Weiß ncht mehr weiter... :-(
Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #1
Liebes Forum,

ich lese hier schon seit vielen Monaten mit, und bin sehr froh dass es diesen Ort im Internet gibt.
Doch heute schreibe ich zum ersten Mal. Ich sitze hier in Wien in einem Hotel, (ich komme aus Linz) und.. weiß nicht weiter.
Ich fühle mich im freien Fall, wie wenn ich den Boden unter den Füßen verloren hätte.
Ich bin so traurig, so hoffungslos und verzweifelt. Ihr wißt ja, was ich meine. Der Schmerz ist so groß.

Ich bin 42 Jahre alt, verheiratet mit einer wunderbaren Frau, erfolgreich als Programmierer tätig.
Doch innerlich zereist es mich gerade. Der Schmerz, nicht das sein zu können was ich bin, ist so groß geworden.
Es fühlt sich einfach alles so schwer und hoffnungslos an.
Ihr kennt das. Ich würde alles dafür geben, wenn mein Aussen mehr meinem Innen entsprechen würde.
Dieser große Gegensatz erzeugt so viel Schmerz, das können nicht davon betroffene Menschen einfach nicht verstehen.

Wenn ich eine hübsche Frau ansehe, erkenne ich mich in ihr. Ich erkenne mein inneres Wesen, und das was ich nie haben werde,
was ich nie sein darf. Kennt ihr das auch? Wenn euch der Anblick einer Frau fast weh tut, anstatt euch zu freuen?
Wenn ihr euch in ihr mehr erkennt, als in eurem eigenen Spiegelbild?

Ich leide schon mein ganzes Leben darunter, mal mehr, mal weniger. Es ist bisher immer wieder in den Hintergrund getreten,
doch im letzten halben Jahr wird es irgendwie immer nur schlimmer.

Danke fürs zuhören (lesen)...

Liebe Grüße,
Andreas
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #2
Hi invisible!

Wen es nicht mehr auszuhalten ist sollte man sich für das leben/gefühl entscheide das man auch ist und sein möchte! Ich kenne das wo du beschreibung sehr gut, aber seit ich nicht mehr davor davon laufe gehtes mir viel besser!

Und das soll jetzt nicht bedeuten das meine lösung auch deine lösung ist!

Liebe Grüsse Nilin!
Leben und Leben lasen! 
Den das leben ist zu kurz um zu Streiten! :-) 
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #3
Liebe Nilin,

danke für deine Antwort.

Wenn ich in einem "Vakuum" leben würde, würde ich mich auch sofort für deine Lösung entscheiden. Aber ich weiß, dass dieser Weg auch alles andere als einfach ist, und sehr viel Mut und Kraft erfordert. Und ich habe sehr viel Respekt vor jedem, der ihn geht.

Bis jetzt dachte ich halt immer, ich bekomme das auch so geregelt. Ich habe sehr viele schlaue Bücher über Achtsamkeit, positives Denken, das Leben im Jetzt usw gelesen. Hat mir auch geholfen, doch dann kommen immer diese Tage wo das alles wie weggewischt ist und ich mich frage, was soll der ganze Mist? Warum bin ich überhaupt noch hier? Das klingt sehr undankbar, ich weiß! Aber heute Nacht ist es so, was heißt heute Nacht, die ganze letzte Zeit.

Ich wünsche dir alles gute auf deinem Weg!
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #4
Hallo Invisible und Heart lich Willkommen hier bei uns.Was du tun sollst weiß ich nicht,denn jede hat ihren eigenen Weg!Ich war auch 39 als ich mich outete und 41 als ich mit der gegengeschlechtlichen Hormontherapie begann.Mittlerweile bin ich 42 und 310 Tage auf Hrt.Und ich bereue keine Sekunde der Hrt^^!
Denn das es ein Einschnitt ins Leben ist weiß man und man muß 100% bereit sein etwas zu verlieren(was nicht unbedingt der Fall sein muss.)!Allerdings bekommt man soviel wieder zurück(ich zum beispiel habe zum ersten mal in meinem Leben das Gefühl zu Leben anstatt zu existieren.)und meiner Meinung ist es das Wert viel aufzugeben.Aber genau das ist es was jeder/jede selbst entscheiden muss,um seinen/ihren Weg zu gehen.
Aber egal wie du dich entscheidest,es ist die richtige Entscheidung!

