Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #1
Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt.
 
Oder gar noch jünger.
 
Ganz jung schon die richtigen Klamotten anziehen können, in der Schule mit dem richtigen Namen angesprochen werden, rechtzeitig Pubertätsblocker bekommen, bevor das Testo die Chance hat, den androgynen Körper zu verwüsten, und mit spätestens 18 in die richtige Pubertät kommen…
 
Keine überdimensionierten Füße, Hände, kantiges Kinn, große Hakennase haben, keine FFS machen müssen, keine Logo oder StimmbandOP…
 
Wissen die Kids von heute eigentlich, in welch glücklicher Zeit sie leben?
 
 
Oder doch nicht?
 
Die tollen neuen Möglichkeiten und die ach so riesige überall gezeigte Toleranz mögen ja ganz fantastisch sein für jene, die schon im frühen Alter wissen, wer sie sind.
 
Im Nachhinein kann ich das von mir selber schon leichthin behaupten, da erinnere ich mich daran, wie ich mit meiner Puppe gespielt habe und Kleidchen von meiner Schwester getragen habe (gab Haue) und wie ich von Erwachsenen als Mädchen erkannt wurde.
Aber was wusste ich selber, so im Alter von 3 oder 4 oder 5?
Wenn ich zu jenen Erwachsenen sagte „Ich bin ein Junge“, war das dann mein eigenes Bewusstsein oder plapperte ich nur nach, was mir andere Erwachsene oktroyierten?
 
Anders gefragt, was ist mit jenen Kindern, die sich ihrer selbst gar nicht so sicher sind, die keine Eltern haben, mit denen sie über transsexuelle Empfindungen reden können (ja, solche Eltern soll es angeblich immer noch geben), die also in die normale Pubertät hineinschlittern und erst danach mit ihrer Transition beginnen?
 
Die alten trans Menschen, die ihre Transition im letzten Jahrtausend hatten, mein Gott, ja, denen kann man es nachsehen, die hatten ja damals nichts, so kurz nach dem Krieg.
 
Aber heute?
 
Jene tertiären Geschlechtsmerkmale, die gerade bei trans Frauen ein stealthing erschweren oder verunmöglichen, werden heute als um so mehr unpassend empfunden, als uns ständig gezeigt wird, dass diese nicht mehr sein müssen.
 
Der Jugendlichkeits-, Schönheits- und Perfektionswahn, der immer extremer geworden ist, dass selbst Kinder mittlerweile kosmetische OPs wollen und die Einnahme von Ritalin zur Leistungssteigerung schon Gewohnheit bei Schülern und Studenten geworden ist, hat endlich auch die trans Menschen erreicht.
 
Perfekt hergerichtete und gestylte Ikonen werden in Blättchen gezeigt oder prostituieren sich selber auf YT, Insta und anderen.
 
Sie bilden dadurch die Vorlage dessen, wie eine trans Frau auszusehen hat.
 
Die seltsamen Geschöpfe, die an diese Perfektion nicht – und oft nicht einmal annähernd! – heranreichen, sind heute nicht einmal mehr bedauernswert.
 
In einer Zeit der Selbstoptimierung wäre es ihre Pflicht, ihr unansehnliches Äußeres auf ein gesellschaftlich akzeptables Niveau zu bringen.
 
 
Der Druck auf trans Menschen, in perfektester (Plusquamlativ) Weise das Zielgeschlecht im wahrsten Sinne des Wortes zu „verkörpern“ ist so groß wie noch nie.
 
 
Ein schlichtes Mitsichundderweltimreinensein reicht nicht mehr aus.
 
Ich als Spättransitierende bin zwar auch in dieser Zeit transitioniert, aber ich habe das Männerpflichtprogramm erfolgreich abgeleistet:
Baum gepflanzt, Haus gebaut und eine kleine Firma gegründet (als Äquivalent zum Kindzeugen).
 
Mit dem Background brauch ich keinem Perfektionsideal mehr nachzustreben.
 
Aber ohne diesen Hintergrund?
 
Heute noch mal 20 sein?


Pouty
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #2
(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt.

In der Mittlebenskrise hatte ich auch solche Gedanken Blush
 
(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Ganz jung schon die richtigen Klamotten anziehen können, in der Schule mit dem richtigen Namen angesprochen werden, rechtzeitig Pubertätsblocker bekommen, bevor das Testo die Chance hat, den androgynen Körper zu verwüsten, und mit spätestens 18 in die richtige Pubertät kommen…

Unter Sexualwissenschaftlern galt das bereits in den 1990er Jahren als standard treatment protocol. Nur in D dauerte das noch ein bißchen, bis das mal umgesetzt wurde.

