Diskriminierung in der Arbeit ohne Personenstandsänderung (PÄ)
RE: diskriminierung in der arbeit ohne Pä
Beitrag #46
(12.02.2016, 13:24)mrs.moustache schrieb: War ja alles in der probezeit. Sprich kündigungsfrist, resturlaub ect gibt es hier nicht. Somit ist generell auch die entlassung, mit dem zu spät kommen wohl kein problem. [hier gekürzt]

Die Probezeit ist halt rein taktisch nicht der ideale Zeitabschnitt, um in einem Dienstverhältnis die großen und schwerwiegenden Streitfragen zu klären.

(12.02.2016, 13:24)mrs.moustache schrieb: Es geht mir darum, dass ich zur passiven kündigung gebracht wurde, da mir auf grund meiner geschlechtsidentität unterstellt wird sexualstraftaten zu begehen bzw diese unterstellung, allein auf grund meiner geschlechtsidentitat-welche auch immer diese offiziell sein mag- zu sanktionen mir gegenüber, und damit zu einbußen der lebensqualität und geistiger gesundheit führt.

und das kann es nicht sein. Es kann nicht sein, dass jemand im 21jhd, aufgrund physiologischer gegebenheiten diskriminiert wird.

Als imaginäre Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei M.E. Phisto, Crowley & Associates transitiere ich mal kurz die Seiten und möchte schriftlich vorbringen, was ich z.B. einer Beschwerde bzw, einem Prüfungsantrag bei der Gleichbehandlungskommission wegen verbotener Diskriminierung entgegenhalten würde:

Zitat:Das Vorbringen des Antragsstellers bzw. Beschwerdeführers (im Folgenden aus Höflichkeit und Rücksichtnahme: die Beschwerdeführerin) wird bestritten, soweit es in weiterer Folge nicht inhaltlich durch eigenes Vorbringen außer Streit gestellt wird.

Sachverhaltsdarstellung:
  1. Dem Dienstgeber war bei Aufnahme der Beschwerdeführerin bekannt, dass diese an einer psychischen Störung (Diagnose: F-64.0 - Transsexualismus laut ICD-10) leidet, sich selbst als Frau sieht und danach strebt, auch sozial als Frau anerkannt zu werden.
  2. Die Beschwerdeführerin ist aber von den Personenstandsbehörden bisher nicht als Frau anerkannt worden. Ihre vorliegenden Papiere weisen sie als Mann aus.
    Beweis: angeschlossene Seiten aus dem Personalakt der Beschwerdeführerin (Kopie des Personalausweises Nr.****), N*** N***, Dienstvorgesetzte der Beschwerdeführerin, als Zeugin
  3. Der Dienstgeber war im Rahmen seiner Fürsorgepflichten bestrebt, die soziale und gendermäßige Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin zu achten. So wurde ihre äußeres Auftreten in der Frauenrolle (Kleidung, Make-up) akzeptiert; dies ungeachtet der Möglichkeit, dass dies bei Beteiligten (Kunden, Klienten, Kollegen) Erstaunen oder Verwirrung hervorrufen könnte. Der Dienstgeber bekennt sich zum Grundsatz der Gender-Diversität.
    Beweis: wie bisher
  4. Am **. Jänner 2016 kam es jedoch zu einem bedauerlichen Zwischenfall. An diesem Tag erschien gegen 10:00 Uhr Frau A*** A****, eine Arbeitskollegin der Beschwerdeführerin, bei N*** N*** und brachte eine Beschwerde vor. Sie habe die Beschwerdeführerin, nun schon zum wiederholten Male, beim Benützen der Damentoilette beobachtet. Sie wisse aber, dass die Beschwerdeführerin in Wahrheit ein "femininer Mann" sei (den an dieser Stelle gebrauchten, abwertenden Ausdruck wiederzugeben verbietet die Rücksichtnahme auf die Gefühle der Beschwerdeführerin) und ein männliches Geschlechtsteil habe. Sie sei verwirrt, fühle sich durch das Verhalten der Beschwerdeführerin in ihrem Anstands- und Schamgefühl verletzt und in ihrer Intimsphäre durch den Dienstgeber nicht ausreichend vor Belästigungen geschützt (Frau A*** A*** wörtlich: "Dazu gibt es doch getrennte Klos, dass wir Frauen sicher und ungestört sein können, auch bei intimen Sachen, Binden wechseln und so"). Sie sei der Meinung, die Beschwerdeführerin müsse, da sie ein Mann sei, auch die für Männer bestimmte Toilette benützen.
  5. Der Versuch, Frau A*** A*** die besondere Lage der Beschwerdeführerin zu erläutern, blieb leider fruchtlos.
  6. Alle für Dienstnehmer bestimmten Toilettenanlagen an der Arbeitsstätte der Beschwerdeführerin sind nach Geschlechtern geteilt (einschließlich der für Körperbehinderte bestimmten Einrichtungen).
  7. Frau N*** N*** forderte daraufhin die Beschwerdeführerin auf, bis zum Nachweis einer erfolgten Änderung ihres Personenstands die für Männer bestimmten Toilettenanlagen zu benützen.
    Beweis: wie bisher und vorzulegende Baupläne und beizuschaffende Akten des Arbeitsinspektorats; im Bestreitungsfall: durchzuführender Lokalaugenschein
Rechtlich folgt daraus:
  1. Der Dienstgeber ist durch das Gesetz sowohl verpflichtet, die Beschwerdeführerin nicht ungerechtfertigt zu diskriminieren und sie vor solchen Diskriminierungen in seinem Einflussbereich zu schützen, als auch alle Beschäftigten vor Belästigungen (unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges Verhalten gemäß § 21 Abs. 2 Z 2 GlBG) zu schützen, wozu nach einhelliger Meinungen insbesondere Belästigungen im sexuell-intimen Bereich auch weit unterhalb der strafrechtlichen Schwelle gehören. Eine Vernachlässigung letzterer Schutzpflicht kann insbesondere in dem Fall, dass sich eine solche Gefahr anschließend verwirklicht, für den Dienstgeber schwerwiegende Folgen haben (insbesondere Schadenersatzpflichten gemäß § 26 Abs. 11 GlBG).
  2. Dem Dienstgeber lag eine Beschwerde aus dem Kreis der Belegschaft vor, in der eine Beeinträchtigung der sexuellen Intimsphäre und eine Verletzung des allgemeinen Anstands durch das Verhalten der Beschwerdeführerin behauptet wurde. Die Beschwerde war angesichts des bekannten psychischen Status und des sozialen Verhaltens der Beschwerdeführerin völlig glaubwürdig.
  3. In einer Interessenabwägung zwischen dem Wunsch der Beschwerdeführerin, trotz ihres gesetzlichen Status als Mann in jedem noch so kleinen Detail des Soziallebens in ihrer Frauenrolle erscheinen zu können, und dem Recht des weiblichen Teils der Belegschaft, sich im Intimbereich der Toilettenanlagen in jeder Hinsicht sicher und geschützt fühlen zu können, wurden zweitere Interessen für gewichtiger befunden.
  4. N*** N*** hat daraufhin als Dienstvorgesetzte gerechtfertigt das in Beschwerde gezogene Verbot ausgesprochen.
  5. Der vorliegenden Beschwerde bzw. dem Antrag wäre daher nicht Folge zu geben.