Heart Kisses Chiara Heart
Für immer Böhse. 

Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #5
Eigentlich gibt es darauf nur eine Antwort, wenn der Schmerz zu groß wird, dann muss man sein Leben ändern.
Das Kernproblem bei Transidentität ist ganz einfach, dass man kein Leben im biologischen Geschlecht führen kann. Es ist nicht möglich. Man ist damit einfach überfordert, weil man permanent darum bemüht ist die Erwartungen an die soziale Rolle zu erfüllen. Von den, ich nenne sie jetzt mal "Minderwertigkeitskomplexen" wegen dem eigenen Aussehen ganz zu schweigen.

Das alles hält an nicht ewig aus, vielleicht 10 Jahre, vielleicht 20 Jahre, aber bestimmt nicht ein ganzes Leben lang. Es hilft auch nichts sich in Arbeit, Hobbies oder Beziehungen zu flüchten, weil es exstenzielle Probleme sind, die immer da sind.
Wenn man sich outet und die Transition beginnt, heißt es nicht das es automatisch besser wird, aber man lernt dann hoffentlich besser mit den eigenen Problemen umzugehen. Und dann kann man hoffentlich irgendwann das eigene Leben besser meistern.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
WWW
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #6
Danke für eure lieben Antworten!

Mir ist es gestern Nacht echt schlecht gegangen, aber heute hab ich mich wieder etwas gefangen.
Ich hab auch (wieder mal) beschlossen dass es so nicht mehr weitergehen kann und ich unbedingt etwas ändern muss.
Als ersten Schritt habe ich eine Psychotherapeutin, die hier im Forum empfohlen wurde, kontaktiert. Ich hatte Glück und kann schon nächste Woche hingehen. Das ist schon mal sehr positiv.

Ich muss ja sagen, dass es mir zum Glück nicht immer so schlecht geht wie jetzt. Ja, ich spüre diesen Schmerz immer im Hintergrund, und fühle mich immer "falsch". Dadurch habe ich mein Leben lang schon ein geringes Selbstwertgefühl und null Selbstvertrauen. Eh klar, wie soll man sich selbst vertrauen, wenn man fühlt dass etwas grundlegend falsch ist?
Jedenfalls bin ich trotz diesem unguten Gefühl im Hintergrund nicht immer unglücklich, im Gegenteil. Das kommt immer phasenweise. Aber was mich so beunruhigt ist, dass es in den letzten beiden Jahren immer schlimmer geworden ist, und die Phasen wo ich nicht oder wenig belastet war immer geringer werden. Und das ist es was mir solche Angst macht. Ich verliere ziemlich die Hoffnung.

Aber, jetzt schaue ich mal was mir die Therapeutin raten kann.

Nochmal, danke fürs zuhören!
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #7
(05.10.2016, 07:45)Chiara D. schrieb: Was du tun sollst weiß ich nicht,denn jede hat ihren eigenen Weg!Ich war auch 39 als ich mich outete und 41 als ich mit der gegengeschlechtlichen Hormontherapie begann.Mittlerweile bin ich 42 und 310 Tage auf Hrt.Und ich bereue keine Sekunde der Hrt^^!
Ja, klar dass keine 2 Lebenswege gleich sind. Aber ich freue mich für dich dass es bei dir so gut klappt!

(05.10.2016, 07:45)Chiara D. schrieb: Denn das es ein Einschnitt ins Leben ist weiß man und man muß 100% bereit sein etwas zu verlieren(was nicht unbedingt der Fall sein muss.)!Allerdings bekommt man soviel wieder zurück(ich zum beispiel habe zum ersten mal in meinem Leben das Gefühl zu Leben anstatt zu existieren.)und meiner Meinung ist es das Wert viel aufzugeben.Aber genau das ist es was jeder/jede selbst entscheiden muss,um seinen/ihren Weg zu gehen.

