Was wäre euch wichtiger?
RE: Was wäre euch wichtiger?
Beitrag #46
(18.07.2015, 14:41)Homura schrieb:
(18.07.2015, 12:38)Madleine schrieb: Jemandem den Job zu kündigen oder den Lohn zu senken weil er ne GaOp gemacht hat, ist Geschlechtsdiskriminierung im Quadrat. Ich dachte, das ist verboten? Einen so entstandenen Schaden (zb. 50 Jahre mal 1000€/mnt) sollte man vor Gericht einfordern.

Im Prinzip sollte jeder Chef es sich sehr gut überlegen, eine TS zu entlaßen, denn seine Pseudobegründung hält der Indizienlage (GaOp) kaum Stand.

Also dass ein Chef den Lohn nach der GaOp senkt das reich ich jetzt mal weiter rüber ins Reich der Mythen.

So direkt wird es wohl niemand versuchen, richtig. Denkbar wäre jedoch eine Versetzung auf einen billigeren Arbeitsplatz u/o in weiterer Folge keine Lohn-/Gehaltserhöhungen mehr über das gesetzliche Maß hinaus. Denkbar wäre auch der Versuch eine Änderungskündigung mit Rückstufung und Einkommensminderung durch entsprechend "sanften" Druck zu erreichen.

(18.07.2015, 14:41)Homura schrieb: Und wer einen Mitarbeiter loswerden möchte macht das selbstverständlich auf eine Weise die subtil genug ist sodass es keine Probleme mit der Arbeiterkammer gibt.

Einen Mitarbeiter loswerden ist nun wirklich keine Herausforderung.

Und das Gegenteil beweisen, na gut kann man machen wenn man A) entweder viel zu viel Geld hat oder B) falls nicht, die Prozesskosten jemand anders bezahlt

In der Regel kann man sich das prozessieren Aufgrund Erfolgslosigkeit sparen.

Du irrst in mehreren Punkten und Madleine hat in der Argumentationsrichtung schon recht mit dem, was sie da geschrieben hat.

Natürlich ist kein/e Arbeitgeber/in so dermaßen blöd eine Kündigung wegen TS/TG/gaOP auszusprechen. Aber ob es heute noch möglich ist, wie du es vermeinst, erfolgreich über subtile Weise zu kündigen, bleibt dahin gestellt.

Die Zeit der 1990er-Jahre ist zum Glück vorbei, als sich die Gleichbehandlungskommission für unsereins unzuständig erklärt hat, Betriebsräte sich hinter den Dienstgeber und gegen die eigene Klientel, nämlich die Arbeitnehmerin stellten ("wenn es zur Kündigung kommt, stimmen wir zu", was de facto einer Verhinderung der Kündigungsanfechtung vor dem ASG - Arbeits- und Sozialgericht gleichkommt) und die Arbeiterkammer Betroffene abwimmelte (a la "lassen Sie sich erst mal kündigen, dann reden wir weiter").

Heutzutage haben wir ein Gleichbehandlungsgesetz und ein Antidiskriminierungsrecht, hier: das Verbot der Diskriminierung u.a. aufgrund des Geschlechts bzw. der geschlechtlichen Identität und ggf. aufgrund der sexuellen Orientierung. So es notwendig ist, weil es trotz Betriebsrat zur Kündigung bzw. zum Mobbing Richtung einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses kommt, haben wir heutzutage die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die sich in dem Fall einschalten lassen. Auch die Arbeiterkammer (AK) ist heutzutage gebrieft und hilft.

Was das Thema Prozesskosten und den Ablauf betrifft:
  1. Ein Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission mit Unterstützung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (rechtliche Basis dafür sind das Gleichbehandlungsgesetz - GlBG und das GBK/GAW-Gesetz) ist kostenfrei. Kommt die GlB-Kommission zur Erkenntnis, dass eine Diskriminierung vorliegt, stellt sie diese mit Gutachten fest, was wiederum im gegebenen Fall, falls der/die Arbeitgeber/in dann nicht ohnedies einlenkt, im gerichtlichen Verfahren hilfreich ist.

