Haben wir uns daran gewöhnt >gläsern< zu sein?
RE: Haben wir uns daran gewöhnt >gläsern< zu sein?
Beitrag #41
(30.01.2014, 10:37)Bonita schrieb: 1. Die Hardware (verbaute Messgeräte, Speicherchips etc pp) gehört wohl (juristisch) eindeutig dem Käufer, sofern nichts anderes im Kaufvertrag des Verkäufers steht.

2. Die Daten, die mit dieser Hardware gesammelt bzw gespeichert werden, gehören demjenigen, dem die Hardware gehört - also dem Käufer - außer, es gibt eine Klausel im Kaufvertrag des Verkäufers.

3. Mike-Tanja, bitte korrigiere mich, falls ich mich irre Wink

Ob personenbezogene Daten überhaupt jemandem gehören können, ob es also Eigentum oder eigentumsähnliche Herrschaftsrechte an den Daten anderer gibt, ist eine spannende und in der österreichischen juristischen Literatur fast ignorierte Frage. Meine Meinung dazu ist: da es ein Grundrecht an der Geheimhaltung eigener Daten gibt (ebenso wie am eigenen Leben und an der eigenen Freiheit), und eine Zustimmung zur Verwendung solcher Daten von Gesetzes wegen (in Österreich: § 8 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 zur Wirkung einer Zustimmungserklärung, "....wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt") jederzeit widerrufen werden kann, sind personenbezogene Daten eine Sache "extra commercium", außerhalb des Geschäftsverkehrs, und können nicht vertragsfest gehandelt werden, jedenfalls nicht zwischen der/dem Betroffenen und einer/einem datenschutzrechtlichen Auftraggeber/in (Datenverarbeiter/in). Es gibt nur gesetzlich festgelegte Gründe (die sind allerdings recht weit gespannt), die eine Verwendung von Personendaten auf Zeit rechtfertigen können, ohne dass Rechte der Auftraggeberin oder des Auftraggebers daran entstehen.

Diese Gesetzesauslegung ist natürlich ein wirtschaftliches Problem, wenn man daran denkt, dass der ideelle Firmenwert von Unternehmen wie Facebook hauptsächlich aus der faktischen Verfügungsmacht über Personendaten besteht. Und diese Rechtslage ist wahrscheinlich der Grund, warum in Europa ein Unternehmen wie Facebook oder Google nie hätte entstehen können - im Guten wie im Schlechten!

Das mit dem Auto ist ein guter Punkt, um zu erklären, wie Datenschutzrecht in der Praxis funktioniert. Die Hersteller werden die Kisten mit immer mehr Gadgets (GPS-Sensoren, Dash- und Innenraum-Cams, Radar- oder Video-Abstandsmessern, Einpark- und Lenkhilfen, interaktiven Navigationssystemen, elektronischen Fahrten- und Service-Logs, Sensoren zur Überwachung der Fahrer-Aufmerksamkeit, etc., etc.) vollpacken. Viele davon machen das Leben auch unbestreitbar leichter und den Straßenverkehr sicherer. Einige davon, z.B. Dash-Cams, dürfen aber nach der derzeitigen Gesetzeslage aus Datenschutzgründen gar nicht betrieben werden (Dash-Cam-Entscheidung der früheren Datenschutzkommission). Aber es wird einen allgemein artikulierten Wunsch danach geben, diverse Lobbys (vor allem die Versicherungen, für die weniger und leichter aufzuklärende Schadensfälle bares Geld sind) werden Druck machen, und irgendwie wird sich ein Weg finden, solche Geräte in jeder Hinsicht zu legalisieren.

Vor einiger Zeit habe ich ein Gespräch mit einer/einem leitenden Mitarbeiter/in einer europäischen Datenschutz-Kontrollstelle geführt. Irgendwie kamen wir auf den aus der Architektur stammenden Satz "Form follows Function". Ich war der Meinung, dass im Datenschutz die Technik die Funktion ist, die das Recht (= die Form) bestimmt. Sie/Er war eher der gegenteiligen Ansicht. Wir werden sehen, wer in der Frage "IT-Einsatz im Straßenverkehr" Recht behält. In bin mir ziemlich sicher, dass in ein paar Jahren jeder Pkw ab Werk eine oder mehrere Dash-Cams mit Bildaufzeichnung eingebaut haben wird. Und wir werden sehen, ob eine Datenschutzbehörde verhindern wird können, dass die auch regelmäßig in Betrieb sind.
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RE: Haben wir uns daran gewöhnt >gläsern< zu sein? - von Mike-Tanja - 30.01.2014, 11:45

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