Nicht Mann genug?
RE: Nicht Mann genug?
Beitrag #19
(26.11.2016, 14:54)Meandra schrieb: Das ist mehr als hart. Obwohl ich mich echt bemühe, wollen mich die Leute generell als Mann sehen und posaunen das auch noch mit einem Überton heraus. Und das sind die, mit denen ich am meisten zu tun habe. (Verwandte, Bekannte, Arbeitskollegen) Die wollen mich nur quälen. Und es hat echt Momente gegeben, da habe ich mich wieder so gefühlt wie vor meinem Outing. Aber es gibt noch Menschen, und das sind wirklich sehr sehr wenige, die mich als Frau sehen. Es ist echt voll lieb, wenn Leute auf mich zukommen, mich fragen und es zu verstehen versuchen und gleich den neuen Namen wissen wollen, weil sie mich ab sofort so ansprechen. Und das tun sie. Es sind genau die, die mich über Wasser halten, aber jene, mit denen ich kaum etwas zu tun habe. Man braucht einfach kleine Strohhalme. Und es hat mal eine gegeben, die hat mich gefragt, ob ich für ein Theaterstück übe  Rolling

Natürlich habe ich Geduld. Vielleicht wird es nächstes Jahr besser, dass sie mich endlich mal anerkennen. Dieses Jahr werde ich die Weihnachtsfeier von der Firma auslassen. Weil ich echt nicht vor hunderten Leuten zwangsgeoutet werden will.
Also von alleine wird nichts passieren, du mußt mit den Leuten arbeiten bzw. an deinem Verhältnis zu ihnen.


(26.11.2016, 14:54)Meandra schrieb: Bei meinen Verwandten/Schwiegerverwandtschaft brauche ich ohnehin nicht hoffen. Die haben gleich von anfang an gesagt: ich werde dich immer mit dem männlichen Namen ansprechen. Komme, was wolle.
Mal ganz doof gefragt: Hast du jemals klar gesagt, dass du das extrem verletztend findest?
Also ich weiß von mir das meine Mutter ein sehr schwerer Fall war, mit der mußte ich 3 Jahre lang disskutieren, bis sie meinen neuen Vornamen drauf hatte.
Das Problem ist, du mußt die gesamten Hintergründe und deine gesamten Gefühle erklären, sonst verstehen es viele einfach nicht. Viele denken, es ist ja einfach nur eine Lapalie ob man nun diesen oder jenen Namen benutzt, weil sie sich gar nicht vorstellen können, was für die Betroffenen alles dahinter steckt.
Und ich hatte mit meiner Mutter deswegen mehr als einmal Streit, weil ich nämlich irgendwann auch so weit war ihr Sätze an den Kopf zu werfen wie: "Willst du mich absichtlich verletzen und beleidigen? Das tust du nämlich wenn du mich mit meinen altem Namen ansprichst!" oder "Wenn du es nicht für nötig hälst dich umzugewöhnen, dann habe ich es auch nicht nötig überhaupt mit dir zu reden."
Ja, sowas ist extrem, aber anders wollte sie nicht begreifen, dass sie jetzt eine Tochter hat. Irgendwann hat sie dann verstanden, dass sie ihr Verhalten ändern muss, wenn sie ein vernüntiges Verhältnis zu mir haben will.
Weil ich auf die Dauer nicht auf die Eingefahrenheit und/oder Bequemlichkeit anderer Rücksicht nehmen kann, weil mir das nicht gut tut. Soll ich mich bei jedem Familienbesuch schlecht fühlen, nur weil andere keine Lust haben an sich zu arbeiten?
Klar, sowas ist eine extrem schwere Zeit und es dauert und eine Erfolgsgarantie gibt es auch nicht, aber es bringt auch nichts einfach alles zu ignorieren und solche Probleme nicht anzusprechen. Am Ende hat man einfach keinen Bock mehr auf die Familie. Sich so zu verhalten, als wäre man nicht transident, als hätte man sich nie geoutet und alle offensichtlichen Veränderungen zu ignorieren, das tut niemandem gut.


