Beitrag #19
21.09.2017, 22:57
(21.09.2017, 16:28)Michaela_mit_a schrieb: Seit Jahren scanne ich Frauen in meiner Umgebung auf männliche Merkmale.
Einfach aus dem Hintergrund, weil ich das Passing verstehen möchte und mir selbst einen Reim daraus machen möchte, warum die eine als "männliche Frau" und die andere als "Transgender" wahrgenommen wird.
Da frage ich mich manchmal, ob geborene Frauen sich solche Sprüche auch anhören müssen und wie verletzend das erst für die sein muss
Es ist schon verdammt schade, dass wir teilweise nicht nur mit uns zu kämpfen haben, sondern auch noch mit unserer Umwelt.
Gefühlt ist es in den letzten ca. fünf Jahren schlimmer geworden.
Hoffe das ändert sich wieder zum Guten.
LG, Michaela
Also ich denke manchmal das existiert nur den Köpfen der Menschen. Ich habe zu viel erlebt, um noch an irgendwelche "Gesetzmäßigkeiten" zu glauben.
Als ich damals bei meiner Gutachterin saß, die selbst betroffen ist, sagte die mir, ich hätte ein perfektes Passing. Vielleicht würden höchstens 10% aller Menschen bemerken, dass ich transident bin. Und damals war ich im übrigen noch nicht in der HRT. Schön und gut, aber wenn ich Tage erleben mußte, an denen ich 3 oder 4 mal auf mein Geschlecht angesprochen wurde (mehr oder weniger subtil formulierte Fragen), dann hatte ich schon meine Zweifel an der Mathematik.
Gerade vor der HRT kamm es zu einer Häufung, das war eine Phase von so ca. 4 Monaten. Ich hatte Tage, da fragte ich mich selber "Na wie oft wirst du heute darauf angesprochen... Ich bin jetzt schon genervt."
Und seit der HRT wird es wieder seltener. Da gab es im Grunde nur den einen Vorfall, den meine Freunde miterlebt haben und einmal fragte mich ein Kollege, ob ich mal ein Mann war. Da sagte ich, nö, ich war schon immer eine Frau, aber das werde ich öfters mal gefragt, offenbar weil ich ein paar körperliche Anomalien habe.
Und auf der Gegenseite gibt es dann Menschen, die verstehen überhaupt nicht wieso irgendjemand auf die Idee kommen könnte, dass ich nicht so geboren wurde. Zitat einer Freundin: "Sorry, aber ich habe nie irgendwas bemerkt, bis du mir von deiner Vergangenheit erzählt hast. Du hast nichts an dir was männlich wirkt, da kann nichts bemerken."
Es scheint kein Muster zu geben woran die Leute es festmachen. Aber auch das ist mir inzwischen egal, die meisten bemerken wirklich nichts und der Rest fragt mal vorsichtig nach, bis auf die blöden Ausnahmen eben.
Natürlich ist das irgendwo immer ein Kampf mit dem Umfeld, aber zu mindestens bei mir wird es besser. Die Menschen, die mich kennen, haben verstanden, dass ich wirklich eine Frau bin. Und ich habe wirklich rührende Dinge erlebt. Kleine Gesten und auch Komplimente, die von Herzen kommen; sowas ist meistens viel wichtiger als irgendwelche großen Worte.
Also ich kämpfe eher selten mit mir, seit ich die Hormone nehme habe ich ein komplett neues Körpergefühl. Ich fühle mich plötzlich richtig. Das ist mir in den ersten paar Tagen der Einnahme sofort aufgefallen, auf einmal hatte ich eine innere Ruhe und ein Gefühl der Vollständigkeit, dass spürte ich zum ersten mal im Leben. Und jetzt weiß ich, dass mein Körper endlich richtig funktioniert. Das können auch meine Ärzte bestätigen, körperlich hat sich mein Zustand deutlich verbessert.
Vielleicht beeinflussen die Hormone meine Selbstwahrnehmung und gaukeln mir nur was vor, aber inzwischen weiß ich, dass ich schon immer weiblich war. Für mich ist die HRT auch nicht dazu da, dass ich weiblicher werde, sondern ich brauche sie weil ich sonst nicht richtig funtioniere. Das meine Brüste wachsen und ich Kurven kriege freut mich natürlich riesig, aber mich in meiner Haut wohl zu fühlen freut mich noch mehr.
Ich komme jetzt mit mir selbst gut zu Recht.
Hoffentlich wird es bei dir auch bald besser, weil ich diese Phasen auch kenne und das ist echt nicht schön.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.