Ich muss sagen dass ich bis vor kurzem gar nicht an die Möglichkeit einer Angleichung überhaupt gedacht habe. Oder ich habe es mir gar nicht erlaubt weil ich mir keine falschen Hoffnungen machen wollte. Ich dachte mir, dass sei unmöglich, ich bin eh zu alt usw..
Erst als es mir vor ca einem halben Jahr so richtig total schlecht gegangen ist, habe ich mich mit dem Thema überhaupt beschäftigt. Ich habe tiefen Respekt vor jedem Menschen, der sich da drübertraut! Ich weiß nicht, ob ich den Mut dafür hätte.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Eigentlich gibt es darauf nur eine Antwort, wenn der Schmerz zu groß wird, dann muss man sein Leben ändern.
Das Kernproblem bei Transidentität ist ganz einfach, dass man kein Leben im biologischen Geschlecht führen kann. Es ist nicht möglich. Man ist damit einfach überfordert, weil man permanent darum bemüht ist die Erwartungen an die soziale Rolle zu erfüllen. Von den, ich nenne sie jetzt mal "Minderwertigkeitskomplexen" wegen dem eigenen Aussehen ganz zu schweigen.

Ich habe das große Glück dass ich in meinem Umfeld nicht gezwungen bin, die männliche soziale Rolle (die ich verabscheue) wirklich zu spielen. Das liegt vielleicht an meinem Beruf, oder ich habe einfach nur Glück.
Aber bei mir findet niemand was dabei dass ich als "Mann" lange Haare habe, oder ab und zu mit meinem Kilt zur Arbeit komme. :-) Niemand erwartet von mir, stark zu sein oder den Primaten zu geben.
Die Komplexe wegen dem Aussehen hab ich natürlich schon. Ich will mich zur Zeit ja nichtmal in den Spiegel schauen.

Was nicht heißt, dass ich mich selbst nicht annehme oder lieb haben kann. Ich gebe mir ja nicht die Schuld an diesem Zustand.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Das alles hält an nicht ewig aus, vielleicht 10 Jahre, vielleicht 20 Jahre, aber bestimmt nicht ein ganzes Leben lang. Es hilft auch nichts sich in Arbeit, Hobbies oder Beziehungen zu flüchten, weil es exstenzielle Probleme sind, die immer da sind.

Ich habe Angst dass es bei mir genau so ist wie du schreibst - dass es jetzt immer schlimmer wird.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Wenn man sich outet und die Transition beginnt, heißt es nicht das es automatisch besser wird, aber man lernt dann hoffentlich besser mit den eigenen Problemen umzugehen. Und dann kann man hoffentlich irgendwann das eigene Leben besser meistern.

Das ist ein sehr bedeutender Punkt. Wenn man sich traut, diesen Schritt zu gehen erwartet man natürlich das alles besser wird. Warum sonst dieses Risiko eingehen und diese große Last auf sich nehmen? Ich glaube ich bin einfach von meinem ganzen Lebensweg so verunsichert dass ich kein Risiko eingehen will - mit der Konsequenz dass ich in manchen schmerzvollen Situationen verharre.

Aber zu lernen, das eigene Leben besser zu meistern, steht das nicht jedem offen auch ohne Transition?
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #8
(05.10.2016, 15:46)invisible schrieb:
(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Eigentlich gibt es darauf nur eine Antwort, wenn der Schmerz zu groß wird, dann muss man sein Leben ändern.
Das Kernproblem bei Transidentität ist ganz einfach, dass man kein Leben im biologischen Geschlecht führen kann. Es ist nicht möglich. Man ist damit einfach überfordert, weil man permanent darum bemüht ist die Erwartungen an die soziale Rolle zu erfüllen. Von den, ich nenne sie jetzt mal "Minderwertigkeitskomplexen" wegen dem eigenen Aussehen ganz zu schweigen.