Bitte zur Erinnerung: ich bin nicht die Böse! Ich versuche nur klarzumachen, wie 9 von 10 Rechtsanwälten, die der Dienstgeber engagieren könnte (und der zehnte ist ein ahnungsloser Vollidiot und Bosnigl, der untergriffig argumentieren würde, womit er sich vor der GBK aber ins eigene Knie schießen könnte), die Sache "spinnen" würden. Kühl, knapp, sachlich, alle unbewiesenen G'schichteln betreffend Muslimas und Religion lässt man z.B. weg (wirkt nur unnötig polemisch und polarisierend). Tenor: wir achten Diversität, leider hat die Beschwerdeführerin keine PÄ, es hat eine Beschwerde gegeben, plausible Interessenabwägung, was wiegt's, das hat's, rechtliche Schlussfolgerung - und aus!

Der Dienstgeber hätte dabei mrs.moustache vor allem voraus, dass er jedes noch so kleine Detail seines Vorbringens beweisen kann (A*** A*** und N*** N*** würden selbstverständlich zu seinen Gunsten aussagen), einschließlich eines Urkundenbeweises für das Geschlecht der Beschwerdeführerin. Der Beweis, dass man mrs.moustache dagegen (wörtlich!) auf Grund ihrer Geschlechtsidentität unterstellt habe, Sexualstraftaten zu begehen, wird dagegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erbringen sein. Jeder Anwalt kann das nach Vernehmung von mrs.moustache oder auch eventueller (weiterer) Zeuginnen und Zeugen so hindrehen, dass dies vielleicht subjektiv so empfunden wurde, aber niemand Entsprechendes objektiv gesagt hat. Grund wird sein, dass jede Beweisperson bei einer offiziellen Aussage bestrebt ist, einen seriösen, nüchternen Eindruck zu hinterlassen, und eventuell gesagte "reschere" Sätze leugnen oder abschwächen wird.

Man wird damit die wahren, vielleicht sogar transphoben Motive der Beschwerde gegen mrs.moustache wohl nicht nachweisen können.

Also bleibt am Ende die von M.E. Phisto, Crowley & Associates dargelegte Interessenabwägung, und die kann niemand als völlig unplausibel, unlogisch oder unbillig verdammen. Man wird keine Behörde in Österreich oder Europa dazu bringen, die Sorgen von Frauen betreffend den Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre am Arbeitsplatz als "unzutreffend", "unzureichend" oder "nicht berücksichtigenswürdig" zu bezeichnen. Nicht, wenn das Gegenüber eine Transfrau ohne PÄ ist.
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