Beitrag #96
07.11.2015, 11:27
(04.11.2015, 14:14)Mike-Tanja schrieb:(03.11.2015, 18:03)Elisabeth I. schrieb: [hier gekürzt] MT ist zwar, wie sie in ihrem Posting weiter vorn im Thread anhand ihrer Punkte 2ff. dargestellt hat, in ihrer juristischen Einschätzung der Meinung, dass eine Neuausstellung eines Zeugnisses aus den von ihr dargebrachten rechtlichen Gründen nicht möglich sei. [hier auch gekürzt]
Das habe ich nicht geschrieben. Ich habe lediglich auf die Probleme dabei, etwa sinngemäß den Unterschied zwischen Willens- und Wissensurkunden, hingewiesen und, ganz im Gegenteil, meiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass eine Gesetzesauslegung geboten ist, die dem Sinn der gesetzlich geregelten PÄ (= Schutz vor Diskriminierung) Geltung verschafft.
Aber das wird nicht immer leicht sein.
Oh, die "gesetzlich geregelte PÄ" mit "Schutz vor Diskriminierung" gleichzusetzen halte ich für gewagt. Denn der Staat lässt die PStÄ ja nur quasi gnadenhalber in die Geburtenbücher eintragen, nicht zuletzt aber auch, weil die Höchstgerichte es den lernresistenten Ministerien vor den Latz geknallt haben - und nicht, weil er, der Staat, bzw. die Ministerien uns mit der PStÄ vor Diskriminierung schützen möchten.
Dass es deiner Einschätzung nach aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, habe ich aus deinen Punkten 2-4 herausgelesen:
(01.11.2015, 22:50)Mike-Tanja schrieb:
[...]
- [...]
- Beurkundungen (wie Zeugnisse) und die PÄ, das ist ein rechtlich kitzliges und kaum/gar nicht durchleuchtetes Feld. Es ist aus meiner Sicht klar, dass die PÄ (nach § 41 Abs. 1 PStG 2013) nicht zurückwirkt (Wortlaut der Bestimmung, Unterstreichungen von mir: "Die Personenstandsbehörde hat eine Eintragung zu ändern, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist."). Heißt: Ein öffentlich-rechtlicher Akt, etwa die Verleihung eines akademischen Grades durch die Universität Wien, wird nicht unrichtig, wenn drei Jahre nach der Verleihung eines Bachelor-Grades am 1.10.2012 durch eine Änderung im Personenstandsregister aus Josef N. Josefine N. geworden ist.
- Bei der Geburtsurkunde ist das kein Problem. Die gibt ja nur den Stand der Personenstandsregister am Ausstellungstag wider, und dort lautet das Geschlecht ab der PÄ eben "weiblich".
- Bei Zeugnissen und Diplomen wäre es jedenfalls immer eine Neuausstellung, kein Duplikat (weil ja anderer Inhalt). Man kann das m.E. lösen, wenn man die Gesetze nicht streng logisch-systematisch sondern pragmatisch-zielorientiert versteht. Transmenschen sollen durch die PÄ ohne unnötiges Zwangsouting leben und ihre erworbenen Qualifikationen nutzen können. Ohne entsprechende Diplome & Zeugnisse wäre das irgendwie unvollständig. Es spricht etwa nichts dagegen, dass die Universität eine Urkunde ausstellt, dass Josefine N. aufgrund der am 1.10.2012 erfolgten Verleihung berechtigt ist, einen Bachelor-Grad zu führen. Dass die Verleihung an Josef N. erfolgt ist, muss man ja nicht dazuschreiben.
Ad 2. und 3.:
Das mit der Frage der Rückwirkung der PStÄ ist, mit deinen Worten gesagt, ein kitzliges Feld. Die Sachlage ist ja, dass der Personenstand des Geschlechts sich nicht erst mit der Eintragung der PStÄ ändert, sondern in den meisten Fällen bereits Jahre bis Jahrzehnte davor. Oder sogar, wenn die div. Forschung richtig ist, es gar nicht zu einer Änderung kommt, sondern die ursprüngliche Eintragung des Hebammengeschlechts schlichtweg falsch ist. Das Datum der Eintragung der PStÄ ist letztlich nichts anderes, als das nachkratzende Richtigstellen eines Zustands weit vor der Eintragung in der Buchhaltung vulgo dem Geburtenbuch.
Tatsächlich steht dieser Meinung leider bereits höchstgerichtliche RSpr entgegen, wonach die Geschlechtsänderung erst mit dem Eintrag der PStÄ, frühestens jedoch (erinnerlich) mit der Diagnosestellung als rechtswirksam angenommen wird. (In dem ggst Fall ging es um pensionsrechtliche Ansprüche, hervorgerufen durch das unterschiedliche Pensionsalter von Männern und Frauen.)
MT: Heißt: Ein öffentlich-rechtlicher Akt, etwa die Verleihung eines akademischen Grades durch die Universität Wien, wird nicht unrichtig, wenn drei Jahre nach der Verleihung eines Bachelor-Grades am 1.10.2012 durch eine Änderung im Personenstandsregister aus Josef N. Josefine N. geworden ist.
Stimmt, der Akt der Verleihung wird nicht unrichtig, der wesentliche Inhalt bleibt von der NÄ/PStÄ unberührt. Der geänderte Name und das geänderte Geschlecht ändert aber nichts am Inhalt.
Mit anderen Worten, nämlich mit denen der TG-erprobten Veteranin RAin Maria Sabine Augstein gesagt (bezogen zwar auf DE, im Ergebnis aber dennoch auch bei uns zutreffend; Hervorhebung von mir):
Zitat:Der Arbeitgeber und staatliche Institutionen dürfen neue Zeugnisse ausstellen. Es gibt zwar den Straftatbestand der Falschbeurkundung im Amt, der es verbietet, dass eine Behörde etwas inhaltlich falsches beurkundet. Dieser Straftatbestand ist aber nur anwendbar, wenn etwas rechtlich Erhebliches falsch beurkundet wird. Der Vorname und das Geschlecht sind in einem Zeugnis aber nichts rechtlich Erhebliches. Erheblich sind die dokumentierten Leistungen und die Identität zwischen Zeugnisinhaber/in und Erbringer/in der dokumentierten Leistungen.
Oder auch entsprechend Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm) zur Neuausstellung von Zeugnissen, Beschluss vom 17.12.1998, 4 Sa 1337/98 (Volltext):
Zitat:Selbst dann, wenn die Personalakte der transsexuellen Person infolge Zeitablaufs vernichtet sein sollte, kann ihr der Arbeitgeber die Neuerteilung eines Zeugnisses nicht unter Berufung auf Verwirkung verweigern, weil das ursprünglich erteilte Zeugnis zurückzugeben ist, der Arbeitgeber es mithin also ohne jegliche inhaltliche Überprüfung nur hinsichtlich des geänderten Geschlechts und des geänderten Namens der transsexuellen Person und der sich daraus ergebenden grammatikalischen und rechtschreibemäßigen Abänderungen "umformulieren" muss.
Da über einen Arbeitnehmer nur eine Beurteilung existieren darf, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des beanstandeten Zeugnisses ein neues Zeugnis zu erteilen.
Quelle der beiden Zitate (wie schon von Eva weiter vorne verlinkt): Urteilssammlung zur Umschreibung von Zeugnissen: Eine Zusammenstellung von Gerichtsurteilen zur Umschreibung von Schul- und Arbeitszeugnissen ...
Ad 4.:
Von hinten aufgedröselt, MT: Es spricht etwa nichts dagegen, dass die Universität eine Urkunde ausstellt, dass Josefine N. aufgrund der am 1.10.2012 erfolgten Verleihung berechtigt ist, einen Bachelor-Grad zu führen. Dass die Verleihung an Josef N. erfolgt ist, muss man ja nicht dazuschreiben.
Das wäre eine halbherzige und gleichzeitig erst recht wieder diskriminierende, weil zwangsoutende Lösung.
MT: Bei Zeugnissen und Diplomen wäre es jedenfalls immer eine Neuausstellung, kein Duplikat (weil ja anderer Inhalt).
Dass es ein anderer Inhalt wäre, teile ich nicht, siehe zuvor oben. Dass Duplikate möglich sind, zeigt sich
* an real als Duplikate ausgestellte Zeugnisse auf noch vorhandenen Restbeständen von Zeugnisvordrucken, versehen mit neuem Namen, "Schülerin", mit Originaldatum und statt den nicht mehr greifbaren Unterzeichnenden ein Vorname+Name+e.h.
* einer "Duplikats-Ingenieururkunde" auf aktuellem Vordruck unter neuer Aktenzahl zum neuen Ausstellungsdatum und auf der Rückseite einen Originalausstellungsvermerk mit Originaldatum und -aktenzahl (hier anonymisiert hochgeladen).
Bleibt - last but not least - die Frage, wie die im Heinisch-Hosek-Erlass verordnete "Zweitausfertigung" a) rechtlich einzuordnen ist und b) hinsichtlich der Ausstellungsdaten aussehen soll.