Wie "pervers" sind Trans*Menschen?
RE: Wie "pervers" sind Trans*Menschen?
Beitrag #7
(27.10.2011, 11:10)Mike-Tanja schrieb: Ein Problem dabei ist, dass die ursprüngliche, engere Bedeutung von "pervers" eine stark sexuelle Konnotation hat (siehe etwa die Definition von "Perversion" bei Wikipedia). Aus meiner Sicht ist klar, dass jede/r, der/die die Geschlechtsrolle wechselt, sich auch die Frage nach seiner/ihrer sexuellen Orientierung gefallen lassen muss (das ist nach "Lässt Du dich jetzt umoperieren?" oft die zweite Frage des Gegenübers im Zuge eines Coming-outs).

Also irgendwie nö, die wenigsten Leute fragen mich nach meiner sexuellen Orientierung. Entweder nehmen sie mich als hetero Frau wahr oder sie haben schon vorher bemerkt, dass ich mit einer Frau zusammen bin. Ich merke das oft an den Fragen/Aussagen der Menschen, z.B. "Wird dein Freund nicht eifersüchtig, wenn du mit mir flirtest?", "Seit ihr beide Schwestern?", "Lass uns mal ein Date machen... äh, ich meinte einen Termin, kein Date zwischen Mann und Frau... ich weiß ja das du mit einer Frau zusammen bist.", "He, da kommen die beiden Mädels, also die, die ein Paar sind...", etc., etc....
Viele Leute sich gar nicht bewußt, dass ich transident bin und damit steht die sexuelle Orientierung in einem völlig anderen Kontext. Anderen Menschen sieht man ihre sexuelle Orientierung auch nicht unbedingt an.
Und Menschen, die wissen oder ahnen, dass ich transident bin, die sind durchaus in der Lage zwischen sexueller Orientierung und Transidentität zu unterscheiden. Wer plötzlich eine transidente Lesbe vor der Nase hat, muss sich damit irgendwie auseinandersetzen und Vorurteile helfen den Leuten da selten weiter.
Von daher sind diese ganzen Ausführungen für mich nur ein großer Zirkelschluss. Wer mit den Leuten über solche Zirkelschlüsse debattieren will und ihnen vielleicht sogar noch nach dem Mund redet, darf sich nicht wundern, wenn andere einen dann schief angucken.
Wenn irgendjemand was über mich sagt, was mir nicht passt, dann widerspreche ich. Warum sollte ich irgendeine Rechtfertigung im Bezug auf meine Person abgeben?
Wenn Menschen meinen sie müßten mich nicht ernstnehmen oder sie könnten mich schlecht behandeln, dann merken sie ganz schnell, dass sie auf dem Holzweg sind.

(27.10.2011, 11:10)Mike-Tanja schrieb:
Aber hier verläuft meinem Eindruck nach auch eine gewisse Trennlinie zwischen Transsexuellen und anderen Transgendern. Bei ersteren beobachte ich immer wieder einen ausgeprägten Wunsch nach Normalität (im Identitäts- bzw. Wunschgeschlecht) bis an die Grenze der Spießigkeit, während insbesondere bei Transvestiten die Vorstellung akzeptiert, ja manchmal (übertrieben) kultiviert wird, anders, eben "perverser" als "die Normalos" zu sein (Normalität wird dann schnell zum Pejorativ). Dazwischen gibt es natürlich hunderte Abstufungen.

Also ich bin nicht transsexuell, weil das Konzept einfach nicht auf mich passt. Ich war schon bei meiner Geburt eine Frau, nur hat das blöderweise niemand gemerkt.
Das was man beobachtet und die Schlüsse, die man darauf zieht, dass sind immer zwei Dinge. Es geht nicht um Wünsche, sondern darum den Alltag trotz einer Menge Handicaps in den Griff zu bekommen und dabei auch noch mit sich selbst im Einklang zu leben.
Andere Menschen müssen das auch, nur bei denen ist das vielleicht nicht ganz so komplex. Warum man da jetzt eine Trennlinie ziehen will, verstehe ich nicht.
Ich muss genauso wie jeder andere Mensch arbeiten, um Geld zu verdienen und ich bin für meinen Arbeitgeber genauso eine normale Mitarbeiterin wie die anderen Frauen.
Genauso wie andere Menschen muss ich Lebenmittel, Kleidung und Konsumgüter einkaufen. Für mich ist es völlig normal bei Hunkemöller oder Triumph einzukaufen, ich kann ja schließlich nicht ohne Unterwäsche rumlaufen. Da bin ich nur eine Kundin unter vielen.
Mal sehen... wie andere Menschen auch habe ich Freunde und Freizeit-Interessen, mit Freunden trifft man sich und den Interessen geht man nach. Ich brauche mich auch nicht groß verabreden, weil meine Freunde wissen, wo sie mich in der Regel treffen können. Und dann reden wir über die Arbeit, das Tagesgeschehen, Hobbys oder lästern auch mal über Bekannte, wenn die sich daneben benommen haben.
Ich mache das was andere Menschen auch machen.
Worin ich mich unterscheide ist, dass ich mehr Zeit in die Körperpflege stecke und zweimal am Tag meine Hormone nehmen muss.

