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RE: Identitätskrisen
(02.09.2012, 01:20)(S)andy schrieb: ... ich kann es aber auch sehr gut nachvollziehen, dass man sich wünscht in eine schublade zu passen...
Ich habe das Problem einfach so gelöst, dass ich für mich ein neues Laderl erfunden habe
Ich gehöre zwar für die allermeisten ins rosa Schachterl, in dem bin ich aber alles andere als der Norm entsprechend. Somit habe ich für mich definiert, dass ich eben Ich bin und mich nicht weiter verbiegen muss, nur damit der Rest der Gesellschaft es mit mir leichter hat.
Wer mit meiner Art nicht kann, muss ja nicht. Wenn Männer vor mir Angst haben, ist das ihr Problem. Wenn meine Arbeitskollegen ihre Witze machen, die mit unter auch sexistisch sind und dann meinen, es ist eine Frau am Tisch, das können wir nicht sagen, ein anderer dann aber sagt: "Erzähl den Witz, es ist ja die Jasmin.", dann zeigt das eben, dass ich eine Schublade für mich alleine habe, was ich auch gut finde.
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RE: Identitätskrisen
02.09.2012, 18:00
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02.09.2012, 18:13 von polum.)
(01.09.2012, 15:22)Bonita schrieb: .
Naja,
was ist schon "typisch"
(...)
- fest steht doch, dass jeder Mensch beide Seiten anteilig in/an sich trägt
Typisch, ist dann eben, wenn man nicht zu stark aus dem normalen Rahmen fällt, nicht mit gesellschaftlichen Konventionen kolidiert. Klar, verstößt jeder in seinem Leben irgendwie dagegen. Es ist natürlich ein fließender Übergang, ob man jetzt relativ typisch ist.
(01.09.2012, 15:23)signo schrieb: (01.09.2012, 15:11)polum schrieb: Vielleicht gibt es noch gar keine Schublade, die dazu passt.
Brauchst eine?
Wenn man in der Gesellschaft ein passendes Umfeld finden möchte, ist es sicherlich nicht verfehlt, wenn bestimmte Schubladen existieren. Ich geh demnächst mal zu einer TS-Selbsthilfegruppe.
(02.09.2012, 00:46)gertrud_desch schrieb: (01.09.2012, 10:24)polum schrieb: ... jetzt geht es mir schon etwas besser ...
Ich selbst lieg ja mit meinem Geschlechtserleben ziemlich im Clinch. Ich würde mir nie, niemals für die Wirklichkeit wünschen, was ich so zusammendichte. Phantasie und wirkliches Bedürfnis können da ganz weit auseinanderklaffen. Am liebsten würde ich die Geschlechtlichkeit ganz vergessen - so gesehen sind Sie viel gesünder und konstruktiver als ich. Meine Therapeutin sagt, in der Phantasie ist alles erlaubt, aber sie wird mit mir um ein helles, freundliches Bild von Geschlechtlichkeit arbeiten. Sie kennt mich gut, also ihr Wort in Gottes Ohr.
(01.09.2012, 10:24)polum schrieb: Vielleicht gibt es noch gar keine Schublade, die dazu passt.
Wenn man sich gerade aus einer Schublade befreit, die zu eng geworden ist, und sich selbst neu und vielfältiger erlebt, wärs doch auch schrecklich, sofort in ein neues Kasterl eingesperrt zu werden.
Alles Gute!
Tja, wie gesagt, in einer komplexen Gesellschaft versucht man alles irgendwie zu untergliedern, um den jeweils passenden Umgang damit zu finden. Sicherlich ist jeder ein Individuum. Ein TS fühlt sich vielleicht zu 40% als Mann und zu 60% als Frau, der andere 30% zu 70%. Ab welchem Punkt z.B. der Druck zu groß wird, eine Geschlechtsangleichende OP vorzunehmen, muss jeder dann für dich selbst entscheiden.
(02.09.2012, 01:20)(S)andy schrieb:
[Moderationseingriff: Zitat repariert und Quelle ergänzt; Mike-Tanja, 2.9.2012, 07:48 AM]
(02.09.2012, 00:46)gertrud_desch schrieb: Wenn man sich gerade aus einer Schublade befreit, die zu eng geworden ist, und sich selbst neu und vielfältiger erlebt, wärs doch auch schrecklich, sofort in ein neues Kasterl eingesperrt zu werden.
das ist sehr schön ausgedrückt! ich kann es aber auch sehr gut nachvollziehen, dass man sich wünscht in eine schublade zu passen. einfach nur um endlich zu wissen wer/wie man ist. man fühlt sich dann irgendwie mehr zugehörig und weniger allein auf weiter flur.
Genau, man hat eine Gemeinschaft, die relativ gut zu einem passt... natürlich nie zu 100%, da man immer seine individuellen Eigenheiten behält.
(02.09.2012, 12:38)jasminchen schrieb: (02.09.2012, 01:20)(S)andy schrieb: ... ich kann es aber auch sehr gut nachvollziehen, dass man sich wünscht in eine schublade zu passen...