Das Problem ist, daß Minderjährige dabei auf das Wohlwollen ihrer Eltern angewiesen sind.

Bei mir mit 12-18 undenkbar. Meine Stiefmutter und meine ehemaligen Mitschüler saufen sich heute wahrscheinlich gegenseitig beim AfD-Ortsgruppen-Stammtisch unter den Tisch Rolling Facepalm

(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Wenn ich zu jenen Erwachsenen sagte „Ich bin ein Junge“, war das dann mein eigenes Bewusstsein oder plapperte ich nur nach, was mir andere Erwachsene oktroyierten?

Ich nehme mal an, das ist eine rhetorische Frage Sad

Glücklicherweise mußte ich keine Erklärungen dieser Art abgeben. Zudem profitierte ich davon, daß tamilische Kinder generell erhebliche Freiheiten genießen, und dann ist unsere Familie ohnehin der Alptraum jeden Ethnopsychoanalytikers Tongue

Nur die (deutsche) zweite Frau meines seligen Vaters war ein komplettes ********* Angry Die hat nie kapiert, daß sie bei uns eingeheiratet hat, nicht wir bei ihr (bei uns ist die heile patriarchale Welt noch in Ordnung... oder so) Angry Die hat auch sich sonst skandalös benommen. Die weiß gar nicht welches Glück sie hatte, daß meine Schwester nicht ihrem Drang nachgegeben hat, ihre scheinbare Friedfertigkeit aufzugeben Angry

(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Anders gefragt, was ist mit jenen Kindern, die sich ihrer selbst gar nicht so sicher sind, die keine Eltern haben, mit denen sie über transsexuelle Empfindungen reden können (ja, solche Eltern soll es angeblich immer noch geben), die also in die normale Pubertät hineinschlittern und erst danach mit ihrer Transition beginnen?

Das dürfte immer noch eine Mehrheit sein Sad

(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Der Druck auf trans Menschen, in perfektester (Plusquamlativ) Weise das Zielgeschlecht im wahrsten Sinne des Wortes zu „verkörpern“ ist so groß wie noch nie.

Ja, leider.

Bestenfalls kann man das subvertieren, indem man Non-Binary wird.

(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Ein schlichtes Mitsichundderweltimreinensein reicht nicht mehr aus.

Falls das überhaupt noch interessiert.
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #3
(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb: Das Problem ist, daß Minderjährige dabei auf das Wohlwollen ihrer Eltern angewiesen sind.

Bei mir mit 12-18 undenkbar. 

Als ich die Frau, die mich geboren hatte, mit vll 16 Jahren mal auf das Thema ansprach, bekam ich, bevor ich wirklich zu Wort kam, zu hören: "Was willst du denn? Hab ich nicht schon genug Probleme?"

Das war das erste und letzte Mal, wo wir über TS hätten reden können.

(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb: Meine Stiefmutter und meine ehemaligen Mitschüler saufen sich heute wahrscheinlich gegenseitig beim AfD-Ortsgruppen-Stammtisch unter den Tisch Rolling Facepalm

Clap 

(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb:
(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Wenn ich zu jenen Erwachsenen sagte „Ich bin ein Junge“, war das dann mein eigenes Bewusstsein oder plapperte ich nur nach, was mir andere Erwachsene oktroyierten?

Ich nehme mal an, das ist eine rhetorische Frage Sad

Latürnich

(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb:
(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Der Druck auf trans Menschen, in perfektester (Plusquamlativ) Weise das Zielgeschlecht im wahrsten Sinne des Wortes zu „verkörpern“ ist so groß wie noch nie.

Ja, leider.

Bestenfalls kann man das subvertieren, indem man Non-Binary wird.

DAS würde so einiges erklären.
Nicht-Binäre oder fluide Menschen hatte ich erst vor ein paar Jahren kennengelernt, und es fiel mir sehr schwer, ihr Denken nachzuvollziehen.

Du hast völlig recht.

Diese NBs sind ziemlich jung, und wenn sie die testo-verseuchten Körper der älteren trans Frauen bei den Treffen und Stammtischen sehen, mag die Motivation sinken, nach "erfolgreicher" Transition ebensolche Wesen zu werden.