  2. Die Einleitung eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission hemmt die Fristen, die zur Einbringung einer Klage vor dem ASG - Arbeits- und Sozialgericht vorgesehen sind (14 Tage bei Kündigung, längere Fristen für andere Klagsgründe).

  3. Das gerichtliche Verfahren vor dem ASG (= in erster Instanz) ist kostenfrei und bedarf keines Anwalts. (Letzteres ist jedoch hinderlich, wenn man/frau trotzdem anwaltlich vertreten sein möchte, es sich aber nicht leisten kann - die Beigebung eines Anwalts / einer Anwältin im Rahmen der Verfahrenshilfe wird vor dem ASG erfahrungsgemäß nicht bewilligt.)

  4. Auch die Arbeiterkammer (AK) hilft: Mit Rat und ggf als Vertretung vor dem Gericht. Nachteilig ist uU, dass die AK sich nur auf die Vertretung in erster Instanz einlässt und dann für den Instanzenzug doch noch eine anwaltliche Vertretung gesucht werden muss.
Was die Sache mit der behaupteten "Erfolgslosigkeit" betrifft:

Ihr gutes Recht. Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft (PDF); hier vor allem in dem Zusammenhang interessant:

Erstens: TS/TG/gaOP
S. 26, "Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität":
Zitat:Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität (Transgender, Transsexualität) ist laut Europäischem Gerichtshof eine Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Wenn Personen im Arbeitsumfeld bekannt geben, dass sie sich ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen, kann es zu Diskriminierungen aufgrund der geschlechtlichen Identität kommen. Es kann beispielsweise eine Diskriminierung bei der Arbeitssuche vorliegen, wenn das „juristische Geschlecht“ in den Unterlagen und Zeugnissen nicht dem gewählten Geschlecht entspricht und die Person aufgrund dieser Tatsache nicht zum Bewerbungsgespräch geladen wird. Weitere Diskriminierungsfälle wären Kündigungen im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder erfolgten Geschlechtsumwandlung, die Versetzung an einen schlechteren Arbeitsplatz oder die Rücknahme der Zusage einer Weiterbildung.

Zweitens: Beweislastumkehr
S. 36, "Wer muss beweisen, dass (k)eine Diskriminierung vorliegt?" zu § 12 Abs 12 GlBG:
Zitat: Für Personen, die im Arbeitsleben diskriminiert werden, ist es mitunter schwierig, diese Vorfälle zu beweisen. Entscheidend ist die Beweisfrage in erster Linie im Gerichtsverfahren. Das Gesetz trägt dieser Situation Rechnung und erleichtert die Beweisführung für Betroffene, die ihr Recht auf Nichtdiskriminierung vor Gericht geltend machen möchten.
Statt konkrete Beweismittel vorzulegen, die eine Diskriminierung nachweisen, muss die betroffene Person lediglich glaubhaft machen,
  • worin die Ungleichbehandlung besteht (z.B. geringerer Lohn für gleichwertige Arbeit, schlechtere Arbeitsbedingungen, Nichtberücksichtigung bei einer Beförderung oder Bildungsmaßnahme) und
  • warum es sich um eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts bzw. des Familienstandes handelt (z.B. die betriebliche Prämie kommt nur verheirateten Mitarbeiter/inne/n zugute, die Belästigung erfolgt durch frauenfeindliche Äußerungen).
Der beklagte Arbeitgeber oder die beklagte Arbeitgeberin muss hingegen beweisen, dass es wahrscheinlicher ist, dass keine Diskriminierung im Sinne des Gesetzes stattgefunden hat. [...]
Letztlich obliegt es dem Gericht, die vorgebrachten Argumente, Unterlagen und sonstigen Beweismittel zu bewerten. Laut Gesetz trifft jedoch die beklagte Partei (Arbeitgeber/in) die größere Last, den Vorwurf der Diskriminierung zu widerlegen, wogegen die klagende Partei (Arbeitnehmer/in) das Vorliegen der Diskriminierung lediglich glaubhaft machen muss.