Ich habe das Problem einfach so gelöst, dass ich für mich ein neues Laderl erfunden habe
Ich gehöre zwar für die allermeisten ins rosa Schachterl, in dem bin ich aber alles andere als der Norm entsprechend. Somit habe ich für mich definiert, dass ich eben Ich bin und mich nicht weiter verbiegen muss, nur damit der Rest der Gesellschaft es mit mir leichter hat.
Wer mit meiner Art nicht kann, muss ja nicht. Wenn Männer vor mir Angst haben, ist das ihr Problem. Wenn meine Arbeitskollegen ihre Witze machen, die mit unter auch sexistisch sind und dann meinen, es ist eine Frau am Tisch, das können wir nicht sagen, ein anderer dann aber sagt: "Erzähl den Witz, es ist ja die Jasmin.", dann zeigt das eben, dass ich eine Schublade für mich alleine habe, was ich auch gut finde.
Rosa Schachtel. Das könnte man dann wieder als übergeordnete Schublade nehmen, für Homos, Bis und Transen. Wenn es dann aber um eine spezifische Behandlung gehen sollte, muss man auch spezifischer werden... . Für den Alltag ist es aber sicher ok.
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RE: Identitätskrisen
(02.09.2012, 18:00)polum schrieb: Rosa Schachtel. Das könnte man dann wieder als übergeordnete Schublade nehmen, für Homos, Bis und Transen.
Nein, mit rosa Schachtel meinte ich die Frauen, weil die Männer befinden sich im der blauen. Homosexuelle befinden sich wieder in einer anderen Schublade. Diese hat dann ein rosa oder blaues Mascherl
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RE: Identitätskrisen
Zitat:Homosexuelle befinden sich wieder in einer anderen Schublade. Diese hat dann ein rosa oder blaues Mascherl
Kein gelbes?
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RE: Identitätskrisen
02.09.2012, 18:39
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02.09.2012, 19:17 von polum.)
Und was meine Identitätskrise betrifft: Wie gesagt, zu wie viel % TS ich bin, bzw. Mann, oder Frau kann ich noch nicht sagen. Bei mir ist sicherlich auch die Gewaltproblematik entscheident.
Ich bin einfach irgendwie darauf konditioniert, Gewalt zu erwarten, und diese zu erfahren, es bestimmte, definierte meine bisherige Persönlichkeit. In Situationen, wo ein normaler Mensch gekränkt/verletzt wäre, und rasch das Weite suchen würden, setzen bei mir gewisse Verteidigungs-/Angriffsmechanismen ein. Dann kommt bei mir eine Reaktion a la ,,war das schon alles, du Pussy? Wenn du mir was anhaben willst, musst du schon mit härteren Bandagen kämpfen''. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass das jetzt auch gerade wieder im Kampfsport bei mir abläuft.
Liegt wohl daran, dass ich einfach immer Umfeldern ausgesetzt war, die mir permanent Gewalt zufügten, an die ich aber einfach gebunden war. Da gab es nun mal kein Entrinnen.
Daher lasse ich niemanden wirklich an mich ran, habe mich emotional völlig abgeschottet. Bestimmte Teile meiner Persönlichkeit habe ich einfach ganz tief irgendwo in meiner Seele vergraben. Naja, irgendwie melden sie sich ja doch wieder. Auch wenn es bislang als erotischer Fetisch mit Gewaltfantasien war.
Bis ich aber eine konsistente Persönlichkeit daras gemacht habe, bzw. in welchem Maße das möglich sein wird... mal schauen. Zu aller erst bin ich bemüht, nach langer Zeit mal wieder richtig zu heulen. Könnte mir ganz gut tun, denke ich. ist aber nicht ganz so leicht, das zu erzwingen.
Edit:
Gut, und auch mein feminines Erscheingsbild war natürlich Teil der Gewaltproblematik z.B. in der Schule und hat natürlich dazu geführt, dass ich explizit meine weiblichen Seiten beseitigen wollte.
(01.09.2012, 15:23)signo schrieb: Und eins noch .. solange du scherzen kannst, bist noch nicht knapp vorm Abgrund
In mir steckt ein ziemlicher Zyniker. Ich scherze in Situationen, wo es andere Menschen wahrscheinlich nicht tun würde. Ist eine Art bestimmte Sachen zu verarbeiten... das ist mir schon klar.
gertrud_desch
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RE: Identitätskrisen
Polum,
Mir gehts manchmal so, dass ich spür, wie sehr es in mir kocht, aber ich kann es noch nicht richtig erfassen und schon gar nicht aus mir herauslassen, ich spürs nur wie ein dumpfes, quälendes Drängen. Ich glaub einfach, ich fürchte mich in solchen Zeiten noch zu sehr vor dem ganzen Gefühlsschwall. Ich bin dann wie eine Colaflasche, die zuviel geschüttelt wurde. Die muss man auch ganz langsam und vorsichtig aufmachen, damit der Druck allmählich entweichen kann.