Es muss gar keine rationale Überlegung sein, im Sinne, dass sie "beschließen", doch nicht TS zu sein.

Die "Mannweiber" mit großen Händen und tiefen Stimmen können möglicherweise unbewusst den Wunsch wecken, doch lieber zumindest ab und zu ein ganz normaler Mann zu sein, wenn der eigene Körper das offensichtlich will.

Nach meinen eigenen Erfahrungen mit dem schrumpfenden Pimmel und HRT bin ich sehr skeptisch, wie lange NBs ohne negative Folgen gegengeschlechtliche Hormone nehmen können.
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #4
Bevor mich jemand wegen des Begriffs "Mannweiber" (völlig zu Recht) kritisiert:

Ich hab volle Achtuing vor diesen Frauen.
Sie waren es, die mir am Anfang meiner Transition den Mut gegeben haben, meinen Weg zu gehen.

Sie trafen sich vor Corona ganz öffentlich in Gaststätten als Stammtisch, in vollem Bewusstsein ihres mehr oder weniger gutem Passings, mit dem Anspruch, ein Recht darauf zu haben, in dieser Gesellschaft sichtbar zu sein - so, wie sie sind.

Vor diesen Frauen habe ich ganz viel Respekt und habe sie auch persönlich sehr gerne.
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #5
(12.03.2021, 20:02)Rabenmädchen schrieb: Bevor mich jemand wegen des Begriffs "Mannweiber" (völlig zu Recht) kritisiert:

Ich hab volle Achtuing vor diesen Frauen.
Sie waren es, die mir am Anfang meiner Transition den Mut gegeben haben, meinen Weg zu gehen.

Sie trafen sich vor Corona ganz öffentlich in Gaststätten als Stammtisch, in vollem Bewusstsein ihres mehr oder weniger gutem Passings, mit dem Anspruch, ein Recht darauf zu haben, in dieser Gesellschaft sichtbar zu sein - so, wie sie sind.

Vor diesen Frauen habe ich ganz viel Respekt und habe sie auch persönlich sehr gerne.
Ich kritisiere jetzt mal trotzdem. Und zwar würde ich gar nicht erst anfangen zu kategorisieren und bestimmte Frauen mit einem bestimmten doch eindeutig abwertenden Namen zu bezeichnen, denn damit gibt man ja indirekt zu verstehen zu wissen was weiblich ist und was nicht. Und damit stärkt man ja wieder eine unsichtbare Norm wie Frau zu sein hat. Insofern ist jede trans-Frau eine Frau und niemals ein... was-auch-immer und zwar völlig unabhängig von Äußerlichkeiten und Stimmlagen.
[Bild: bild1.jpg]  IF AT FIRST YOU DON'T SUCCEED, FIX YOUR Ponytail AND TRY AGAIN.[Bild: bild0.jpg]
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #6
Du hast Recht und ich bitte um Entschuldigung für dieses unbedacht hingetippte Wort.
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #7
(12.03.2021, 19:54)Rabenmädchen schrieb:
(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb: Das Problem ist, daß Minderjährige dabei auf das Wohlwollen ihrer Eltern angewiesen sind.
Bei mir mit 12-18 undenkbar.
Als ich die Frau, die mich geboren hatte, mit vll 16 Jahren mal auf das Thema ansprach, bekam ich, bevor ich wirklich zu Wort kam, zu hören: "Was willst du denn? Hab ich nicht schon genug Probleme?"

Sehr mütterlich Sad

Unsere Stiefmutter hat uns auch sonst stiefmütterlich behandelt (manchmal ist an dummen Clichés doch was dran Facepalm ). Wenn man was wollte oder brauchte war es der nur lästig.

In Sachen TS engagierte sie sich aber auffällig, weil sie mich zu kontrollieren versuchte. Es war ihr sichtlich peinlich, einen "tuntigen Stiefsohn" zu haben.

Aber sie scheiterte an uns in mehrfacher Hinsicht nur grandios.

(12.03.2021, 19:54)Rabenmädchen schrieb:
(12.03.2021, 15:34)Sunburst schrieb:
(12.03.2021, 11:28)Rabenmädchen schrieb: Der Druck auf trans Menschen, in perfektester (Plusquamlativ) Weise das Zielgeschlecht im wahrsten Sinne des Wortes zu „verkörpern“ ist so groß wie noch nie.