Ich habe das große Glück dass ich in meinem Umfeld nicht gezwungen bin, die männliche soziale Rolle (die ich verabscheue) wirklich zu spielen. Das liegt vielleicht an meinem Beruf, oder ich habe einfach nur Glück.
Aber bei mir findet niemand was dabei dass ich als "Mann" lange Haare habe, oder ab und zu mit meinem Kilt zur Arbeit komme. :-) Niemand erwartet von mir, stark zu sein oder den Primaten zu geben.
Die Komplexe wegen dem Aussehen hab ich natürlich schon. Ich will mich zur Zeit ja nichtmal in den Spiegel schauen.

Was nicht heißt, dass ich mich selbst nicht annehme oder lieb haben kann. Ich gebe mir ja nicht die Schuld an diesem Zustand.

Na ja, gezwungen wirst du schon, jeder spricht dich mit Herr an, das ist nicht nur bloße Höflichkeit, sondern impliziert auch gewisse Erwartungen an die Geschlechterrolle. Männer und Frauen unterscheiden sich eben nicht nur durchs Aussehen und die Anrede. Das alles aufzuzählen und zu erklären würde den Rahmen sprengen, aber mit Transidentität weiß man einfach das man die Rolle, die einem durch das Geburtsgeschlecht zugewiesen wurde einfach nicht auasfüllen und leben kann.

Und über das andere muss ich jetzt ein wenig lächeln, als begeisterte Laiendarstellerin auf Mittelalter-Märkten weiß ich das ein Kilt ein Kleidungsstück nur für Männer ist und absolut nichts mit einem Rock zu tun hat. Ich als Frau würde nie im Leben einen Kilt anziehen, da würde ich mir lächerlich vorkommen. Und die langen Haare? Fast alle meine Freunde aus der Mittelalter-Szene haben lange Haare, viele sogar mit aufwändig geflochtenen Zöpfen.
Also Kleidung und Frisur lassen eher auf den kulturellen Hintergrund als auf das Geschlecht schließen.
Mal so als Gegenfrage was ist Make-up oder BHs oder Pumps, wie würde dein Umfeld da reagieren?

Bei Transidentität geht es eigentlich darum, wie nehmen andere mein Geschlecht wahr und behandeln sie mich entsprechend meinem Geschlecht? Vor der Transition wird man immer falsch eingeordnet, weil die Menschen nur nach der Biologie gehen. Aber später gehen sie dann eher nach der sozialen Rolle, wobei natürlich das Aussehen und das eigene Verhalten eine große Rolle spielen.
Ich kann hier nur für meine Person sprechen, aber selbst wenn ich mit zusammen gebundenen Haaren und leichtem Make-up da sitze und viele Menschen vielleicht mein Geburtsgeschlecht erkennen/erahnen, werde ich eher gefragt, ob ich mal ein Mann war, als dass ich gefragt werde ob ein Mann bin. Ich hoffe dieser Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist verständlich.


(05.10.2016, 15:46)invisible schrieb:
(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Das alles hält an nicht ewig aus, vielleicht 10 Jahre, vielleicht 20 Jahre, aber bestimmt nicht ein ganzes Leben lang. Es hilft auch nichts sich in Arbeit, Hobbies oder Beziehungen zu flüchten, weil es exstenzielle Probleme sind, die immer da sind.

Ich habe Angst dass es bei mir genau so ist wie du schreibst - dass es jetzt immer schlimmer wird.

Ich will dich nicht entmutigen, aber da die Schere zwischen dem was man empfindet und dem wie andere einen wahrnehmen immer weiter auseinander geht, kann es sehr wohl noch schlimmer werden.
Ich kann wieder nur für meine Person sprechen, aber bei mir war es letztlich so schlimm, dass ich nicht mal mehr als Mann arbeiten konnte.
Wie gesagt Transidentität ist ein exstenzielles Problem, aber was das letztlich für die Betroffenen bedeutet verstehen die wenigsten.


(05.10.2016, 15:46)invisible schrieb:
(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Wenn man sich outet und die Transition beginnt, heißt es nicht das es automatisch besser wird, aber man lernt dann hoffentlich besser mit den eigenen Problemen umzugehen. Und dann kann man hoffentlich irgendwann das eigene Leben besser meistern.

