Zu dem, was Chelsea Manning an Dokumenten verraten hat, bin ich der Ansicht, daß es gut war, daß sie damit der Weltöffentlichkeit gezeigt hat, was die USA in Afghanistan und anderswo an Kriegsverbrechen begangen haben. [Rest gekürzt]
Mein Punkt ist, dass ich den Tenor mancher Kommentare (nicht nur hier) für unangemessen halte, der da sinngemäß lautet: "Ein weiterer Beweis für das Perverse und Böse am US-System!"
Meine persönliche Meinung dazu lautet:
- Die verhängte Strafe (35 Jahre Freiheitsentzug) ist, nach meinem persönlichen Wertmaßstab, übermäßig hart und unangemessen hoch.
- Ich nehme aber zur Kenntnis, dass sie nicht die Höchststrafe ist, die nach US-Militärstrafgesetz gedroht hätte. Das Gericht war aber an dieses Gesetz gebunden und durfte es nicht durch seinen persönlichen Wertmaßstab ersetzen.
- Chelsea/Bradley Manning hat aber gewusst, was die Konsequenzen ihrer/seiner Handlungen sein können. Noch niemand hat in jüngerer Zeit behauptet, dass Gender-Transidentität das Einsichts- oder Urteilsvermögen beeinträchtigt.
- Es kann Situationen geben, in denen es moralisch gerechtfertigt ist, ein staatliches Gesetz zu missachten. Aber die USA sind keine Diktatur sondern ein Rechtsstaat, und noch jedes vom US-Militär begangene Kriegsverbrechen ist irgendwann aufgedeckt und öffentlich gemacht worden. Ob die Verkürzung der dafür zu erwartenden Zeitspanne 35 oder mehr Jahre Gefängnis wert ist, kann nur der Mensch beantworten, der diese Entscheidung trifft.
- Ich bin der Meinung, dass ein Mensch seine Strafe in einem Gefängnis oder einer Gefängnisabteilung abbüßen sollte, die seinem Identitätsgeschlecht entspricht. Alles andere wäre, um es mit den Worten des 8. Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten zu sagen, "cruel and unusual punishment" und damit menschrechts- und verfassungswidrig.
Die anwendbare österreichische Strafbestimmung wäre § 26 des Militärstrafgesetzes (MilStG):
Zitat:Vorsätzliche Preisgabe eines militärischen Geheimnisses
§ 26. (1) Wer ein militärisches Geheimnis preisgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Führt der Täter dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder die Gefahr eines erheblichen Nachteils (§ 2 Z 4) herbei, so ist er mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
(3) Die vorstehenden Bestimmungen sind nicht anzuwenden, wenn die Tat nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.
Weiters sind folgende Definitionen des MilStG relevant:
Zitat:Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. Soldat: jeder Angehörige des Präsenzstandes des Bundesheeres (§ 1 des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl. Nr. 305);
2. [...] 3. [...]
4. erheblicher Nachteil: eine Minderung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, ein den Zweck eines Einsatzes gefährdender Mangel an Menschen oder Material oder ein 40 000 Euro übersteigender Vermögensschaden;
5. [...]
6. militärisches Geheimnis: alles, was an militärisch bedeutsamen Tatsachen, Gegenständen, Erkenntnissen, Nachrichten und Vorhaben dem Soldaten ausdrücklich als geheim bezeichnet worden ist oder seiner Art nach offenbar nicht ohne Gefahr für die Erfüllung einer Aufgabe des Bundesheeres preisgegeben werden kann;
In Österreich hätte Chelsea/Bradley Manning also mit einer Maximalstrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug zu rechnen gehabt, auch als Wehrpflichtiger. Dies allerdings nur einmal (man kann hierzulande nicht, wie in den USA, für den im Zusammenhang stehenden Verrat von z.B. zehn militärischen Geheimnissen zehnmal zehn Jahre Gefängnis aufgebrummt bekommen. Und die zeitlich bemessene Höchststrafe beträgt in Österreich 20 Jahre). Aber zehn Jahre ist als Strafdrohung auch ganz schön hart, und auch in Österreich steht es einer Soldatin oder einem Soldaten nicht zu, selbst ein Urteil zu treffen, was geheimzuhalten ist. Wenn "geheim" auf einem Papier steht, oder ein/e Vorgesetze/r etwas als "geheim" bezeichnet hat, so gilt das.
Interessant ist natürlich auch die Frage, was Chelsea/Bradley Manning bewogen hat, sich freiwillig zum US-Militär zu melden? War es Affinität zu militärischen Dingen, war es ein Versuch, die eigene, unsichere Männlichkeit zu entwickeln oder zu beweisen, oder hat, wie in den USA häufig der Fall, die Aussicht auf Ausbildungsmöglichkeiten und vom Militär vergebene Stipendien den Ausschlag gegeben?
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! -