Ja, leider.
Bestenfalls kann man das subvertieren, indem man Non-Binary wird.
DAS würde so einiges erklären.
Nicht-Binäre oder fluide Menschen hatte ich erst vor ein paar Jahren kennengelernt, und es fiel mir sehr schwer, ihr Denken nachzuvollziehen.
Du hast völlig recht.

Ich habe ein bißchen Erfahrung aus 1. Hand mit Gesellschaften mit nicht-binären Geschlechtersystemen. Leider ist das immer wieder nur äußerst bedingt mit den Verhältnissen in Europa und N Amerika zu vergleichen. Egal ob ich da früher an TS dachte oder in jüngerer Zeit an NBs. Das ist sehr frustrierend für mich.

Wahrscheinlich würden sich NBs nun über mich aufregen, aber ich argwöhne da zumindest zu einem gewissen Grad eine Kompromißbildung.

(12.03.2021, 19:54)Rabenmädchen schrieb: Diese NBs sind ziemlich jung, und wenn sie die testo-verseuchten Körper der älteren trans Frauen bei den Treffen und Stammtischen sehen, mag die Motivation sinken, nach "erfolgreicher" Transition ebensolche Wesen zu werden.

Es muss gar keine rationale Überlegung sein, im Sinne, dass sie "beschließen", doch nicht TS zu sein.

Ja, das ist auffällig, daß als üblicherweise geschlechtlich gedachte Phänomene sich mit bestimmtem sozialen (einschl. religiöser) Gruppierungen überschneiden. Das muß nicht ausschließen, daß sich bereits früher Leute als NB-ähnlich verorten konnten, aber das waren manchmal eher schon Avantgarde-Positionen.

Ob NBs eigene Rollenmodelle vor Augen haben, und wenn ja welche, entzieht sich meiner Kenntnis.

(12.03.2021, 19:54)Rabenmädchen schrieb: Die "Mannweiber" mit großen Händen und tiefen Stimmen können möglicherweise unbewusst den Wunsch wecken, doch lieber zumindest ab und zu ein ganz normaler Mann zu sein, wenn der eigene Körper das offensichtlich will.
Nach meinen eigenen Erfahrungen mit dem schrumpfenden Pimmel und HRT bin ich sehr skeptisch, wie lange NBs ohne negative Folgen gegengeschlechtliche Hormone nehmen können.

Eigentlich ist die Idee nicht neu. Nur daß früher behauptet wurde, Jung-TS würden aus SHGn schreiend davonlaufen, um lieber schwul zu werden (bzw. bleiben). Ob das jemals faktisch untermauert wurde, entzieht sich mal wieder meiner Kenntnis.

Ein großes Problem sehe ich darin, welcher Druck auf junge Leute ausgeübt wird. Viele knicken halt ein.

Aus eigener Erfahrung muß ich leider sagen, daß ich einige sonst unerwünschte soziale Eigenschaften kultivieren mußte, um mich durchsetzen zu können Sad

Gegenüber anderen TS machten sich leider auch die Unterschiede in Alter, Lebensstilistiken und sozialen Schichten bemerkbar. Anfangs war ich da noch etwas naiv.


(12.03.2021, 20:47)chipsi schrieb: Ich kritisiere jetzt mal trotzdem. Und zwar würde ich gar nicht erst anfangen zu kategorisieren und bestimmte Frauen mit einem bestimmten doch eindeutig abwertenden Namen zu bezeichnen, denn damit gibt man ja indirekt zu verstehen zu wissen was weiblich ist und was nicht. Und damit stärkt man ja wieder eine unsichtbare Norm wie Frau zu sein hat. Insofern ist jede trans-Frau eine Frau und niemals ein... was-auch-immer und zwar völlig unabhängig von Äußerlichkeiten und Stimmlagen.

D'accord was die Wertungen angeht.

Das Problem sind die Kategorisierungen. Es gibt leider keine wirklich befriedigenden auf dem Theoriemarkt Ermm Ich könnte aber nicht behaupten, daß mir entgangen sei, daß nicht alle Leute gleich sind Unsure
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #8
Zum eigentlichen Thema des Threads: Perfektion kann ja auch eine Illusion sein und die Frage ist, ob es überhaupt sinnvoll ist bzw. glücklich (oder doch eher unglücklich) macht nach selbiger zu streben. Das selbe gilt ja irgendwo auch fürs Passing. Man kann ja viel operieren und bestmöglich angleichen, aber wenn nicht alles so wird wie man sich das vorgestellt hat, dann ist das eben die Realität mit der es umzugehen gilt.

