Interessierte Studentin auf der Suche nach Antworten :)
RE: Interessierte Studentin auf der Suche nach Antworten :)
Beitrag #6
(01.02.2017, 00:16)tanxa_b schrieb: ... – ich habe im Laufe der Zeit gemerkt, dass ich unbedingt einen transsexuellen Hauptprotagonisten beschreiben möchte. An dieser Stelle möchte ich mich auch gleich für meine nicht geschlechtsneutrale Bezeichnung entschuldigen und ich hoffe, dass jemand von euch mit „Du blöde Funsen, kannst du nicht xyz schreiben?!“ kommentiert und mir eine Schreibweise aufzeigt, die ich verwenden kann/darf/soll. J
 


Oh, so schwer ist die Sache gar nicht. Zu mindestens im Bezug auf Transsexualität, wobei die meisten Betroffenen und Therapeuten inzwischen den Begriff Transidentität vorziehen. Dieser Begriff ordnet die Thematik und die Ursachen eher dem Bereich der Identität und der Psyche zu als der dem Bereich der Biologie oder der Sexualität. Ich denke dir als Germanistik-Studentin dürfte klar sein, dass man durch eine wohl überlegte Wahl eines Begriffs einen anderen Schwerpunkt setzen kann. Nun, da Therapeuten, Wissenschaftler und Betroffene die Probleme und Ursachen vor allem in diesem Bereich sehen, wird die Bezeichnung Transidentität als genauer und besser empfunden, weil man diesen Schwerpunkt noch mal extra betonen möchte.
Ich selbst benutze in meinem Sprachgebrauch nur den Begriff der Transidentität, aber ich bin mir bewußt das die langläufigere und weiterbekannte Bezeichnung Transsexualität ist. Gegenüber Fremden, die diese Neuausrichtung des Schwerpunktes nicht kennen können, benutze ich notgedrungen den Begriff Transsexualität. Man braucht nunmal einen gemeinsamen, bekannten Begriff um über das Thema zu reden, aber ich mache es nicht gerne. Ich versuche dann auch schnellstmöglich zu erklären, dass es mit Transidentität besser umschrieben ist.

Gut, machen wir weiter mit der Gramatik der Geschlechter. Bei Menschen mit Transidentität wird das Geschlecht nicht anhand der Biologie bestimmt, sondern anhand des empfunden Geschlechts bzw. des Sozialen Geschlechts.
Zum Beispiel bin ich weiblich. Wenn du mein Profilbild anguckst oder die Fotogallerie in meinem Profil aufmachst, dürftest du mich zweifelsfrei als Frau ansehen.
Also ist es bei mir relativ einfach, nach meinem Geschlechtsempfinden bin ich weiblich und anhand meines Aussehens und meines Verhaltens werde ich von anderen eindeutig als Frau identifiziert und behandelt (das fast man grob als soziales Geschlecht zusammen, oder man könnte auch Geschlechterrolle sagen). Also wird für mich durchweg die weibliche Form benutzt. Die Biologie fällt dabei unter den Tisch und findet keinen Einfluss in die Gramatik.
Und um es dann noch mal klar zu sagen, als ich geboren wurde, wurde ich als männliches Baby eingestuft und habe einen Männernamen bekommen. In der Pubertät habe ich dann gemerkt, dass dies aber nicht meinem Empfinden entspricht und auch nicht meiner Identität bzw. Psyche. Zum Glück wurde das juristisch jetzt geändert und medizinisch kann man auch viele Maßnahmen durchführen um das Erscheinungsbild möglichst weit an das empfundene Geschlecht anzupassen. Das ist mehr oder weniger notwendig, damit man im Alltag nicht immerwieder geschlechtlicher Uneindeutigkeit konfrontiert wird.
Leider ist es so, dass bei manchen Frauen ( <- Achtung, das hier ist das empfundene Geschlecht.), die von Transidentität betroffen sind, den Möglichkeiten der Medizin Grenzen gesetzt sind. Auch nach Jahren der Behandlung, sei es nun hormonell oder mit chirugischen Eingriffen, sind noch deutliche, männliche Merkmale zu erkennen. Die werden dann fälschlicherweise oft als männlich oder Männer identifiziert. Das ist falsch, weil ihnen das Empfinden sagt sie sind weiblich. Genauso wie ich weiß das ich eine Frau oder wie du es weißt.

Und um den ganzen Gramatik Kram mal abzuschließen, genauso gibt es Männer, die wurden bei der Geburt als weiblich identifiziert, bis ihnen dann später klar wurde, dass dies so nicht richtig ist.
Da wird dann durchweg die männliche Gramatik benutzt.
Ich weiß, für Außenstehende ist das nicht immer ganz einfach, gerade wenn man über Betroffene redet, die mitten in der Phase der Angleichung sind und bei denen die medizinischen Maßnahmen noch nicht sichtbar sind. Aber man muss sich eigentlich nur immer wieder ins Bewußtsein rufen, dass man in der Gramatik der Transidentität immer vom empfundenen Geschlecht ausgeht. Manchmal kann man das nicht erkennen oder ist sich nicht sicher, dann ist vielleicht etwas peinlich zu fragen, wie die Person sich selbst empfindet, aber das ist oft besser, als nach dem eigenen Gefühl zu gehen. Da besteht eine 50% Chance die falsche Form zu wählen und der Person ungewollt zu nahe zu treten.

Zuletzt dann noch, ein Wort zu den Kurzformen. Es ist mühsam und umständlich, immer zu schreiben Frauen oder Männer, die von Transidentität betroffen sind. Viele kürzen das dann einfach als Transfrau oder Transmann ab. Da wird die Gramatik natürlich dem Stamm von Mann oder Frau nach gebildet. Ich sage es nur der Vollständigkeit halber, ich gehe nicht davon aus, dass eine Germanistik-Studentin anfangen wird abenteuerliche und falsche Gramatik zu verwenden.

Und mit Blick auf dein Buch, würde ich sagen, wenn du einen Protagonisten hast, dann ist es ein Transmann, wenn du eine Protagonistin vorziehst, dann handelt das Buch von einer Transfrau.
Es ist letztlich deine Entscheidung, welches empfundene Geschlecht deine Hauptfigur hat.
Ich hoffe diese Erklärung war für dich verständlich genug. Ich versuche es für Menschen, die es nur aus der Theorie kennen, möglichst genau zu beschreiben. Außerdem gehe ich davon aus, dass wer eine Uni besucht auch komplexere Zusammenhänge begreift und umfassende Erklärungen aufnehmen kann. Bei Unklarheiten gerne nachfragen, ich bin keine Pädagogin, ich kann nur raten wie jemand am besten einen Sachverhalt versteht.

Ach ja und das bezieht sich alles nur auf Transidentität wie sie in der Diagnose F64.0 beschrieben ist, alle anderen Transgender sollen bitte für sich selber sprechen.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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RE: Interessierte Studentin auf der Suche nach Antworten :) - von Eva_Tg - 01.02.2017, 14:02

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