Das ist ein sehr bedeutender Punkt. Wenn man sich traut, diesen Schritt zu gehen erwartet man natürlich das alles besser wird. Warum sonst dieses Risiko eingehen und diese große Last auf sich nehmen? Ich glaube ich bin einfach von meinem ganzen Lebensweg so verunsichert dass ich kein Risiko eingehen will - mit der Konsequenz dass ich in manchen schmerzvollen Situationen verharre.

Aber zu lernen, das eigene Leben besser zu meistern, steht das nicht jedem offen auch ohne Transition?

Natürlich steht das jedem offen, aber wenn man von Transidentität betroffen ist, dann gibt es wenig bis gar keine Alternativen. Das sind zwar keine Gesetzmässigkeiten, aber Erfahrungswerte aus vielen, vielen Einzelfällen.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was meine Therapeutin mir bei unserer zweiten oder dritten Sitzung auf den Kopf zu sage, nämlich: "Sie werden ihr Leben nur in den Griff kriegen und mit sich selbst ins Reine kommen, wenn komplett als Frau leben."

Ich weiß nicht, ob das irgendwas mit Risiko zu tun hat, oder der Angst davor, aber irgendwann wird der Schmerz einfach zu groß. Dann spielt die Angst auch keine Rolle mehr.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
WWW
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #9
(05.10.2016, 19:00)Eva_Tg schrieb: Na ja, gezwungen wirst du schon, jeder spricht dich mit Herr an, das ist nicht nur bloße Höflichkeit, sondern impliziert auch gewisse Erwartungen an die Geschlechterrolle. Männer und Frauen unterscheiden sich eben nicht nur durchs Aussehen und die Anrede.

Du hast recht. In meinem Umfeld zählen halt die typisch männlichen Klischees nicht, wie Stärke usw.
Aber es stimmt, ich hab das nicht bis ins letzte Detail durchdacht und es wird unzählige Erwartungshaltungen geben die mir gar nicht bewusst sind. Ich schätze mich einfach glücklich dass ich in gewissem Rahmen ich selbst sein darf.

(05.10.2016, 19:00)Eva_Tg schrieb: Und über das andere muss ich jetzt ein wenig lächeln, als begeisterte Laiendarstellerin auf Mittelalter-Märkten weiß ich das ein Kilt ein Kleidungsstück nur für Männer ist und absolut nichts mit einem Rock zu tun hat.

Ja, das ist eh klar. :-) Aber es ist mal ungewöhnlich, dass ein "Mann" was anderes anhat als nur Hosen. Somit ist es für mich eine winzig kleine Möglichkeit, mich etwas mehr auszudrücken. Nur ein kleines bisschen.
Aber: sollten wir heute nicht darüber hinaus sein, was jemand anhaben darf und was nicht? Es ist
ein Stück Stoff.

(05.10.2016, 19:00)Eva_Tg schrieb: Also Kleidung und Frisur lassen eher auf den kulturellen Hintergrund als auf das Geschlecht schließen.
Da hast du recht. Meine langen Haare sind halt so ziemlich das einzige was ich an mir mag, also bin ich froh darüber.

(05.10.2016, 19:00)Eva_Tg schrieb: Mal so als Gegenfrage was ist Make-up oder BHs oder Pumps, wie würde dein Umfeld da reagieren?
Hmm, gute Frage. Ich hab echt Glück, was meine männlichen Arbeitskollegen angeht. Die sind eigentlich alle sehr weltoffen, ich glaube nicht dass sie damit ein Problem hätten. Das wollte ich einfach ausdrücken, ich bin dankbar dafür, nicht mit lauter engstirnigen zusammen sein zu müssen.
Erst heute hat einer meiner Kollegen erwähnt, dass man Menschen doch so ansprechen sollte, wie sie es wünschen. (Es ging um das Gendering einer Website). Er weiß nichts von meinem Zustand, aber in dem Moment war ich einfach dankbar.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Bei Transidentität geht es eigentlich darum, wie nehmen andere mein Geschlecht wahr und behandeln sie mich entsprechend meinem Geschlecht?