Tut mir leid, dass mein Leben so normal ist. Ich mache zwischen mir und Cis-Frauen auch keinen Unterschied und Menschen, die mich kennen, gehen da mit mir konform.
Ich finde es auch nicht gut, wenn jemand versucht einen Unterschied herbei zu reden. Das geht völlig am Kern der Sache vorbei.
Mit diesen ganzen komischen Ansichten und Meinungen kann ich irgendwie nichts mehr anfangen.

(02.11.2011, 12:48)Mike-Tanja schrieb: Ich sehe das persönlich ganz ähnlich wie Victoria, man kann aber nicht ignorieren, dass die "Norm" für gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten von einer (stillen) Mehrheit gesetzt wird. Wenn diese tolerant ist und über dich nicht die Nase rümpft oder dich aus- oder abstößt, heißt das noch nicht, dass sie dein, mein, unser Verhalten als allgemein zulässig akzeptiert. Die Probe ist oft die Frage: "Würden sie das auch ihren Kindern erlauben oder empfehlen?"

Daher erscheint es mir so wichtig, dass TG - und ich meine damit alle Spielarten von Trans*Menschen - in der Öffentlichkeit präsent sind. Raus aus der Sub-, Szene- und Nischenkultur! Denkt daran, dass es eine Zeit gegeben hat, in der Frauen mit einer Tätowierung oder Männer mit einem Ohrring auch eher nicht in einem Ringstraßencafé willkommen gewesen wären.

Also so, wie ich das sehe, ist dein Problem nach wie vor, für dich ist es nur ein Lifestyle und das scheinst du offensichtlich auf alle Geschlechtsprobleme anzuwenden. Vielleicht möchtest du widersprechen, aber genau das kommunizierst du nach Außen hin.

Wende doch mal die Frage auf mich an: "Würden Sie Ihren Kindern erlauben mit den falschen Geschlechtsteilen geboren zu werden?"
Muss ich darauf jetzt noch sarkastisch antworten, dass ich das eh nicht beeinflussen kann?

Das ist einfach das, was die Natur oder das Leben, einem bereit gestellt hat, ob man damit nun klar kommt oder nicht. Glaubst du andere Menschen, mit anderen Geburtsfehlern, werden gefragt, ob sie so leben möchten oder was andere Menschen davon halten?
Natürlich können transidente Menschen ihre Natur unterdrücken, aus Angst vor gesellschaftlichen Sanktionen, aber das passiert aus der Not heraus und nicht Basis der freien Willensentscheidung.
Ich habe schon mit 6 Jahren gesagt, dass ich ein Mädchen bin, meine Eltern haben gesagt, dass ich keine Ahnung habe und den Mund halten soll. Als Kind macht man das, was die Eltern sagen, aus Angst vor Liebesentzug und Bestrafung, aber nicht weil man mit deren Meinung konform geht.

Ich gehe mit allen Normen für mein Geschlecht konform und ich habe damit auch keine Probleme.
Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du keine Lust hast, dich jeden Tag für die Arbeit zu schminken und zu frisieren? Für mich ist das selbstredend, weil man bei einen Beruf mit Kundenkontakt von einer Frau ein gepflegtes Erscheinungbild erwartet (und soziale Kompetenz).
Nach Lust und Laune zeitweilig das Geschlecht zu wechseln hat gar nicht damit zu tun, wie es ist, wenn man transident ist.
Wenn man davon betroffen ist, dann gibt es keinen Unterschied zwischen Öffentlichkeit und Privatleben, die gesellschaftlichen Normen für das eigene Geschlecht zählen immer.

Also ich bin jeden Tag in der Öffentlichkeit präsent, aber bei mir sehen die Menschen nur eine normale Frau. Also wie soll ich deinen Apell umsetzen?
Irgendwie passt das nicht zusammen und ob es irgendwann mal passt, dass steht in den Sternen.
Vielleicht bin ich auch nach Trans-Maßstäben unnormal, wer weiß.

Aber ich habe auch das starke Gefühl viele fühlen sich zweitklassig und minderwertig. Keine Ahnung, vielleicht verstehe ich das Problem auch nicht.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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