Intersexualität & Non-Binary: Verfahren zu Anerkennungen eines dritten Geschlechts
RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts
Beitrag #135
(27.11.2018, 00:31)Falling Snow schrieb: heute war im bundestag die finale ausschuss-anhörung...

https://www.bundestag.de/#url=L2Rva3VtZW...=mod531790
...
Der Link funktioniert wohl so nicht...

ANHÖRUNG, 26.11.2018:

Die Kurzmeldung:
https://www.bundestag.de/presse/hib/-/580562

Der Artikel:
https://www.bundestag.de/dokumente/texta...ter/578572
Zitat:Attestpflicht für drittes Geschlecht umstritten

Video:
https://dbtg.tv/cvid/7292396 bzw
https://www.bundestag.de/mediathek?video...=mediathek
[ca 118min]


Für Menschen, die nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, soll künftig für Eintragungen im Personenstandsregister der Eintrag „divers“ möglich sein. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/4660) fand am Montagvormittag, 26. November 2018, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat, zunächst unter der Leitung von Andrea Lindholz (CDU/CSU), später unter der Leitung von Jochen Haug (AfD), breite Zustimmung unter Experten. Umstritten ist jedoch, ob der Eintrag „divers“ nur dann möglich sein soll, wenn Betroffene ein ärztliches Attest vorlegen.

Antwort auf Urteil des Bundesverfassungsgerichts 

Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Regierung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, in der gefordert wurde, auch die geschlechtliche Identität derjenigen zu schützen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dafür reiche es nicht aus, wenn die Möglichkeit bestünde, keine Angabe zu machen – es müsse neben „weiblich“ und „männlich“ ein weiterer positiver Geschlechtseintrag möglich sein.

In der Anhörung sagte Prof. Dr. Anatol Dutta von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Entwurf erfülle „im Grundsatz“ die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es sei aus seiner Sicht zwingend, dass für einen Geschlechtseintrag „divers“ ein Nachweis erbracht werde – es sei denn, der Gesetzgeber entscheide sich dazu, den Geschlechtseintrag komplett zu streichen, was ebenfalls möglich wäre. 
Das Personenstandsrecht sei aktuell von einer binären Vorstellung zweier Geschlechter geprägt, dies werde sich so schnell nicht ändern. Ein Attest sei aus seiner Sicht die geringere Hürde, sagte Dutta. Die immer wieder diskutierte eidesstattliche Erklärung sei aufgrund ihrer möglichen „strafrechtlichen Konsequenzen“ der größere Eingriff.

Kritik an der Attestpflicht

Dr. Petra Follmar-Otto
vom Deutschen Institut für Menschenrechte bat darum, der Innenausschuss möge die vorgesehene Attestpflicht „kritisch überprüfen“. Nicht jeder intergeschlechtliche Mensch habe Zugang zu seinen medizinischen Unterlagen. Insbesondere für betroffene Erwachsene, die zum Teil eine lange Leidensgeschichte hinter sich hätten, könne es eine erhebliche Belastung sein, ein ärztliches Attest zu besorgen. Als ein „milderes Mittel“ sei aus ihrer Sicht eine eidesstattliche Versicherung denkbar.

Die Direktorin der Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie der Kliniken Essen-Mitte, Prof. Dr. Susanne Krege, sagte in ihrer Stellungnahme, sie plädiere dafür, die „ungünstige Formulierung offen“ bei der Personenstandsangabe in „ohne Angabe“ zu ändern. Das geforderte Attest sah Krege weniger kritisch als andere Experten: Betroffene Kinder fielen in der Regel direkt nach der Geburt oder dann auf, wenn es bei der Entwicklung ungewöhnliche Beobachtungen gebe; sie seien dann in der Regel in ärztlicher Betreuung. 
Bei Erwachsenen, bei denen die geschlechtliche Entwicklung nicht aufgefallen sei, sei es dagegen sehr kompliziert, Varianten der Geschlechtsentwicklung festzustellen; bei ihnen solle eine Erklärung ausreichend sein.

„Verfassungsrechtlich problematisch“

Dr. Anna Katharina Mangold, Privatdozentin
aus Freiburg, sagte, das Bundesverfassungsgericht habe im Oktober 2017 etwas festgestellt, dass Betroffenen lange klar gewesen sei: dass es nicht nur zwei, sondern „eine Vielzahl“ an Geschlechtern gebe, die eben nicht nur biologisch, sondern psychosozial definiert seien. 
Sie halte die Pflicht zur Eintragung eines Geschlechts für „verfassungsrechtlich problematisch“; die Norm solle ihrer Ansicht nach als „Kann-Vorschrift“ ausgestaltet werden. Mangold äußerte sich kritisch gegenüber der Attestpflicht. Sie hält eine Erklärung gegenüber dem Standesamt für ausreichend.

