Der Weg einer Detransition?
RE: Der Weg einer Detransition?
Beitrag #3
(17.03.2019, 02:22)Sunburst schrieb: Der Sinn des Lebens besteht nicht darin anderer Leute Klischees zu bedienen.

Ja, dessen bin ich mir bewusst. Anfangs war es mir auch egal... aber mittlerweile merke ich, dass mich die Blicke der anderen stets verfolgen, wenn ich einfach das tue, worauf ich Lust habe. Wenn ich mich so kleide, wie ich Lust habe, sprich nicht 'typisch' männlich sondern eher androgyn, wenn ich mich nicht so bewege oder artikuliere, wie andere Männer. Vor meiner Transition war es zwar auch schon so, denn da war ich nunmal nicht 'typisch' weiblich aber da kam es mir nicht so schlimm vor. Es sollte mich nicht stören, ich sollte mich so geben, wie ich bin, das weiß ich. Aber irgendwo gibt es mir dann doch ein Gefühl von Unwohlsein... Ich möchte ja nicht einmal Klischees entsprechen; ich liebe zum Beispiel meine blauen Haare, denn die hat nicht jeder. Und doch möchte ich irgendwo einer Norm enstprechen, oder zumindest nicht schräg mit diesem Blick angeguckt werden, der mir regelrecht entgegenschreit 'Du bist nun entweder ein Mann oder eben nicht. Entscheide dich - sonst erkläre ich dich für geisteskrank.'

Zitat:Du mußt nicht neidisch sein, es steht Dir durchaus frei, Deinen eigenen Weg zu beschreiten.

Auch das weiß ich. Schließlich bin ich den Weg eines Transmannes gegangen, und er war wirklich nicht einfach. Und dennoch habe ich Angst, mich der Gesellschaft so zu präsentieren, wie ich mich eben sehe und wie ich mich gerne gebe. Ich outete mich als Transsexuell, wollte ein Mann sein, und nun sehne ich mich nach meiner Weiblichkeit - ich fürchte, mich würde in Zukunft niemand mehr ernst nehmen. Das ich selbst gar nicht wüsste, was ich eigentlich möchte, was mich glücklich macht. Und vielleicht stimmt das ja auch. Ich würde es mich nicht trauen, nun wieder in entgegengesetzte Richtung zu rudern, auch wenn ich es irgendwo möchte, schätze ich. Ansonsten würde ich nicht so fühlen.

Zitat:Interessanter ist hier die Frage, wie man sich solcherlei hochgestecktem Ideal auch nur entfernt annähern können sollte.

Solch verblendete Denkweise hatte ich leider zu Beginn meiner Reise. Ich habe mir stets fest eingeredet, dass wenn ich erst einmal Hormone nehme und meine OP's hinter mir habe, so wie meine Namens- als auch Personenstandsänderung, dann wäre der Abgrund meiner Existenzkrise endlich gefüllt und ich könnte der sein, der ich immer sein wollte. Irgendwie haben wir ja alle ein bestimmtes Traumbild im Kopf, wenn wir uns auf die Transition vorbereiten und auch freuen... und ich hatte wohl gehofft, meinen Seelenfrieden damit zu finden, das zu tun, was ich immer wollte. Nun aber stehe ich wieder am Scheideweg und stelle meine Entscheidungen in Frage, ob ich nicht doch besser hätte warten sollen. Aber wer weiß, ob ich dank meiner tiefen Depressionen dann überhaupt noch weitergelebt hätte? Ich dachte mit alledem kommt das perfekte Bild des Mannes schon von alleine; natürlich war mir bewusst, dass ich nicht auf magische Weise Kinder zeugen könnte oder einen normal funktionierendes Glied hätte etc. Und doch dachte ich mir, im Kopf, ich würde mich anders entwickeln. Das tat ich aber nicht.
Ich habe mich vielleicht von falschen Gefühlen verleiten lassen, dem Fakt, dass ich es als Mann leichter hätte, mit meinem nicht unbedingt einfachen Leben klarzukommen. Das meine Seele und mein Verstand aber nie die Frau in mir abschütteln konnten, ist mir nicht bewusst gewesen.