(26.11.2016, 14:54)Meandra schrieb: Und die in der Arbeit: so lange du im Firmensystem als Mann geführt wirst, bist du ein Mann. Und wenn sie sich jetzt nicht bemühen, wird das auch später nicht werden, wenn die Personenstand- und Vornamensänderung durch ist. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Na ja, grundsätzlich gilt im Beruflichen, dass offizielle ist bindend und wichtiger.
Mal ein ganz banales Beispiel, was ich selbst erlebt habe: Kommt eine Vorgesetzte zu uns und sagt, wenn wir Arbeitsberichte ausfüllen, dann gefälligst mit dem richtigen Namen und nicht irgendwelche Spitznamen und/oder nur die Vornamen dahin schreiben, weil damit kann die Personalabteilung absolut nichts anfangen. Gemeint war übrigens eine philippinische Kollegin, deren Vor- und Nachname schwer über die Lippen geht und die von allen nur "Gay" gerufen wird.
Und genau aus diesem Grund ist die PÄ/NÄ für uns so wichtig, wir brauchen erstmal eine offizielle Grundlage auf die wir uns berufen können. Was abseits bzw. davor passiert ist mehr oder weniger Good Will. Vorher kann man daran arbeiten, nach der PÄ/NÄ sollte man daran arbeiten. Ich denke nach der PÄ/NÄ ist die Sache auch mehr oder weniger eindeutig, wenn Kollegen dann mehr oder weniger private Details aus der Vergangenheit vor Dritten aussprechen, kann man schon fast von Mobbing reden. Dagegen kann man vorgehen, das bringt natürlich Unruhe in die Firma und im schlimmsten Fall wird man sich eher von der vermeindlichen Unruhestiferin trennen als sich mit den Problemen auseinander setzen.

Ehrlich gesagt, ich kenne dich nicht, ich kenne deine Persönlichkeit nicht und ich kenne dein Umfeld nicht, aber deinen Erzählungen nach wirkt es auf mich ein bißchen so, als wenn du darauf hoffst das sich alles von alleine irgendwie einpendelt und gleichzeitig scheint dein Umfeld absolut nicht zu realisieren, dass deine Transidentität auch Konsequenzen und Veränderungen für sie bedeutet.
Und dieser Zustand ist weder gut für dich, noch für deine Beziehung zu anderen Menschen. Leider bedeutet Transidentität nicht nur die (körperliche) Entwicklung vom Mann zur Frau, sondern auch das sich das komplette Leben ändert, man kann nicht so tun als wenn nichts wäre.
Und oft sind es so viele Baustellen, das man sich extrem belastet fühlt.
Guck dir mein Leben an. Warum bin ich wohl nach dem Outing arbeitslos geworden? Ich war schon vorher das Mobbing-Opfer in der Firma, da kommt man mit der zusätzlichen Transidentität ganz bestimmt nicht mehr zu einem vernünftigen Arbeitsverhältnis. Und selbst wenn ich es versucht hätte, ich hatte auch genug andere Baustellen im privaten Bereich, die genauso belastend waren. Aber irgendwann stößt man an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit und muß in irgendeinem Fall sagen, das wird so nichts mehr.

Ich weiß, dass das alles extrem schwer ist, aber von alleine wird sich nichts ändern. Als Transfrau muss man die eigene Position im Leben finden und das den anderen Leuten klar vermitteln. Das ist teilweise ein ständiger Kampf, aber man muss das zum Glück nicht immer mit offener Konfrontation tun. Ich habe das auch sehr oft durch Einfühlungsvermögen und Charme geschafft. Auch wenn einige es nicht hören mögen, aber oft muss man den Leuten erst einmal beweisen das man eine Frau ist, bevor sie die Situation ernst nehmen. Und das geht auch mit Charme, Empathie, Verständnis und Emotionalität.

(26.11.2016, 14:54)Meandra schrieb: @sternschnuppe
Diese Blicke habe ich oft. Diese intensiven, musternden Blicke. Aber ungut war bisher noch niemand. *aufHolzklopf* Ich beobachte ab und zu, wenn zwei Leute die Köpfe zusammenstecken und dann eine zu mir blickt. Ich meine: glauben die echt, dass das nicht auffällt... *g*

Meandra
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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