Prof. Dr. Konstanze Plett von der Universität Bremen forderte mehr Klarstellungen im Entwurf. So solle es ein vereinfachtes Verfahren für die Änderung des Vornamens geben. Diese müsse nicht zwangsläufig mit einer Änderung des Registergeschlechts einhergehen.

Überarbeitung der Datenbasis gefordert

Für ein unterschiedliches Verfahren bei Kindern und Erwachsenen sprach sich auch die Universitätsprofessorin Dr. med. Annette Richter-Unruh von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef-Hospital aus. Bei Erwachsenen sei die geschlechtliche Entwicklung nur extrem schwer nachweisbar, wenn sie nicht nach der Geburt erkannt worden sei. In diesem Fall solle eine einfache Erklärung ausreichend sein, während bei Kindern unkompliziert ein ärztliches Attest vorgelegt werden könne.

Als einziger Sachverständiger äußerte sich der Psychiater Christian Spaemann grundsätzlich kritisch zum Gesetzentwurf. Die Zahlen der betroffenen Menschen seien nicht haltbar; nur ein Bruchteil leide tatsächlich unter Störungen der sexuellen Entwicklung. Für die Feststellung sei eine umfangreiche Diagnostik und ein psychiatrisches Gutachten unabdingbar. Er empfehle eine Überarbeitung des Entwurfs „auf realistischer Datenbasis“.

Lucie Veith vom Verein Intersexuelle Menschen sagte in ihrer Stellungnahme, das Erfordernis, eine ärztliche Untersuchung über sich ergehen lassen zu müssen, könne bei betroffenen Menschen, die in der Vergangenheit in eine „Normgeschlechtlichkeit hineinbehandelt“ worden seien, zu einer „Retraumatisierung“ führen. Man müsse fragen, ob dies zumutbar sei. (suk/26.11.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen
  • Prof. Dr. Anatol Dutta, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Dr. Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa, Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin
  • Prof. Dr. Susanne Krege, Direktorin der Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie, Kliniken Essen-Mitte 
  • Privatdozentin Dr. Anna Katharina Mangold, Freiburg
  • Prof. Dr. Konstanze Plett, Universität Bremen
  • Universitätsprofessorin Dr. med. Annette Richter-Unruh, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef-Hospital
  • Dr. Christian Spaemann, Psychiater
  • Lucie Veith, Intersexuelle Menschen e.V., Schortens-Grafschaft

Ps: Fehler dürfte bei der Verlinkung zum "Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/4660)" passiert sein...


1. LESUNG, 11.10.2018:

Artikel:
https://www.bundestag.de/dokumente/texta...tab-570762 [auf den Tab "1. Lesung" vor "Anhörung" klicken]
Zitat:Geschlecht „divers“ soll möglicher Geburten­register-Eintrag werden

Video:
https://dbtg.tv/fvid/7280716 bzw
https://www.bundestag.de/mediathek?video...=mediathek
[ca 49min]




Die Bundesregierung plant eine Änderung des Personenstandsgesetzes. Der Gesetzentwurf „zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ (19/4669) wurde am Donnerstag, 11. Oktober 2018, gemeinsam mit einem Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Selbstbestimmung, Gleichbehandlung, körperliche Unversehrtheit – Die Grund- und Menschenrechte zur geschlechtlichen Vielfalt gewährleisten“ (19/4828) in erster Lesung beraten und anschließend zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.

Personenstand: weiblich, männlich oder divers
Bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig neben den Angaben „weiblich" und „männlich" oder der „Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe" auch die Bezeichnung „divers" gewählt werden können, wenn das Kind ...
[Bild: avatar_202.jpg] „NATSUME! NATSUMEe! NATSUMEee!“ — Nyanko-Sensei en.wikipedia.org/wiki/Natsume%27s_Book_of_Friends
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RE: Intersexualität: Gerichtsverfahren zur Anerkennungen eines dritten Geschlechts - von Bonita - 27.11.2018, 06:26
(m/w/d) -> "d" schon möglich? - von mike. - 05.04.2019, 21:21

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