Zitat:Gut, darin drückt sich ja auch Deine Haltung aus, nicht ganz so weit gehen zu wollen.

Anfangs hatte ich es beabsichtigt, hatte mich auch bei mehreren Ärzten erkundigt, wollte Infos sammeln. Mit der Zeit aber merkte ich, dass ich das nicht brauche, das ich mit meinem Körper eigentlich doch zufrieden bin, wie er ist. Das er mehr weiblich ist, als männlich. Ab diesem Knackpunkt habe ich dann auch irgendwo angefangen, mir einzugestehen, dass ich vielleicht gar nicht mehr so sehr Mann sein wollte, wie früher. Und dann begann das Gefühl von Reue mich zu übermannen - aber ohne dieser Transition hätte ich vielleicht nie erkannt, wie sehr ich meine Weiblichkeit eigentlich leiden kann. Das klingt so absurd, als auch verwirrend und ich könnte jeden verstehen, der mich für verrückt erklärt, aber so empfinde ich nun einmal. Es ist teilweise schwer in Worte zu fassen, wirklich....

Zitat:Wie meinst Du das? Was würde Dich denn glücklich machen?

Ich weiß nicht.... Womöglich so zu sein, wie ich sein möchte? Jemand, der sowohl Männlich- als auch Weiblichkeit besitzt und so auch von außenstehenden akzeptiert wird? Glücklich sein zeigt sich ja stets auch verschiedene Art und Weisen, aber ich weiß das, so wie ich jetzt bin, ich nicht glücklich bin. Weil ich wiedermal das Gefühl habe, mich verstecken zu müssen. Ich bin nun ein Mann für die Außenwelt aber fühle mich nicht so - nicht mehr. Dieses Verlangen hat mich verlassen. Mein Weg der Transition hat mich stark gemacht, nun aber fühle ich mich wieder schwach, meinen Ängsten und der innerlichen Unzufriedenheit ausgeliefert.

Zitat:Ich kenne Deine Endokrinologin nicht. Also werde ich mich jeglicher Spekulation enthalten.

Natürlich nicht. Aber welche Möglichkeiten gäbe es? Würde eine Endokrinologie hier überhaupt irgendetwas machen können? Ich meine, Hormone muss ich wohl bekommen, da ich keine eigenen Hormone mehr produziere, oder zumindest nicht genug, um im Normbereich zu sein. Wenn ich auf Testosteron verzichten möchte, was bliebe dann noch?

Zitat:Möchtest Du das?

Die Frage habe ich mir in der letzten Zeit sehr oft gestellt und, um ehrlich zu sein, weiß ich keine Antwort darauf. Würde ich auf die Stimme in mir hören, dann würde sie klar und deutlich 'JA' rufen, aber würde ich mich das wirklich trauen? Würde ich all das, was ich mir über Jahre erkämpft habe, wieder einfach so fallen lassen? Wenn ich mich erneut oute und zugebe, einen Fehler gemacht zu haben und wieder zu meinem biologischen geschlecht zurückkehren möchte, wer würde mich dann noch für voll nehmen? Würden meine Ärzte mich nicht schief angucken? Die Vorstellung macht mir irrsinnige Angst und steht wohl im Hauptfokus, warum ich keine Entscheidung treffen kann. Wie weit könnte ich denn auch schon zurückgehen? Ich bin zu 80% den Weg eines Transmannes gegangen. Nun würde lediglich die Geschlechtsangleichung fehlen - wie viel Weiblichkeit ist zu retten? Selbst, wenn ich nun wieder zu Östrogen zurückgehe?

Zitat:Hast Du Angst vor sowas wie Dein Gesicht zu verlieren?