Ich weiß nicht... mir geht es jetzt in erster Line darum, warum fühle ICH mich so falsch in MIR SELBST. An die anderen Menschen hab ich bisher nur sehr wenig gedacht, muss ich gestehen. Klar, ich bin ja nicht auf diesem Weg der Transition. Noch nicht???? Ich weiß es nicht.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Ich kann hier nur für meine Person sprechen, aber selbst wenn ich mit zusammen gebundenen Haaren und leichtem Make-up da sitze und viele Menschen vielleicht mein Geburtsgeschlecht erkennen/erahnen, werde ich eher gefragt, ob ich mal ein Mann war, als dass ich gefragt werde ob ein Mann bin. Ich hoffe dieser Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist verständlich.
Darf ich dich fragen wie es dir dann in so einer Situation geht? Empfindest du das als negativ? Versuchst du, dein Gegenüber zu "lesen", ob es etwas von deiner früheren Identität merkt oder nicht?

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Ich will dich nicht entmutigen, aber da die Schere zwischen dem was man empfindet und dem wie andere einen wahrnehmen immer weiter auseinander geht, kann es sehr wohl noch schlimmer werden.
Ich glaube dir, obwohl es mir echt durch und durch gegangen ist, das zu lesen. :-(

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Natürlich steht das jedem offen, aber wenn man von Transidentität betroffen ist, dann gibt es wenig bis gar keine Alternativen. Das sind zwar keine Gesetzmässigkeiten, aber Erfahrungswerte aus vielen, vielen Einzelfällen.
Ich strebe die Transition aber nicht bewusst an. Ich möchte mir keine falschen Hoffnungen machen, dass damit alles gut werden würde. Manchmal glaube ich, ich kann nicht gewinnen, ich werde unglücklich sein egal was ich tue. Aber ich darf so nicht denken.
Jetzt hoff ich mal, dass die Therapeutin Rat weiß. Ich muss an die nächsten Schritte denken.

(05.10.2016, 09:10)Eva_Tg schrieb: Ich weiß nicht, ob das irgendwas mit Risiko zu tun hat, oder der Angst davor, aber irgendwann wird der Schmerz einfach zu groß. Dann spielt die Angst auch keine Rolle mehr.
Danke für deine ehrlichen Worte.
Zitat

RE: Weiß ncht mehr weiter... :-(
Beitrag #10
Hallo invisible,

den Worten von Eva und Dir aus eurem Zwiegespräch der letzten Beiträge im Thread brauche ich nichts hinzuzufügen, da kann ich mich selbst an jeder Stelle wiedererkennen, nur verheiratet bin ich nicht.

Allerdings habe ich zwischenzeitlich (Ende 2012, Anfang 2013) den Schritt gewagt und mich geoutet. Unter uns Informatikern geht das in der Tat auf beruflicher Ebene etwas leichter, da kann ich Deinen Eindruck bestätigen. Allerdings wird es einige geben, deren Verhalten man im Vorfeld falsch eingeschätzt haben wird, aber da muß man drüberstehen.

Ich bin bald fertig mit allem (OP-Termin im März 2017) und kann auf die Zeit zurückblicken, die noch vor Dir liegt. Es wird Gesprächsstoff geben und Du wirst auf Widerstand stoßen, aber solange Du einfach nur Du selbst bleibst, reagieren gut gebildete Menschen beim Thema Transidentität mehrheitlich aufgeschlossen und neugierig. Ich habe alle Fragen immer offen beantwortet und klargestellt, daß ich mir selbst treu bleiben werde.
Das ist überall gut angekommen und hat viele Türen geöffnet. Du weißt ja noch gar nicht, was für ein gutes Gefühl das sein kann, das richtige Namensschild an der Bürotür zu haben, die Bankomatkarte auf den richtigen Namen ausgestellt zu haben, die Jahreskarte der Öffis mit dem richtigen Namen zu haben, Post an die richtige Adresse zugestellt zu bekommen und so weiter und so fort.

Ich habe meine Zweifel ebenfalls viel zu lange mit mir herumgetragen und bereue keine einzige Minute der vergangenen vier Jahre. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, daß Du die Kraft aufbringst, diese vielen kleinen Schritte zu gehen, es wird sich lohnen!

LG
Julia
Zitat



Gehe zu: