Transfrau+Cisfrau - Chancen, Risiken, Erfahrungen
RE: Ich bin Vicky - noch MzF und bald nur F
Beitrag #26
(03.12.2016, 07:43)Vicky40 schrieb: Ein wichtiger Faktor bei Deinen Freunden, Bekannten, Umfeld ist das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeihung:
Wenn Menschen sich anvertrauen und Zweifel spürbar werden, werden auch liebe Freunde vielleicht wohlwollend die Zweifel stärken, weil sie dich vor einem Fehler bewahren wollen.

Daher ist es wichtig, wenn Du dir selber zweifelsfrei sicher bist. Zeig das auch Deiner Frau. Das heißt nicht, dass man sie überrumpelt. Erklär ihr, dass Du Dir selbst sicher bist und jetzt wo Du die neue Welt kennengelernt hast, Dir klar ist, wer Du wirklich bist (und schon immer warst) In den Weg und den Zeitplan kannst Du sie ja voll einbinden. Sie braucht genauso Zeit.
Sobald Du oder Deine Frau Zweifel äußern, wird das Umfeld diese sofort aufgreifen.

Also ich mag es nicht, groß über das Leben anderer Leute zu reden, aber mein Eindruck von der Situation ist schon, dass es sich ein bißchen komplizieter darstellt.
So wie ich das sehe stößt sie ja bei vielen auf ein komplettes Ignorieren/Ablehnen ihrer Transidentität, also das geht schon über Zweifel hinaus. Damit umzugehen ist hart und stellt ganz andere Anforderungen an einen selbst.

Zweifel hingegen sind mehr oder weniger normal, weil die meisten Menschen nunmal nicht ohne Vorbehalte sind. Wie ich schon sagte, bei mir hat das Umfeld ganz schnell gemerkt, dass es jetzt stimmiger ist, aber das heißt auch, dass viele öfters mal Zweifel hatten. Ich erinnere mich noch ganz gut an eine Geschichte, als meine Frau und ich zur Hochzeit ihrers Cousins eingeladen wurden und plötzlich die Brauteltern so Dinge geäußert haben: "Ja, geht dass den überhaupt und was sollen nur die Leute denken?!" Daraufhin hat meine Schwiegermutter mal Klartext geredet und geantwortet: "Was glaubt ihr eigentlich, was für ein Mensch da kommt? Irgendso ein Conita Wurst Abklatsch? Nein, meine Schwiegertochter ist eine normale und hübsche Frau, bei der man nichts von ihrer Vergangenheit merkt! Und wenn ihr sie nicht dabei haben wollt, dann wird keiner von uns zur Hochzeit kommen!"
Die war so sauer über diese Äußerungen, die hat uns kurzer Hand ins Auto verfrachtet und ist mit uns zu den Eltern des Brautpaares gefahren, damit sich selbst ein Bild machen können. Hinterher taten ihnen dann ihre Äußerungen leid, die hatten wahrscheinlich wirklich komische Vorstellungen und Zweifel.

Aber wie man sieht, für viele Menschen ist es nicht einfach mit Transidentität umzugehen. Und man selbst braucht auch immer viel Kraft und Unterstützung, um dass alles zu kommunizieren, gerade dann wenn man auf Widerstände und Vorbehalte stößt.



(03.12.2016, 07:43)Vicky40 schrieb: Mir und meiner Frau hat auch geholfen, dass wir uns in die gesellschaftlichen Schubladen so einordnen konnten: Ich bin lesbisch, sie bleibt hetero, und unsere Beziehung ist nach außen hin lesbisch. Den Engsten kann man genauer erklären, dass auch ein hetero einen Menschen lieben kann, der nicht (mehr) hetero ist.

Die einfachste Lösung dafür hat meine Gutachterin, die selbst eine Transfrau ist, vorgeschlagen: "Sie lieben sich, sich sind glücklich und ihr Sexleben ist auch in Ordnung, lassen sie es gut sein, sie brauchen nicht alles innerhalb der Beziehung definieren. Weil irgendwann können sie das nicht mehr und dann wird es schädlich für die Beziehung. Das Lesbisch ist doch auch nur irgendein Label, was sie von anderen Menschen verpaßt bekommen haben bzw. als Beschreibung für andere benutzen, weil sie nicht jedem Menschen ihre Beziehung im Detail beschreiben können oder wollen."
Und sie hat Recht, würde man alle Faktoren berücksichtigen, kann man es nicht mehr definieren. Der Versuch eine Beschreibung zu finden, der tut einem nicht gut und der Beziehung erst recht nicht.
Ich habe schon lange Gespräche mit vielen Leuten darüber geführt und das Thema ist echt verzickt. Ich habe eine Bekannte, die hat schon mehrer Beziehungen mit Transfrauen hinter sich und sie ist noch nicht mal aktiv auf der Suche nach Transfrauen. Sie würde sich nach wie vor als hetero bezeichnen, aber wenn sie genauer darüber nachdenkt paßt das so nicht mehr. Aber auch bei ihr entzieht sich das alles einer genaueren Beschreibung. Sie weiß auch nicht, wie genau sie sich nun einordnen soll.
Man sollte diese ganzen Betrachtungen irgendwann lassen, weil es zu nichts führt. Einfach damit leben und nicht über Details nachdenken, sonst wird man irgendwann ganz wirr im Kopf.

(03.12.2016, 07:43)Vicky40 schrieb: Ihr habt sogar einen großen Vorteil: 
Ihr habt eine lange, schöne Zeit der Hetero-Liebe erleben können. 
Doch nach ca.10 Jahren fehlt vielen Hetero-Beziehungen der Reiz, die Sinnlichkeit, dann suchen viele das Neue - oft in Form eines neuen Partners - sie suchen dann förmlich das Reizvolle, Ungewisse, das dieses Kribbeln auslöst. 
Sobald Du Hormone nimmst, wird dies bei Euch beiden genau das auslösen. Es ist eine viel sinnlichere Liebe zwischen zwei hormonellen Frauen. Wenn Sie herausfindet, wie leicht sie Dich in einen Zustand der anhaltenden, immerwiederkehrenden Erregung des ganzen Körpers (nicht nur einer! männlichen Zone) bringen kann, steckt sie das so an. ...Details müsst Ihr selbst erleben - aber es ist für beide unbeschreiblich schön... 

Ihr habt einen wunderschönen Weg vor Euch. 

Alles Liebe,
Vicky

Das hat nicht unbedingt was mit den Hormonen zu tun. Ich erlebe das auch jetzt schon. Viele Leute, einschließlich einiger Therapeuten und Sexualwissenschaftler, waren doch sehr interessiert daran wie ich meine Beziehung und meine Sexualität erlebe. Offenbar scheint es bei vielen anderen Transfrau/Cis-Frau Paaren doch alles hetero-ähnlich zu sein, während das bei mir ganz anders ist. Also wir waren auch zu Paar-Gesprächen da und die Interaktion in der Beziehung wurde ganz faziniert beobachtet.
Also entweder bin ich wieder eine Ausnahme, oder das passiert automatisch, wenn man in der Transition ist. Aber da bei den meisten Outing und Hormongabe zeitlich nicht so weit auseinander liegen, wird eher ein hormoneller Zusammenhang angenommen, als eine natürliche Entwicklung.
Sollen sich die Fachleute darüber den Kopf zerbrechen. Wobei es natürlich schwer wird Transfrauen ohne HRT in jahrelangen Beziehungen zu finden, um Vergleiche anzustellen.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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