Anders formuliert in Gleichberechtigung am Arbeitsplatz auf karriere.at unter "Diskriminierung" als 4. Aufzählungspunkt:
Zitat:Für das Vorliegen einer Diskriminierung ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass sich der AG bei einer Differenzierung in der Behandlung von Frauen und Männern ausdrücklich auf das Geschlecht beruft, sondern es genügt, dass sich eine vom Arbeitgeber gesetzte Maßnahme im Ergebnis so auswirkt, dass die Angehörigen eines Geschlechtes benachteiligt werden. Wesentlich ist demnach prinzipiell, dass Differenzierungen im Endergebnis nicht zu einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts führen dürfen.

Drittens: Europäischer Gerichtshof - EuGH
Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996. - P gegen S und Cornwall County Council. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Industrial Tribunal, Truro - Vereinigtes Königreich. - Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Entlassung einer transsexuellen Person. - Rechtssache C-13/94.
Zitat:Leitsätze

Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht im Hinblick auf das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Entlassung einer transsexuellen Person aus einem mit der Umwandlung ihres Geschlechts zusammenhängenden Grund entgegen. Da nämlich das Recht, nicht aufgrund des Geschlechts diskriminiert zu werden, eines der Grundrechte des Menschen darstellt, kann der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht auf die Diskriminierungen beschränkt werden, die sich aus der Zugehörigkeit zu dem einen oder dem anderen Geschlecht ergeben. Er hat sich auch auf die Diskriminierungen zu erstrecken, die ihre Ursache in der Geschlechtsumwandlung haben, da diese Diskriminierungen hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, auf dem Geschlecht des Betroffenen beruhen, denn eine Person, die entlassen wird, weil sie beabsichtigt, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, oder sich ihr bereits unterzogen hat, wird im Vergleich zu den Angehörigen des Geschlechts, dem sie vor dieser Operation zugerechnet wurde, schlechter behandelt.

Eindeutiger gehts ja wohl wirklich nicht mehr.

Weiterführende Fundstellen/Literatur:
(18.07.2015, 14:41)Homura schrieb: PS: Eine halbwegs professionell geschriebene Klage von einem Rechtsanwalt kostet schnell 1500-2000 Euro und das ist ausschließlich die Klage selbst (übrigens bei Transgenderthemen wird immer in der teuersten Kategorie beim RA abgerechnet).

Wenn erstmal vor Gericht gezogen wird, wird das ganze noch viel teurer.

Die von dir ins Spiel gebrachten 1500 bis 2000 Euro (um es mit deinen Worten zu sagen) die "reich ich jetzt mal weiter rüber ins Reich der Mythen". Ein Schriftsatz einer Klage erster Instanz bewegt sich im Bereich von ein paar hundert Euro. In zweiter Instanz wirds teurer, erreicht aber mWn immer noch nicht deine Fantasiezahlen. Die Behauptung "bei Transgenderthemen wird immer in der teuersten Kategorie beim RA abgerechnet" entspringt wohl auch nur deiner Fantasie, denn dass sie - diese Behauptung - etwas mit der Realität zu tun hat. Das glaub ich dir erst, wenn es dir gelingt einen entsprechenden Beweis zu erbringen.

(18.07.2015, 14:41)Homura schrieb: Und auch die Rechtsschutzversicherung, sofern vorhanden, wird auch nicht sofort "JA" sagen, weil die auch abwägen ob eine Klage überhaupt eine reelle Chance auf Erfolg hat. Sonst wird es schwer.

Unsinn. Sofern der entsprechende Baustein Arbeitsgerichts-Rechtsschutz Bestandteil der RS-Versicherung ist, ist die RSV, soweit nicht Mutwilligkeit oder Vorsätzlichkeit auszumachen ist, genau dazu da. Und aus oben Geschriebenem ist die Erfolgswahrscheinlichkeit entgegen deiner Meinung sogar eher hoch.
Zitat



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