Perfekt anzusehende Transgender auf ihren diversen Kanälen sind nicht nur hübsch anzusehen sondern anscheindend auch recht beliebt, weniger perfekte sieht man manchmal in Talkshows. Das Thema Transgender ist in regelmäßigen Abständen jedenfalls immer wieder dafür gut um in den Medien durchgekaut zu werden. Alles was für mehr Verständnis und Akzeptanz sorgt, soll mir recht sein, die Realität und die Probleme im Alltag sind dann aber für jeden und jede vermutlich recht unterschiedlich, abhängig von vielen Faktoren.

Ich finde es hilft nicht viel wenn man sich mit anderen vergleicht die besser oder schlechter da stehen, aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen und Resourcen (was mich aber nicht davon abhält es dennoch zu tun).

Bodyshaming ist ja schon unter cis-Menschen ein großes Thema, als Transgender ist es nochmal ein Kapitel für sich, weil was mach ich wenn scheinbar so gar nichts ins gewünschte (und geforderte?) Schema passt. Sich dafür zu schämen kann es ja wohl nicht sein, noch dazu wenn man gar nichts dafür kann wie man ist.

Akzeptanz heißt vielleicht das Zauberwort, sowohl in Bezug auf sich selbst als auch auf andere. Wenn man seine diversen Komplexe mit sich herumträgt, dann kann das aber auch recht schwierig sein, sich selbst so zu akzeptieren, mit all den Mängeln.

Abgesehen davon kann sich die äussere Perfektion ja auch sehr deutlich vom Innenleben unterscheiden, und wenn es um die Seele (huch, wie das klingt) schlecht bestellt ist, dann hilft auch ein perfekter Körper (wie auch immer der auszusehen hat) plus das dazu passende Gesicht nicht mehr so viel.

Wenn das jetzt so klingt, als ob ich über diesen Dingen stehen würde, so täuscht der Eindruck. Nochmal 20 zu sein ist jedenfalls eine interessante Vorstellung. Ich nehme mal an, ohne das gespeicherte Wissen von jetzt, also quasi ein Reset. Na dann gute Nacht. Dann würde sich so ziemlich alles wiederholen, was bereits gnädigerweise mittlerweile verblasst ist, andererseits wäre es schon sehr cool.

Das wäre dann schon wieder eine philosophische Frage, angenommen man könnte immer wieder auf einen Reset-Knopf drücken und wäre dann 20. Was würde man dann alles anders machen, diesmal mit dem gespeicherten Wissen aus dem letzten Versuch? Man könnte jedesmal versuchen ein noch verbessertes Leben zu führen als zuvor. Wobei sich auch wieder die Frage stellt was ist überhaupt perfekt (in Bezug aufs Leben)?

Nochmal 20 zu sein, hmmm, möchte ich das? Kann ich nicht beantworten, aber eigentlich gibt es vieles das nicht nur okay ist so wie es jetzt ist, sondern vielleicht sogar ein Privileg, man kann ja vieles so oder so sehen. Wobei ich schon glaube, dass das Alter bzw. altern an sich kein Kindergeburtstag ist, aber wiederum tröstlich dass dem ohnehin niemand entgehen kann (naja, stimmt so auch nicht ganz), unabhängig wie perfekt der momentane Zustand auch sein mag.

Unter all den Lebensformen auf unseren Planeten sind wir als Mensch ohnehin am oberen Ende der Evolution oder zumindest der Nahrungskette oder so, noch dazu in Mitteleuropa (glücklicherweise auch nicht in Polen oder Ungarn...), und auch wenn Transgender zu sein vor allem eine Bürde darstellt, so stellt es nicht unbedingt die schlechteste aller Lebensformen dar. Wobei ein Raubvogel zu sein stell ich mir auch sehr cool vor, nur sind dessen Lebensumstände wohl ungleich härter als meine und die Lebenserwartung kürzer.