Ich glaub, Tränen muss man nicht erzwingen, davon fließen noch genug, sobald man innerlich bereit ist, sich so weit zu öffnen. Das Öffnen soll ja nicht wieder ein Gewaltakt werden, sondern eine Einladung an die Gefühle, sich zu zeigen. Eine Art offene Tür, durch die der Tag hineinscheint. Sie kommen dann von selbst, wenn man sie nicht drängt.
Ich glaub, die Psychotherapie wird Ihnen, so wie mir, sehr gut tun und viel weiter helfen.
L.G.
Gertrud Desch
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RE: Identitätskrisen
03.09.2012, 07:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03.09.2012, 08:22 von Danielle.)
Offensichtlich muß sich das Selbst in einer, für einen Selbst und die Umwelt wahrnehmbaren,klar definierten und umrissenen Form,Identität,oder Zugehörigkeit wiederfinden,oder vielleicht noch besser, innerhalb dieser Grenzen selber einsperren.Selbst gezogene Grenzen, die die Menschliche Form , "dieses bin Ich",im Unterschied zu den Anderen ,ausdrücken .
Gerade viele Transgender,die die fest umrissene und oftmals auch willkürlich zugeordnete Geschlechterrolle verlassen(und damit weitere Rollen zb als Ehemann),zugeordnet eben durch das körperliche Geschlecht zwischen den Beinen,können sich in diesem unklaren, freien oder befreiten Raum nicht genügend selber be-greifen,und drängen daher mit Vehemenz in eine dieser Schubladen,um ein neues Ichbewußtsein zu definieren.Und landen so promt im nächsten Kafig der konditionierten Rollenverständnisse,jetzt halt ganz "weiblich". Formlosigkeit macht Angst,ein frei im Raum schwebendes Bewußstsein,reines Sein ,reine Wahrnehmung ohne Bezugspunkt auf das Ich,wie immer dieses verstanden wird,ängstig uns auch,wir spiegeln uns da selbst nicht oder nur ungenügend wieder,sind so nicht greifbar, ja irgendwie verloren.Immerhin wollen wir doch genau wissen ,was oder wer wir sind.Das das so nicht geht,zeigt die Unbeantwortetheit dieser uralten Menschheitsfrage nach dem "Was bin ich?"
Irgendwann begreift man vielleicht daß dies alles nur Spiegelungen sind,welche unsere verschiedenen Seiten erfahrbar machen,oder andersrum gesagt:
"Woher soll ich wissen wer oder was ich bin,wenn ich dies alles bin?"
Ob Kind,Mann ,Frau,Greis,Gut, Böse,Unschuldig,oder Schuldig
Hetero,Bi oder Lesbisch-Schwul,wir probieren in experimenteller Weise vieles aus,um die Unendlichkeit unserer Möglichkeiten im Sein, in Bruchteilen zu erfassen und zu begreifen,um abschätzen zu können ob darin eine seelische Heimat zu finden wäre. Sei es auch nur für eine gewisse Zeit,bis uns der Aufbruch zu neuen Ufern drängt.
Letzendlich ist aber jede dieser Schubladen irgendwann zu eng für die Unendlichkeit des menschlichen Daseins,dies läßt sich eben nicht in einem Kästchen einsperren,auch wenn wir dies erst nach ihrem zeitweiligen Bewohnen erkennen.
Erst die Befreiung aus diesen willkürlich gewählten Identitäten,diesen übergezogenen Kostümen und Kleidern,den Theaterrequisiten,gestattet uns für einen Moment den Blick auf unser wahres Selbst.
Dieser kurze Moment ist Grund und Erklärung genug,für ein ganzes Leben.
Das einzig Unwandelbare... ist der Wandel ! Laotse
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RE: Identitätskrisen
Ich mag diese ^^ übergeordnete philosophische Sicht der Dinge, und spontan fiel mir diese Melone aus "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" ein, die zu Teilen als einziges Kleidungsstück und zur Erschaffung eines Rollenbildes diente, Ausloserin für unzählige Gedankenbilder.
Befreit ist der Blick auf sich wohl nur wenn man auf sein nacktes Inneres schaut und jegliche Äußerlichkeit für die Umwelt wie sie selbst ausblendet. Und wie zuvor beschrieben, gibt es in diesem Moment keine Schubladen, Kästchen und Identitäten, außer das ich im Ich. Dieser Blick kann entzaubern wie bezaubern gleichsam.
Ein führungsloses Herdentier wird sich in dieser Situation wohl unendlich einsam fühlen, eine kreative freigeistige Seele wird durch diese Betrachtung den Drang verspüren schöpferisch zu werden. Erstere Seele wird diesen Blick wohl vermeiden und sich in der Realität das Kästchen suchen in das es am besten passt, auch wenn es etwas zu eng ist, zweitere wird diesen Blick nach außen mitnehmen und das verwunderte Glotzen derer die aus den Kästchen schauen wird sie immer weniger irritieren.
Der Blick in sich nach außen gekehrt wird für die freie Seele Lebensmittelpunkt.
Twitter: @XG_crossgender
Unterwegs zwischen den ♀️⚧️♂Geschlechtern ist die Rolle natürlich, selbstbestimmt und wandelbar
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RE: Identitätskrisen
Danke signo,mag ich Button drück.....
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