Nein, das weniger. Ich glaube, meine Lebensgefährtin, als auch mein enger Freundeskreis würden meine Entscheidung und Gründe akzeptieren, so wie sie mich mit all meinen Fehlern immer akzeptiert haben. Meine Familie ist ein anderes Thema. Mein Vater hat mich von Anfang an gewarnt und mich bis heute nie wirklich ernst genommen. Ich glaube ihm könnte ich es niemals erzählen. Und dann sind da eben die Ärzte, die mir stets sagten, wie sehr sie mich bewundern, dass ich diesen Weg gehe und das ich nun so viel anders wirke, mehr im Reinen mit mir selbst - was aber irgendwie nicht stimmt. So fühle ich zumindest nicht. Ich fürchte die Reaktion dieser Menschen, dass sie mich nicht länger ernst nehmen und denken, ich bin vollkommen irre und benötige dauerhafte, psychatrische Behandlung. Die Meinung anderer sollte mir egal sein aber, wie oben schon erwähnt... ist es das irgendwie nicht.

Zitat:Entschiedenes ja. Natürlich geht das.

Aber wie? Was soll ich dafür tun? Soll ich mich nun doch gegen meinen Weg als Transmann entscheiden und zu meinen biologischen Wurzeln zurückkehren? Wie würde das ablaufen können? Müsste ich mich dann zuerst an meine Endokrinologie wegen der Hormontherapie wenden? Oder erst wieder einen Psychologen aufsuchen? Würde diese Tortur, die ich dachte hinter mir zu haben, wieder von vorne beginnen?

Zitat:Definitives Nein.

Welche Alternative habe ich dann? Ich brauche irgendwelche Hormone, wenn ich meinen Körper nicht vollkommen zerstören möchte. Ich fühle nur, dass mich das Testosteron nicht länger glücklich stimmt, ich mich sogar viel eher davor drücken möchte, weil ich es nicht länger in mir haben will.

Zitat:Du quälst Dich sichtlich. Das ist sehr traurig. Aber habe bitte keine Schuldgefühle, und verunsichert und hilflos mußt Du nicht bleiben.

Ja, das ist wahr. Deswegen kann ich diesen innerlichen Schrei auch nicht länger unterbinden. Ich muss mich der Sache stellen, aber ich bin so endlos verwirrt und einsam mit dieser Sache, dass ich nicht genau weiß, wie ich es angehen soll. Mit ist klar, dass ich erst einmal eine eindeutige Erkenntnis benötige, was ich eigentlich möchte, aber der Weg der Detransition erscheint mir von Tag zu Tag attraktiver. Mich schrecken nur eben jene Reaktionen von Leuten ab, die mich mittlerweile kennen und mich auf meinem Weg begleiteten, dachten, ich hätte endlich meinen Seelenfrieden gefunden - was aber doch nicht der Fall ist. Ebenso fürchte ich den Rückweg, den ich gehen müsste, der noch beschwerlicher und härter wäre, als noch vor meiner Transition. Packe ich das? Ich weiß es nicht.... aber vielleicht würde ich dafür wieder kämpfen wollen. Einfach um zu wissen, ob ich dann doch endlich mein Glück finden und mit mir im Reinen sein kann.

Zitat:Mag sein. Aber warum solltest Du?

Weil meine Ängste und Bedenken mich in meinen Entscheidungen einschränken. Vielleicht fürchte ich auch, dass es nur eine Phase ist und ich dann doch wieder ein Mann sein möchte? Ein ewiges Hin und Her? Aber diese 'Phase' überdauert nun schon länger als ein Jahr, also kann ich es wirklich als nichtig abtun? Ich quäle mich selbst mit meiner Verwirrung aber es scheint auch keinen klaren Weg hinaus zu geben. Vielleicht wäre es einfacher für mich, wenn ich genau wüsste, DAS ich zurückkehren kann, DAS ich einen Teil meines alten Ichs zurückgewinnen könnte, wenn ich den Weg bestreite. Irgendetwas in mir aber will nicht glauben, dass es möglich ist, sondern vermutet eher, dass ich mich zum Gespött mache. Das es für mich längst zu spät ist...

Ich danke dir für deine Antworten/Gegenfrage und die Zeit, die du für mich investiert hast. Ich schätze das sehr. Heart2
Zitat



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