Wie man sieht kommt es eigentlich nur auf die Perspektive an wie man die Dinge sieht, also bloss nicht verzweifeln (jedenfalls noch nicht...).
[Bild: bild1.jpg]  IF AT FIRST YOU DON'T SUCCEED, FIX YOUR Ponytail AND TRY AGAIN.[Bild: bild0.jpg]
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #9
(13.03.2021, 10:26)chipsi schrieb: ... Wie man sieht kommt es eigentlich nur auf die Perspektive an wie man die Dinge sieht, also bloss nicht verzweifeln (jedenfalls noch nicht...).
Cool3
[Bild: avatar_202.jpg] „NATSUME! NATSUMEe! NATSUMEee!“ — Nyanko-Sensei en.wikipedia.org/wiki/Natsume%27s_Book_of_Friends
WWW
Zitat

RE: Noch mal 20 sein, und das heute und jetzt
Beitrag #10
Was mich zu diesem Thread bewogen hat und was es mit dem kritisierten Begriff auf sich hat
 
 
Meine Transition mit Coming Out begann vor knapp vier Jahren.
Die ersten Tage androgyn angezogen, dann als DWT – aus Angst, „erwischt“ oder „durchschaut“ zu werden.
Ich hatte elende Komplexe, dem hyperperfekten Bild von Frau nicht entsprechen zu können, das ich als Mindestmaßstab für mich gesetzt hatte.
 
Die Komplexe waren berechtigt, weil ich diesem Bild nicht im Mindesten entsprach.
Das ist heute anders.
Aber nicht wegen FFS und anderen OPs, sondern vor allem, weil sich geändert hatte, was ich als Maßstab für „frauliches Leben“ anlege.
 
Im Mai 2017 besuchte ich das erste Mal ein trans Menschen Treffen in einem öffentlichen Restaurant.
Hier saß ganz öffentlich an einem großen Tisch eine lustige Runde von Frauen, die mit ihrem teilweise sehr männlichem Körperbau und Stimmhöhe mir so ganz anders als die anderen Frauen.
Sie waren so selbstbewusst, so selbstverständlich in ihrem Wesen und ihrem Auftreten - alle Zweifel, alle Furcht, die ich bis dahin gehabt hatte, waren verflogen.
 
Gut, das haben sie bei MIR bewirkt.
 
Manch andere laufen – wie sunburst es beschrieben hat – schreiend weg und „beschließen“, schwul oder NB zu werden / zu bleiben.
 
 
Ein Jahr später sagte eine cis Frau zu mir, bei mir sei es ja in Ordnung, dass ich „trans“ sei, ich würde mich ja bemühen (!), als normale (!) Frau zu wirken.
Aber - sie habe kürzlich einen Fortbildungskurs besucht und da sei wer gewesen „so wie du“ (damit war ich gemeint) und der (die trans Frau war gemeint) war voll der (!) Unsympath und er (!) wollte als Frau angesprochen werden, obwohl er (!) voll die tiefe Stimme hatte und völlig männlich aussah.
Er habe zwar Brüste, sei aber keinesfalls eine Frau, sondern bestenfalls ein…na ja, und dann fiel eben das Wort, welches Chipsi so völlig zu Recht kritisiert hat und das ich nicht hätte verwenden dürfen, ohne dessen Hintergrund darzustellen.
 
Was diese cis Frau nicht wusste:
Ich kannte die Frau, von der sie berichtete,
Um ihre Anonymität zu wahren, schreibe ich nur, dass sie sehr viel für andere Menschen getan hat und immer noch tut und dass sie aus medizinischen Gründen außer ihrer bereits erfolgten GA keine weiteren nicht lebenswichtigen Operationen durchführen lassen darf.
 
Die besagte cis Frau mag ich gar nicht kritisieren.
Sie hat in privater Runde ausgesprochen, was sie gefühlt hatte, als sie meine Bekannte erlebt hatte.
Wie viele mögen ebenso empfinden – ohne dass sie es aussprechen oder zeigen?
Wie viele junge TS mögen vor ihrer Transition innerlich schreiend wegrennen, wenn sie erleben, wie abfällig Frauen mit deutlich sichtbarem Testosteronshintergrund angesehen und abgeurteilt werden?
 
So langsam glaube ich zu verstehen, warum manchre Frauen mit Testohintergrund sich als ein drittes Geschlecht bezeichnen.
Sie wollen aus dem Druck heraus kommen, einem weiblichen Schönheitsperfektionsdiktat zu entsprechen.
Das dritte Geschlecht entspräche dann der Magersucht der cis Frauen.
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat



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